Entschädigung als eine Angelegenheit jedes einzelnen Kronlandes be- trachtet, und für Rechnung desselben verwaltet wird. Das Kronland zahlt die Entschädigungssumme durch die Grundentlastungsobligationen aus, nimmt die Jahreszahlungen der Verpflichteten entgegen und verzinst jene Obligationen; die letzteren werden dann planmäßig eingelöst. Damit war die Hauptsache erledigt; nur der Lehnsverband war ge- blieben, und dieser ward durch Gesetz vom 17. December 1862 gleich- falls gegen Entschädigung abgelöst. Ueber die eigentlichen Ablösungen s. unten. So hat Oesterreich die gesellschaftliche Frage entschieden; es ist der wichtigste Akt seiner Geschichte seit einem halben Jahrhundert, und der Anfang einer besseren Zeit in allen Gebieten seines Staats- lebens. (Ueber das Einzelne vergleiche Judeich, S. 9--34; Sugen- heim, S. 488; Stubenrauch, Verwaltungsgesetzkunde II. 445.)
In einem etwas andern Lichte stellt sich Preußen dar. Es ist fast, als ob mit der großen Bewegung im Anfange unseres Jahr- hunderts das, was wir die sociale Kraft dieses Staates nennen, er- schöpft worden sei, und als habe die Regierung, die den Muth hatte, mit Napoleon den Kampf auf Leben und Tod zu eröffnen, nicht den gehabt, ihr eignes Volk ganz frei zu machen. Allerdings gab sie dem gewaltigen Drucke des Volkes nach, und mit dem Gesetz vom 10. No- vember 1849 beginnt die neue gegenwärtige Epoche des Entlastungs- wesens, die sich in vielen Punkten an die Vorgänge seit 1811 an- schließen konnte, und die durch das entscheidende Gesetz vom 2. März 1850 ihre definitive Gestalt gewinnt. Dieß Gesetz ist die Ausführung der Artikel 40 und 41 der Verfassung vom 31. Januar 1850; seinen wesent- lichen Bestimmungen nach hebt es ohne Entschädigung alle aus der alten Erbunterthänigkeit hervorgehenden Lasten auf; dagegen werden auch hier für die mit der Abhängigkeit des Grundes und Bodens ver- bundenen Lasten Entschädigungen gewährt, Rentenbanken errichtet und ein amtliches Verfahren hergestellt. Ebenso ward die Patrimonial- gerichtsbarkeit definitiv aufgehoben durch Verordnung vom 2. Januar 1849 (s. Rönne, Staatsrecht I. §. 53), sowie das Obereigenthum des Staats und das Lehnswesen durch die betreffenden Artikel der Ver- fassung von 1850. Allein schon 1851 traten Bedenken ein. Das Gesetz vom 5. Juni 1851 hob nämlich die betreffenden Artikel 40--42 der Verfassung auf, ohne jedoch über alle in diesen Artikeln berührten Verhältnisse neue Bestimmungen zu geben. Das Gesetz vom 2. Juni 1852 schrieb dann allerdings vor, daß keine neuen Lehen errichtet werden sollen, und daß über Ablösung der bestehenden ein Gesetz er- lassen werden solle. Daraus entstand dann die große Unsicherheit, die diesen Theil des öffentlichen Rechts in Preußen charakterisirt (s. Rönne,
Entſchädigung als eine Angelegenheit jedes einzelnen Kronlandes be- trachtet, und für Rechnung deſſelben verwaltet wird. Das Kronland zahlt die Entſchädigungsſumme durch die Grundentlaſtungsobligationen aus, nimmt die Jahreszahlungen der Verpflichteten entgegen und verzinst jene Obligationen; die letzteren werden dann planmäßig eingelöst. Damit war die Hauptſache erledigt; nur der Lehnsverband war ge- blieben, und dieſer ward durch Geſetz vom 17. December 1862 gleich- falls gegen Entſchädigung abgelöst. Ueber die eigentlichen Ablöſungen ſ. unten. So hat Oeſterreich die geſellſchaftliche Frage entſchieden; es iſt der wichtigſte Akt ſeiner Geſchichte ſeit einem halben Jahrhundert, und der Anfang einer beſſeren Zeit in allen Gebieten ſeines Staats- lebens. (Ueber das Einzelne vergleiche Judeich, S. 9—34; Sugen- heim, S. 488; Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. 445.)
