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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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beinahe ganz beseitigte System der Unfreiheit der ländlichen Gewerbs-
produktion sind folgende.

Bereits im vorigen Jahrhundert beginnen die Regierungen, wenn
auch nicht im Namen der bäuerlichen und gesellschaftlichen Freiheit, so
doch im Namen des volkswirthschaftlichen Wohles der Bevölkerung,
diesen Bannrechten so weit als möglich Grenzen zu setzen. Diese
Grenzen werden anfänglich nur auf die juristische Natur jener Rechte
begründet. Es wird der Grundsatz aufgestellt, daß daß Vorhandensein
der Bannrechte bewiesen werden müsse (Mittermaier §. 531, Runde
§. 279); es wird ausdrücklich erklärt, daß aus der Concession eines
Privilegiums, z. B. zur Errichtung einer Mühle, noch kein Bann-
recht folge (Runde §. 282). Der Berechtigte muß die Anstalt in gutem
Stande erhalten, und wo dieß nicht der Fall ist, kann der Verpflichtete
sich anderer Anstalten bedienen (Bad. Landrecht §. 710). Der Einzelne
hat auch gegenüber dem Bannrechte das Recht, seine eigenen Bedürf-
nisse durch eigene Arbeit zu befriedigen (Preußisches Landrecht §. 14--49)
und andere Punkte. Allein alle diese Bestimmungen mußten sich, da
sie doch am Ende nur durch kostspielige Processe verwirklicht werden
konnten, als unpraktisch erweisen; das wahre Bedürfniß, die Nothwen-
digkeit vollkommen freier gewerblicher Bewegung, mußte von einer andern
Seite kommen. Hier nun brach Preußen unter Stein die Bahn. Der
Charakter der Stein'schen Verwaltung ist es überhaupt, daß die staats-
bürgerliche Freiheit zunächst als bürgerliche Gewerbsfreiheit zur Geltung
kommt, und die Freiheit des Grundbesitzes erst in zweiter Linie ein-
tritt. Die Anwendung dieses Princips auf die Bannrechte lag nahe.
Das Edikt vom 28. Oktober 1810 hob ganz einfach alle Bannrechte
(Mühlen-, Brau-, Brenn- und Schenkzwang) auf, und zwar ohne
Entschädigung, "da die Theorie und die Erfahrung beweisen, daß die
Aufhebung der Zwangs- und Bannrechte in der Regel keineswegs die
Einnahmen der früher Berechtigten mindert," nur bei merklichem Schaden
soll eine Entschädigung eintreten. Diesem ersten Schritte folgte jedoch
um so weniger ein zweiter, als überhaupt die Entlastung seit den Be-
freiungskriegen in Stillstand gerieth; selbst in Preußen kam erst mit
dem 31. Oktober 1825 eine Instruktion für das schiedsrichterliche Ver-
fahren in solchen streitigen Fällen zu Stande, und jene Befreiung ward
ausdrücklich nur auf die alten Landestheile beschränkt (Kabinetsordre
vom 23. März 1836). Indessen dauerte in dieser ganzen Zwischenzeit
der theoretische Kampf um die Aufhebung jener Bannrechte fort (Rau,
Volkswirthschaftspflege §. 204); das Princip der Entschädigung griff an der
Stelle der ursprünglichen Entschädigungslosigkeit Platz, und ward theils
als bloße Ablösbarkeit der Bannrechte ausgesprochen (Königreich Sachsen,

beinahe ganz beſeitigte Syſtem der Unfreiheit der ländlichen Gewerbs-
produktion ſind folgende.

Bereits im vorigen Jahrhundert beginnen die Regierungen, wenn
auch nicht im Namen der bäuerlichen und geſellſchaftlichen Freiheit, ſo
doch im Namen des volkswirthſchaftlichen Wohles der Bevölkerung,
dieſen Bannrechten ſo weit als möglich Grenzen zu ſetzen. Dieſe
Grenzen werden anfänglich nur auf die juriſtiſche Natur jener Rechte
begründet. Es wird der Grundſatz aufgeſtellt, daß daß Vorhandenſein
der Bannrechte bewieſen werden müſſe (Mittermaier §. 531, Runde
§. 279); es wird ausdrücklich erklärt, daß aus der Conceſſion eines
Privilegiums, z. B. zur Errichtung einer Mühle, noch kein Bann-
recht folge (Runde §. 282). Der Berechtigte muß die Anſtalt in gutem
Stande erhalten, und wo dieß nicht der Fall iſt, kann der Verpflichtete
ſich anderer Anſtalten bedienen (Bad. Landrecht §. 710). Der Einzelne
hat auch gegenüber dem Bannrechte das Recht, ſeine eigenen Bedürf-
niſſe durch eigene Arbeit zu befriedigen (Preußiſches Landrecht §. 14—49)
und andere Punkte. Allein alle dieſe Beſtimmungen mußten ſich, da
ſie doch am Ende nur durch koſtſpielige Proceſſe verwirklicht werden
konnten, als unpraktiſch erweiſen; das wahre Bedürfniß, die Nothwen-
digkeit vollkommen freier gewerblicher Bewegung, mußte von einer andern
Seite kommen. Hier nun brach Preußen unter Stein die Bahn. Der
Charakter der Stein’ſchen Verwaltung iſt es überhaupt, daß die ſtaats-
bürgerliche Freiheit zunächſt als bürgerliche Gewerbsfreiheit zur Geltung
kommt, und die Freiheit des Grundbeſitzes erſt in zweiter Linie ein-
tritt. Die Anwendung dieſes Princips auf die Bannrechte lag nahe.
Das Edikt vom 28. Oktober 1810 hob ganz einfach alle Bannrechte
(Mühlen-, Brau-, Brenn- und Schenkzwang) auf, und zwar ohne
Entſchädigung, „da die Theorie und die Erfahrung beweiſen, daß die
Aufhebung der Zwangs- und Bannrechte in der Regel keineswegs die
Einnahmen der früher Berechtigten mindert,“ nur bei merklichem Schaden
ſoll eine Entſchädigung eintreten. Dieſem erſten Schritte folgte jedoch
um ſo weniger ein zweiter, als überhaupt die Entlaſtung ſeit den Be-
freiungskriegen in Stillſtand gerieth; ſelbſt in Preußen kam erſt mit
dem 31. Oktober 1825 eine Inſtruktion für das ſchiedsrichterliche Ver-
fahren in ſolchen ſtreitigen Fällen zu Stande, und jene Befreiung ward
ausdrücklich nur auf die alten Landestheile beſchränkt (Kabinetsordre
vom 23. März 1836). Indeſſen dauerte in dieſer ganzen Zwiſchenzeit
der theoretiſche Kampf um die Aufhebung jener Bannrechte fort (Rau,
Volkswirthſchaftspflege §. 204); das Princip der Entſchädigung griff an der
Stelle der urſprünglichen Entſchädigungsloſigkeit Platz, und ward theils
als bloße Ablösbarkeit der Bannrechte ausgeſprochen (Königreich Sachſen,

