Geschichte der Ablösung zugleich eine wesentlich territoriale ist, sich anschließend an die mehr oder weniger ausgebildete Entwickelung der Verwaltung der Volkswirthschaft oder, wie sie gewöhnlich heißt, der Landeskultur, und daher auch in die unbestimmte Gruppe der "Agrar- verfassungen" aufgenommen wird. Das, was alle diese vereinzelten und zum Theil sehr verschiedenen Erscheinungen der Ablösung indeß zusammenhält und sie für die Verwaltungslehre als ein Ganzes erscheinen läßt, ist nun die eben bezeichnete Verbindung mit dem Proceß der Ent- lastung. Fast ausnahmslos ist daher die Ablösung seit 1848 der Ent- lastung gefolgt, und das Recht derselben ist wie die folgenden fast aus- nahmslos nur noch als historische Thatsache zu betrachten. Wir glauben daher unserm Zwecke zu genügen, wenn wir kurz die betreffende Gesetz- gebung hier angeben.
Was zunächst Oesterreich betrifft, so hatte allerdings schon das Patent vom 7. September 1848 auch die Ablösungen in Aussicht ge- stellt, und das Weiderecht (Blumensuchrecht der Obrigkeit = Grund- herren) so wie die gegenseitige Brachweide ohne Entschädigung auf- gehoben. Allein die vollständige und eigentliche Ablösung begann erst mit dem Patent vom 5. Juli 1853, dem die Ausführungsverord- nung vom 3. September 1855 und 31. Oktober 1857 folgten, durch welche eigene -- noch jetzt thätige -- Commissionen zur Ablösung, zum Theil aber auch, namentlich bei Forstdienstbarkeiten, zur strengen Re- gulirung eingeführt wurden. Die Ablösung zeigt hier vielleicht am deutlichsten in ganz Deutschland ihren specifischen, von der Entlastung verschiedenen Charakter, indem trotz der entschiedenen Durchführung der letzteren für die erstere die Regulirung statt der Ablösung ein- treten kann, wenn höhere Rücksichten der Landeskultur oder genügendes Einverständniß der Berechtigten und Verpflichteten der Ablösung entgegen stehen. Dabei ist das Jagdrecht vollständig aufgehoben, und die Ein- führung neuer ähnlicher Rechte nur unter der ausdrücklichen und behörd- lich genehmigten Bestimmung der künftigen Ablösbarkeit gestattet worden (Stubenrauch, Verwaltungsgesetzkunde II. 446. 448. Judeich S. 30).
Denselben Charakter trägt nun, wenn auch in ganz andern Formen, die Ablösungsgesetzgebung Preußens. Preußens Recht zeichnet sich dadurch aus, daß hier jeder der drei Theile der Ablösung wieder seine eigene Geschichte hat. Die Forstservituten nämlich sind bereits im vorigen Jahrhundert unter den Gesichtspunkt der verwaltungsrechtlichen Forstpflege oder der sog. "Forstpolizei" gebracht, und ohne Rücksicht auf Grundherrlichkeit und Bauernrecht den administrativen Bestimmungen unterworfen, so daß hier für die eigentliche Ablösung, das Verhältniß zwischen Grundherrn und Eigenen, nur wenig übrig blieb. Die
Geſchichte der Ablöſung zugleich eine weſentlich territoriale iſt, ſich anſchließend an die mehr oder weniger ausgebildete Entwickelung der Verwaltung der Volkswirthſchaft oder, wie ſie gewöhnlich heißt, der Landeskultur, und daher auch in die unbeſtimmte Gruppe der „Agrar- verfaſſungen“ aufgenommen wird. Das, was alle dieſe vereinzelten und zum Theil ſehr verſchiedenen Erſcheinungen der Ablöſung indeß zuſammenhält und ſie für die Verwaltungslehre als ein Ganzes erſcheinen läßt, iſt nun die eben bezeichnete Verbindung mit dem Proceß der Ent- laſtung. Faſt ausnahmslos iſt daher die Ablöſung ſeit 1848 der Ent- laſtung gefolgt, und das Recht derſelben iſt wie die folgenden faſt aus- nahmslos nur noch als hiſtoriſche Thatſache zu betrachten. Wir glauben daher unſerm Zwecke zu genügen, wenn wir kurz die betreffende Geſetz- gebung hier angeben.
Was zunächſt Oeſterreich betrifft, ſo hatte allerdings ſchon das Patent vom 7. September 1848 auch die Ablöſungen in Ausſicht ge- ſtellt, und das Weiderecht (Blumenſuchrecht der Obrigkeit = Grund- herren) ſo wie die gegenſeitige Brachweide ohne Entſchädigung auf- gehoben. Allein die vollſtändige und eigentliche Ablöſung begann erſt mit dem Patent vom 5. Juli 1853, dem die Ausführungsverord- nung vom 3. September 1855 und 31. Oktober 1857 folgten, durch welche eigene — noch jetzt thätige — Commiſſionen zur Ablöſung, zum Theil aber auch, namentlich bei Forſtdienſtbarkeiten, zur ſtrengen Re- gulirung eingeführt wurden. Die Ablöſung zeigt hier vielleicht am deutlichſten in ganz Deutſchland ihren ſpecifiſchen, von der Entlaſtung verſchiedenen Charakter, indem trotz der entſchiedenen Durchführung der letzteren für die erſtere die Regulirung ſtatt der Ablöſung ein- treten kann, wenn höhere Rückſichten der Landeskultur oder genügendes Einverſtändniß der Berechtigten und Verpflichteten der Ablöſung entgegen ſtehen. Dabei iſt das Jagdrecht vollſtändig aufgehoben, und die Ein- führung neuer ähnlicher Rechte nur unter der ausdrücklichen und behörd- lich genehmigten Beſtimmung der künftigen Ablösbarkeit geſtattet worden (Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. 446. 448. Judeich S. 30).
