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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Schicksal der folgenden Jahrhunderte sein sollte. Es ist eben deßhalb
von entscheidender Bedeutung, dieselben hier zu charakterisiren.

Die gesammte deutsche oder vielmehr die gesammte germanische
Gerichtsverfassung, in der die Staatsidee der Geschlechterordnung fast
allein für das innere Leben der Völker thätig war, beruht nämlich auf
dem Grundsatz, der selbst wieder nur ein Ausfluß des Wesens der Ge-
schlechterordnung ist, daß nämlich die Vertheilung und das Recht des
Grundbesitzes die Basis für die Ordnung und die Competenz der
Gerichte sei. Denn es ist der Grundbesitz in jeder Geschlechter-
ordnung, der dem Manne seine Stellung gibt. Die Gerichte waren
daher nicht bloß eben so verschieden, wie die Arten und Rechte des
Grundbesitzes selbst, sondern ihre Competenz war durch alle ihre Formen
hindurch gegeben und begränzt durch das bestimmte Recht des Grundes
und Bodens, für welches sie eingesetzt oder historisch entstanden waren.
Daher gibt es namentlich in Deutschland, der eigentlichen Heimath der
Geschlechterordnung, so viele Gerichte, als es Verhältnisse und Rechte
des Grundbesitzes gibt; so sehr, daß in den bei weitem meisten Fällen
der Name des Gerichts schon von vornherein das Recht bezeichnet, für
welches es allein bestimmt ist. Das System der alten Gerichts-
barkeiten ist daher identisch mit dem Systeme des Grund-
rechts der Geschlechterordnung
. Fast immer erkennt man deßhalb
auch auf den ersten Blick an dem Namen der Gerichte seine Stellung
zu diesem Systeme der Grundrechte. Ich finde niemanden, der dieß
Verhältniß auf Grund einer wahrhaft staunenswerthen Gelehrsamkeit
so einfach und bestimmt ausgesprochen hätte, als Fischer in seinem
Cameral- und Polizeirecht, der viel klarer und umsichtiger ist, als der
breite und höchst verworrene Estor (Teutsche Rechtsgelahrtheit II. Thl.
1758. Buch 4. S. 845 ff.). "Das teutsche Eigenthum ist entweder Leib-
herrlich, Gutsherrlich oder Lehenherrlich. Jedes gab eigenen Gerichts-
barkeiten den Ursprung," denn "nach teutschem Rechtssysteme war das
vollständige Eigenthumsrecht eine Quelle der Gerichtsbarkeit" (II. §. 42.
43). Daher gibt es eine leibeigenschaftliche Gerichtsbarkeit, welche "der
Leibherrschaft vermög Eigenthumsrecht über ihre Leibeigenen gebührte"
(§. 44), eine gutsherrliche Gerichtsbarkeit über diejenigen, "die sich
theils auf dem gutsherrlichen Grunde ansäßig gemacht, theils Stücke
davon zum Untereigenthum empfangen haben" (§. 45) und eine lehens-
herrliche Gerichtsbarkeit aus dem Lehensobereigenthum (§. 46). In der
That aber waren das nur die drei Grundformen, in denen die herr-
schende Klasse die Gerichtsbarkeit über die beherrschte besaß; die Erb-
gerichtsbarkeit oder Patrimonialgerichtsbarkeit bedeutet hier keine besondere
Gerichtsbarkeit, sondern nur den Rechtstitel des Besitzes derselben für

Schickſal der folgenden Jahrhunderte ſein ſollte. Es iſt eben deßhalb
von entſcheidender Bedeutung, dieſelben hier zu charakteriſiren.

Die geſammte deutſche oder vielmehr die geſammte germaniſche
Gerichtsverfaſſung, in der die Staatsidee der Geſchlechterordnung faſt
allein für das innere Leben der Völker thätig war, beruht nämlich auf
dem Grundſatz, der ſelbſt wieder nur ein Ausfluß des Weſens der Ge-
ſchlechterordnung iſt, daß nämlich die Vertheilung und das Recht des
Grundbeſitzes die Baſis für die Ordnung und die Competenz der
Gerichte ſei. Denn es iſt der Grundbeſitz in jeder Geſchlechter-
ordnung, der dem Manne ſeine Stellung gibt. Die Gerichte waren
daher nicht bloß eben ſo verſchieden, wie die Arten und Rechte des
Grundbeſitzes ſelbſt, ſondern ihre Competenz war durch alle ihre Formen
hindurch gegeben und begränzt durch das beſtimmte Recht des Grundes
und Bodens, für welches ſie eingeſetzt oder hiſtoriſch entſtanden waren.
Daher gibt es namentlich in Deutſchland, der eigentlichen Heimath der
Geſchlechterordnung, ſo viele Gerichte, als es Verhältniſſe und Rechte
des Grundbeſitzes gibt; ſo ſehr, daß in den bei weitem meiſten Fällen
der Name des Gerichts ſchon von vornherein das Recht bezeichnet, für
welches es allein beſtimmt iſt. Das Syſtem der alten Gerichts-
barkeiten iſt daher identiſch mit dem Syſteme des Grund-
rechts der Geſchlechterordnung
. Faſt immer erkennt man deßhalb
auch auf den erſten Blick an dem Namen der Gerichte ſeine Stellung
zu dieſem Syſteme der Grundrechte. Ich finde niemanden, der dieß
Verhältniß auf Grund einer wahrhaft ſtaunenswerthen Gelehrſamkeit
ſo einfach und beſtimmt ausgeſprochen hätte, als Fiſcher in ſeinem
Cameral- und Polizeirecht, der viel klarer und umſichtiger iſt, als der
breite und höchſt verworrene Eſtor (Teutſche Rechtsgelahrtheit II. Thl.
1758. Buch 4. S. 845 ff.). „Das teutſche Eigenthum iſt entweder Leib-
herrlich, Gutsherrlich oder Lehenherrlich. Jedes gab eigenen Gerichts-
barkeiten den Urſprung,“ denn „nach teutſchem Rechtsſyſteme war das
vollſtändige Eigenthumsrecht eine Quelle der Gerichtsbarkeit“ (II. §. 42.
43). Daher gibt es eine leibeigenſchaftliche Gerichtsbarkeit, welche „der
Leibherrſchaft vermög Eigenthumsrecht über ihre Leibeigenen gebührte“
(§. 44), eine gutsherrliche Gerichtsbarkeit über diejenigen, „die ſich
theils auf dem gutsherrlichen Grunde anſäßig gemacht, theils Stücke
davon zum Untereigenthum empfangen haben“ (§. 45) und eine lehens-
herrliche Gerichtsbarkeit aus dem Lehensobereigenthum (§. 46). In der
That aber waren das nur die drei Grundformen, in denen die herr-
ſchende Klaſſe die Gerichtsbarkeit über die beherrſchte beſaß; die Erb-
gerichtsbarkeit oder Patrimonialgerichtsbarkeit bedeutet hier keine beſondere
Gerichtsbarkeit, ſondern nur den Rechtstitel des Beſitzes derſelben für

