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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Adelsherrschaft gestanden, den Typus des alten, stolzen, freien Bauern
darboten. Was endlich die Mitte Deutschlands betrifft, namentlich die
sächsischen Herzogthümer aller Art, so standen sie im Großen
und Ganzen auf dem Standpunkt des Königreichs. Bis 1830 werden
zwar alle Lasten ablösbar erklärt (Sachsen-Weimar-Eisenach, Gesetz
vom 2. März und 11. Mai 1821; Sachsen-Coburg-Gotha, Verfassung
von 1821 §. 17); allein erst die Zeit nach 1830 griff tiefer hinein.
Zwar drang die Regierung in Sachsen-Weimar gegen den Adel nicht
durch (Judeich, S. 132); in Sachsen-Coburg-Gotha dagegen erschien
das dem sächsischen Gesetze nachgebildete Gesetz vom 16. August 1835,
in Sachsen-Meiningen das Gesetz vom 23. März 1846, in Sachsen-
Altenburg erkannte das Grundgesetz vom 29. April 1831 sogar alle
die Freiheit der Person oder des Eigenthums beschränkenden Zwangs-
verhältnisse ablösbar; wie weit das wirklich Effekt hatte, können wir
nicht sagen (Judeich, S. 132 ff.). Am weitesten gedieh die Entwick-
lung in Braunschweig, wo sich bekanntlich die französische Revolution
im Kleinen wiederholte, wie in Württemberg der Kampf und die Ent-
wicklung des organischen Königthums. Hier wurden durch die neue Land-
schaftsordnung vom 12. Oktober 1832 alle Reallasten für ablösbar
(§. 36), und alle Lehen für aufgehoben erklärt (§. 37); unter jenen der
Rottzehent sogar ohne Entschädigung. Die genaueren Bestimmungen
enthält die Ablösungsordnung vom 20. December 1834, mit Ergänzung
vom 29. Juli 1837 und 14. Mai 1840. Indessen gelang es der herr-
schenden Klasse dennoch, einige Reallasten darunter für nicht ablösbar
zu erklären, namentlich gewisse Bannrechte. Auch das Jagdrecht blieb;
dagegen führte man nach dem Vorbild Hannovers das Landeskredit-
institut zugleich mit der Ablösungsordnung vom 20. December 1834
ein und bildete dasselbe weiter aus (Gesetz vom 13. November 1837
und 7. März 1842. Judeich, S. 175--179). Ueber die kleineren
Bundesstaaten, in denen dieselben Grundverhältnisse herrschen, vergl.
Judeich, S. 183--223.

Faßt man nun das bisher Dargestellte in seinem Verhältniß
zu den elementaren Grundkräften der Geschichte des 19. Jahrhunderts
zusammen, so ist bei aller oft unübersehbaren Verwirrung im Einzelnen
das Gesammtergebniß klar. Die Idee des Staatsbürgerthums ist nicht
mehr eine vage Abstraktion der Freiheit, sondern sie hat sich mit be-
stimmten Forderungen erfüllt. Diese nun lassen sich ihrerseits auf zwei
feste Kategorien zurückführen. Einerseits will dieß Staatsbürgerthum
seinen organischen Antheil an der Bildung der Gesetze, es will eine
Verfassung; andererseits will es den Einzelnen von seiner Abhängigkeit
von dem andern Einzelnen befreien, es will die Entlastung. Das erste

Adelsherrſchaft geſtanden, den Typus des alten, ſtolzen, freien Bauern
darboten. Was endlich die Mitte Deutſchlands betrifft, namentlich die
ſächſiſchen Herzogthümer aller Art, ſo ſtanden ſie im Großen
und Ganzen auf dem Standpunkt des Königreichs. Bis 1830 werden
zwar alle Laſten ablösbar erklärt (Sachſen-Weimar-Eiſenach, Geſetz
vom 2. März und 11. Mai 1821; Sachſen-Coburg-Gotha, Verfaſſung
von 1821 §. 17); allein erſt die Zeit nach 1830 griff tiefer hinein.
Zwar drang die Regierung in Sachſen-Weimar gegen den Adel nicht
durch (Judeich, S. 132); in Sachſen-Coburg-Gotha dagegen erſchien
das dem ſächſiſchen Geſetze nachgebildete Geſetz vom 16. Auguſt 1835,
in Sachſen-Meiningen das Geſetz vom 23. März 1846, in Sachſen-
Altenburg erkannte das Grundgeſetz vom 29. April 1831 ſogar alle
die Freiheit der Perſon oder des Eigenthums beſchränkenden Zwangs-
verhältniſſe ablösbar; wie weit das wirklich Effekt hatte, können wir
nicht ſagen (Judeich, S. 132 ff.). Am weiteſten gedieh die Entwick-
lung in Braunſchweig, wo ſich bekanntlich die franzöſiſche Revolution
im Kleinen wiederholte, wie in Württemberg der Kampf und die Ent-
wicklung des organiſchen Königthums. Hier wurden durch die neue Land-
ſchaftsordnung vom 12. Oktober 1832 alle Reallaſten für ablösbar
(§. 36), und alle Lehen für aufgehoben erklärt (§. 37); unter jenen der
Rottzehent ſogar ohne Entſchädigung. Die genaueren Beſtimmungen
enthält die Ablöſungsordnung vom 20. December 1834, mit Ergänzung
vom 29. Juli 1837 und 14. Mai 1840. Indeſſen gelang es der herr-
ſchenden Klaſſe dennoch, einige Reallaſten darunter für nicht ablösbar
zu erklären, namentlich gewiſſe Bannrechte. Auch das Jagdrecht blieb;
dagegen führte man nach dem Vorbild Hannovers das Landeskredit-
inſtitut zugleich mit der Ablöſungsordnung vom 20. December 1834
ein und bildete daſſelbe weiter aus (Geſetz vom 13. November 1837
und 7. März 1842. Judeich, S. 175—179). Ueber die kleineren
Bundesſtaaten, in denen dieſelben Grundverhältniſſe herrſchen, vergl.
Judeich, S. 183—223.