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[250/0268] beinahe ganz beſeitigte Syſtem der Unfreiheit der ländlichen Gewerbs- produktion ſind folgende. Bereits im vorigen Jahrhundert beginnen die Regierungen, wenn auch nicht im Namen der bäuerlichen und geſellſchaftlichen Freiheit, ſo doch im Namen des volkswirthſchaftlichen Wohles der Bevölkerung, dieſen Bannrechten ſo weit als möglich Grenzen zu ſetzen. Dieſe Grenzen werden anfänglich nur auf die juriſtiſche Natur jener Rechte begründet. Es wird der Grundſatz aufgeſtellt, daß daß Vorhandenſein der Bannrechte bewieſen werden müſſe (Mittermaier §. 531, Runde §. 279); es wird ausdrücklich erklärt, daß aus der Conceſſion eines Privilegiums, z. B. zur Errichtung einer Mühle, noch kein Bann- recht folge (Runde §. 282). Der Berechtigte muß die Anſtalt in gutem Stande erhalten, und wo dieß nicht der Fall iſt, kann der Verpflichtete ſich anderer Anſtalten bedienen (Bad. Landrecht §. 710). Der Einzelne hat auch gegenüber dem Bannrechte das Recht, ſeine eigenen Bedürf- niſſe durch eigene Arbeit zu befriedigen (Preußiſches Landrecht §. 14—49) und andere Punkte. Allein alle dieſe Beſtimmungen mußten ſich, da ſie doch am Ende nur durch koſtſpielige Proceſſe verwirklicht werden konnten, als unpraktiſch erweiſen; das wahre Bedürfniß, die Nothwen- digkeit vollkommen freier gewerblicher Bewegung, mußte von einer andern Seite kommen. Hier nun brach Preußen unter Stein die Bahn. Der Charakter der Stein’ſchen Verwaltung iſt es überhaupt, daß die ſtaats- bürgerliche Freiheit zunächſt als bürgerliche Gewerbsfreiheit zur Geltung kommt, und die Freiheit des Grundbeſitzes erſt in zweiter Linie ein- tritt. Die Anwendung dieſes Princips auf die Bannrechte lag nahe. Das Edikt vom 28. Oktober 1810 hob ganz einfach alle Bannrechte (Mühlen-, Brau-, Brenn- und Schenkzwang) auf, und zwar ohne Entſchädigung, „da die Theorie und die Erfahrung beweiſen, daß die Aufhebung der Zwangs- und Bannrechte in der Regel keineswegs die Einnahmen der früher Berechtigten mindert,“ nur bei merklichem Schaden ſoll eine Entſchädigung eintreten. Dieſem erſten Schritte folgte jedoch um ſo weniger ein zweiter, als überhaupt die Entlaſtung ſeit den Be- freiungskriegen in Stillſtand gerieth; ſelbſt in Preußen kam erſt mit dem 31. Oktober 1825 eine Inſtruktion für das ſchiedsrichterliche Ver- fahren in ſolchen ſtreitigen Fällen zu Stande, und jene Befreiung ward ausdrücklich nur auf die alten Landestheile beſchränkt (Kabinetsordre vom 23. März 1836). Indeſſen dauerte in dieſer ganzen Zwiſchenzeit der theoretiſche Kampf um die Aufhebung jener Bannrechte fort (Rau, Volkswirthſchaftspflege §. 204); das Princip der Entſchädigung griff an der Stelle der urſprünglichen Entſchädigungsloſigkeit Platz, und ward theils als bloße Ablösbarkeit der Bannrechte ausgeſprochen (Königreich Sachſen,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/268>, abgerufen am 22.11.2024.