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[194/0212] Schickſal der folgenden Jahrhunderte ſein ſollte. Es iſt eben deßhalb von entſcheidender Bedeutung, dieſelben hier zu charakteriſiren. Die geſammte deutſche oder vielmehr die geſammte germaniſche Gerichtsverfaſſung, in der die Staatsidee der Geſchlechterordnung faſt allein für das innere Leben der Völker thätig war, beruht nämlich auf dem Grundſatz, der ſelbſt wieder nur ein Ausfluß des Weſens der Ge- ſchlechterordnung iſt, daß nämlich die Vertheilung und das Recht des Grundbeſitzes die Baſis für die Ordnung und die Competenz der Gerichte ſei. Denn es iſt der Grundbeſitz in jeder Geſchlechter- ordnung, der dem Manne ſeine Stellung gibt. Die Gerichte waren daher nicht bloß eben ſo verſchieden, wie die Arten und Rechte des Grundbeſitzes ſelbſt, ſondern ihre Competenz war durch alle ihre Formen hindurch gegeben und begränzt durch das beſtimmte Recht des Grundes und Bodens, für welches ſie eingeſetzt oder hiſtoriſch entſtanden waren. Daher gibt es namentlich in Deutſchland, der eigentlichen Heimath der Geſchlechterordnung, ſo viele Gerichte, als es Verhältniſſe und Rechte des Grundbeſitzes gibt; ſo ſehr, daß in den bei weitem meiſten Fällen der Name des Gerichts ſchon von vornherein das Recht bezeichnet, für welches es allein beſtimmt iſt. Das Syſtem der alten Gerichts- barkeiten iſt daher identiſch mit dem Syſteme des Grund- rechts der Geſchlechterordnung. Faſt immer erkennt man deßhalb auch auf den erſten Blick an dem Namen der Gerichte ſeine Stellung zu dieſem Syſteme der Grundrechte. Ich finde niemanden, der dieß Verhältniß auf Grund einer wahrhaft ſtaunenswerthen Gelehrſamkeit ſo einfach und beſtimmt ausgeſprochen hätte, als Fiſcher in ſeinem Cameral- und Polizeirecht, der viel klarer und umſichtiger iſt, als der breite und höchſt verworrene Eſtor (Teutſche Rechtsgelahrtheit II. Thl. 1758. Buch 4. S. 845 ff.). „Das teutſche Eigenthum iſt entweder Leib- herrlich, Gutsherrlich oder Lehenherrlich. Jedes gab eigenen Gerichts- barkeiten den Urſprung,“ denn „nach teutſchem Rechtsſyſteme war das vollſtändige Eigenthumsrecht eine Quelle der Gerichtsbarkeit“ (II. §. 42. 43). Daher gibt es eine leibeigenſchaftliche Gerichtsbarkeit, welche „der Leibherrſchaft vermög Eigenthumsrecht über ihre Leibeigenen gebührte“ (§. 44), eine gutsherrliche Gerichtsbarkeit über diejenigen, „die ſich theils auf dem gutsherrlichen Grunde anſäßig gemacht, theils Stücke davon zum Untereigenthum empfangen haben“ (§. 45) und eine lehens- herrliche Gerichtsbarkeit aus dem Lehensobereigenthum (§. 46). In der That aber waren das nur die drei Grundformen, in denen die herr- ſchende Klaſſe die Gerichtsbarkeit über die beherrſchte beſaß; die Erb- gerichtsbarkeit oder Patrimonialgerichtsbarkeit bedeutet hier keine beſondere Gerichtsbarkeit, ſondern nur den Rechtstitel des Beſitzes derſelben für

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/212>, abgerufen am 24.11.2024.