Faßt man nun das bisher Dargeſtellte in ſeinem Verhältniß
zu den elementaren Grundkräften der Geſchichte des 19. Jahrhunderts
zuſammen, ſo iſt bei aller oft unüberſehbaren Verwirrung im Einzelnen
das Geſammtergebniß klar. Die Idee des Staatsbürgerthums iſt nicht
mehr eine vage Abſtraktion der Freiheit, ſondern ſie hat ſich mit be-
ſtimmten Forderungen erfüllt. Dieſe nun laſſen ſich ihrerſeits auf zwei
feſte Kategorien zurückführen. Einerſeits will dieß Staatsbürgerthum
ſeinen organiſchen Antheil an der Bildung der Geſetze, es will eine
Verfaſſung; andererſeits will es den Einzelnen von ſeiner Abhängigkeit
von dem andern Einzelnen befreien, es will die Entlaſtung. Das erſte

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[214/0232] Adelsherrſchaft geſtanden, den Typus des alten, ſtolzen, freien Bauern darboten. Was endlich die Mitte Deutſchlands betrifft, namentlich die ſächſiſchen Herzogthümer aller Art, ſo ſtanden ſie im Großen und Ganzen auf dem Standpunkt des Königreichs. Bis 1830 werden zwar alle Laſten ablösbar erklärt (Sachſen-Weimar-Eiſenach, Geſetz vom 2. März und 11. Mai 1821; Sachſen-Coburg-Gotha, Verfaſſung von 1821 §. 17); allein erſt die Zeit nach 1830 griff tiefer hinein. Zwar drang die Regierung in Sachſen-Weimar gegen den Adel nicht durch (Judeich, S. 132); in Sachſen-Coburg-Gotha dagegen erſchien das dem ſächſiſchen Geſetze nachgebildete Geſetz vom 16. Auguſt 1835, in Sachſen-Meiningen das Geſetz vom 23. März 1846, in Sachſen- Altenburg erkannte das Grundgeſetz vom 29. April 1831 ſogar alle die Freiheit der Perſon oder des Eigenthums beſchränkenden Zwangs- verhältniſſe ablösbar; wie weit das wirklich Effekt hatte, können wir nicht ſagen (Judeich, S. 132 ff.). Am weiteſten gedieh die Entwick- lung in Braunſchweig, wo ſich bekanntlich die franzöſiſche Revolution im Kleinen wiederholte, wie in Württemberg der Kampf und die Ent- wicklung des organiſchen Königthums. Hier wurden durch die neue Land- ſchaftsordnung vom 12. Oktober 1832 alle Reallaſten für ablösbar (§. 36), und alle Lehen für aufgehoben erklärt (§. 37); unter jenen der Rottzehent ſogar ohne Entſchädigung. Die genaueren Beſtimmungen enthält die Ablöſungsordnung vom 20. December 1834, mit Ergänzung vom 29. Juli 1837 und 14. Mai 1840. Indeſſen gelang es der herr- ſchenden Klaſſe dennoch, einige Reallaſten darunter für nicht ablösbar zu erklären, namentlich gewiſſe Bannrechte. Auch das Jagdrecht blieb; dagegen führte man nach dem Vorbild Hannovers das Landeskredit- inſtitut zugleich mit der Ablöſungsordnung vom 20. December 1834 ein und bildete daſſelbe weiter aus (Geſetz vom 13. November 1837 und 7. März 1842. Judeich, S. 175—179). Ueber die kleineren Bundesſtaaten, in denen dieſelben Grundverhältniſſe herrſchen, vergl. Judeich, S. 183—223. Faßt man nun das bisher Dargeſtellte in ſeinem Verhältniß zu den elementaren Grundkräften der Geſchichte des 19. Jahrhunderts zuſammen, ſo iſt bei aller oft unüberſehbaren Verwirrung im Einzelnen das Geſammtergebniß klar. Die Idee des Staatsbürgerthums iſt nicht mehr eine vage Abſtraktion der Freiheit, ſondern ſie hat ſich mit be- ſtimmten Forderungen erfüllt. Dieſe nun laſſen ſich ihrerſeits auf zwei feſte Kategorien zurückführen. Einerſeits will dieß Staatsbürgerthum ſeinen organiſchen Antheil an der Bildung der Geſetze, es will eine Verfaſſung; andererſeits will es den Einzelnen von ſeiner Abhängigkeit von dem andern Einzelnen befreien, es will die Entlaſtung. Das erſte

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/232>, abgerufen am 22.11.2024.