In einem etwas andern Lichte ſtellt ſich Preußen dar. Es iſt faſt, als ob mit der großen Bewegung im Anfange unſeres Jahr- hunderts das, was wir die ſociale Kraft dieſes Staates nennen, er- ſchöpft worden ſei, und als habe die Regierung, die den Muth hatte, mit Napoleon den Kampf auf Leben und Tod zu eröffnen, nicht den gehabt, ihr eignes Volk ganz frei zu machen. Allerdings gab ſie dem gewaltigen Drucke des Volkes nach, und mit dem Geſetz vom 10. No- vember 1849 beginnt die neue gegenwärtige Epoche des Entlaſtungs- weſens, die ſich in vielen Punkten an die Vorgänge ſeit 1811 an- ſchließen konnte, und die durch das entſcheidende Geſetz vom 2. März 1850 ihre definitive Geſtalt gewinnt. Dieß Geſetz iſt die Ausführung der Artikel 40 und 41 der Verfaſſung vom 31. Januar 1850; ſeinen weſent- lichen Beſtimmungen nach hebt es ohne Entſchädigung alle aus der alten Erbunterthänigkeit hervorgehenden Laſten auf; dagegen werden auch hier für die mit der Abhängigkeit des Grundes und Bodens ver- bundenen Laſten Entſchädigungen gewährt, Rentenbanken errichtet und ein amtliches Verfahren hergeſtellt. Ebenſo ward die Patrimonial- gerichtsbarkeit definitiv aufgehoben durch Verordnung vom 2. Januar 1849 (ſ. Rönne, Staatsrecht I. §. 53), ſowie das Obereigenthum des Staats und das Lehnsweſen durch die betreffenden Artikel der Ver- faſſung von 1850. Allein ſchon 1851 traten Bedenken ein. Das Geſetz vom 5. Juni 1851 hob nämlich die betreffenden Artikel 40—42 der Verfaſſung auf, ohne jedoch über alle in dieſen Artikeln berührten Verhältniſſe neue Beſtimmungen zu geben. Das Geſetz vom 2. Juni 1852 ſchrieb dann allerdings vor, daß keine neuen Lehen errichtet werden ſollen, und daß über Ablöſung der beſtehenden ein Geſetz er- laſſen werden ſolle. Daraus entſtand dann die große Unſicherheit, die dieſen Theil des öffentlichen Rechts in Preußen charakteriſirt (ſ. Rönne,
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Entſchädigung als eine Angelegenheit jedes einzelnen Kronlandes be-
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die Entſchädigungsſumme durch die Grundentlaſtungsobligationen aus,
nimmt die Jahreszahlungen der Verpflichteten entgegen und verzinst
jene Obligationen; die letzteren werden dann planmäßig eingelöst.
Damit war die Hauptſache erledigt; nur der Lehnsverband war ge-
blieben, und dieſer ward durch Geſetz vom 17. December 1862 gleich-
falls gegen Entſchädigung abgelöst. Ueber die eigentlichen Ablöſungen
ſ. unten. So hat Oeſterreich die geſellſchaftliche Frage entſchieden; es
iſt der wichtigſte Akt ſeiner Geſchichte ſeit einem halben Jahrhundert,
und der Anfang einer beſſeren Zeit in allen Gebieten ſeines Staats-
lebens. (Ueber das Einzelne vergleiche Judeich, S. 9—34; Sugen-
heim, S. 488; Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. 445.)
In einem etwas andern Lichte ſtellt ſich Preußen dar. Es iſt
faſt, als ob mit der großen Bewegung im Anfange unſeres Jahr-
hunderts das, was wir die ſociale Kraft dieſes Staates nennen, er-
ſchöpft worden ſei, und als habe die Regierung, die den Muth hatte,
mit Napoleon den Kampf auf Leben und Tod zu eröffnen, nicht den
gehabt, ihr eignes Volk ganz frei zu machen. Allerdings gab ſie dem
gewaltigen Drucke des Volkes nach, und mit dem Geſetz vom 10. No-
vember 1849 beginnt die neue gegenwärtige Epoche des Entlaſtungs-
weſens, die ſich in vielen Punkten an die Vorgänge ſeit 1811 an-
ſchließen konnte, und die durch das entſcheidende Geſetz vom 2. März
1850 ihre definitive Geſtalt gewinnt. Dieß Geſetz iſt die Ausführung der
Artikel 40 und 41 der Verfaſſung vom 31. Januar 1850; ſeinen weſent-
lichen Beſtimmungen nach hebt es ohne Entſchädigung alle aus der
alten Erbunterthänigkeit hervorgehenden Laſten auf; dagegen werden
auch hier für die mit der Abhängigkeit des Grundes und Bodens ver-
bundenen Laſten Entſchädigungen gewährt, Rentenbanken errichtet und
ein amtliches Verfahren hergeſtellt. Ebenſo ward die Patrimonial-
gerichtsbarkeit definitiv aufgehoben durch Verordnung vom 2. Januar
1849 (ſ. Rönne, Staatsrecht I. §. 53), ſowie das Obereigenthum
des Staats und das Lehnsweſen durch die betreffenden Artikel der Ver-
faſſung von 1850. Allein ſchon 1851 traten Bedenken ein. Das Geſetz
vom 5. Juni 1851 hob nämlich die betreffenden Artikel 40—42 der
Verfaſſung auf, ohne jedoch über alle in dieſen Artikeln berührten
Verhältniſſe neue Beſtimmungen zu geben. Das Geſetz vom 2. Juni
1852 ſchrieb dann allerdings vor, daß keine neuen Lehen errichtet
werden ſollen, und daß über Ablöſung der beſtehenden ein Geſetz er-
laſſen werden ſolle. Daraus entſtand dann die große Unſicherheit, die
dieſen Theil des öffentlichen Rechts in Preußen charakteriſirt (ſ. Rönne,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/247>, abgerufen am 25.11.2024.
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