Denſelben Charakter trägt nun, wenn auch in ganz andern Formen, die Ablöſungsgeſetzgebung Preußens. Preußens Recht zeichnet ſich dadurch aus, daß hier jeder der drei Theile der Ablöſung wieder ſeine eigene Geſchichte hat. Die Forſtſervituten nämlich ſind bereits im vorigen Jahrhundert unter den Geſichtspunkt der verwaltungsrechtlichen Forſtpflege oder der ſog. „Forſtpolizei“ gebracht, und ohne Rückſicht auf Grundherrlichkeit und Bauernrecht den adminiſtrativen Beſtimmungen unterworfen, ſo daß hier für die eigentliche Ablöſung, das Verhältniß zwiſchen Grundherrn und Eigenen, nur wenig übrig blieb. Die
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Geſchichte der Ablöſung zugleich eine weſentlich territoriale iſt, ſich
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Verwaltung der Volkswirthſchaft oder, wie ſie gewöhnlich heißt, der
Landeskultur, und daher auch in die unbeſtimmte Gruppe der „Agrar-
verfaſſungen“ aufgenommen wird. Das, was alle dieſe vereinzelten
und zum Theil ſehr verſchiedenen Erſcheinungen der Ablöſung indeß
zuſammenhält und ſie für die Verwaltungslehre als ein Ganzes erſcheinen
läßt, iſt nun die eben bezeichnete Verbindung mit dem Proceß der Ent-
laſtung. Faſt ausnahmslos iſt daher die Ablöſung ſeit 1848 der Ent-
laſtung gefolgt, und das Recht derſelben iſt wie die folgenden faſt aus-
nahmslos nur noch als hiſtoriſche Thatſache zu betrachten. Wir glauben
daher unſerm Zwecke zu genügen, wenn wir kurz die betreffende Geſetz-
gebung hier angeben.
Was zunächſt Oeſterreich betrifft, ſo hatte allerdings ſchon das
Patent vom 7. September 1848 auch die Ablöſungen in Ausſicht ge-
ſtellt, und das Weiderecht (Blumenſuchrecht der Obrigkeit = Grund-
herren) ſo wie die gegenſeitige Brachweide ohne Entſchädigung auf-
gehoben. Allein die vollſtändige und eigentliche Ablöſung begann
erſt mit dem Patent vom 5. Juli 1853, dem die Ausführungsverord-
nung vom 3. September 1855 und 31. Oktober 1857 folgten, durch
welche eigene — noch jetzt thätige — Commiſſionen zur Ablöſung, zum
Theil aber auch, namentlich bei Forſtdienſtbarkeiten, zur ſtrengen Re-
gulirung eingeführt wurden. Die Ablöſung zeigt hier vielleicht am
deutlichſten in ganz Deutſchland ihren ſpecifiſchen, von der Entlaſtung
verſchiedenen Charakter, indem trotz der entſchiedenen Durchführung der
letzteren für die erſtere die Regulirung ſtatt der Ablöſung ein-
treten kann, wenn höhere Rückſichten der Landeskultur oder genügendes
Einverſtändniß der Berechtigten und Verpflichteten der Ablöſung entgegen
ſtehen. Dabei iſt das Jagdrecht vollſtändig aufgehoben, und die Ein-
führung neuer ähnlicher Rechte nur unter der ausdrücklichen und behörd-
lich genehmigten Beſtimmung der künftigen Ablösbarkeit geſtattet worden
(Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. 446. 448. Judeich S. 30).
Denſelben Charakter trägt nun, wenn auch in ganz andern Formen,
die Ablöſungsgeſetzgebung Preußens. Preußens Recht zeichnet ſich
dadurch aus, daß hier jeder der drei Theile der Ablöſung wieder ſeine
eigene Geſchichte hat. Die Forſtſervituten nämlich ſind bereits im
vorigen Jahrhundert unter den Geſichtspunkt der verwaltungsrechtlichen
Forſtpflege oder der ſog. „Forſtpolizei“ gebracht, und ohne Rückſicht
auf Grundherrlichkeit und Bauernrecht den adminiſtrativen Beſtimmungen
unterworfen, ſo daß hier für die eigentliche Ablöſung, das Verhältniß
zwiſchen Grundherrn und Eigenen, nur wenig übrig blieb. Die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/263>, abgerufen am 16.02.2025.
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