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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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§. 183. Es ist wohl kein Zweifel, daß ihm dabei das im Principe
noch mehr als in der Durchführung so großartige System der Grund-
steuer von Maria Theresia vor Augen lag, das zuerst in Europa den
Gedanken verwirklichte, auch die Grundstücke der Herren der Grund-
steuer direkt zu unterwerfen. In der That handelte es sich dabei keines-
wegs bloß um eine Erhöhung der Grundsteuer selbst, sondern eben so
sehr um das Princip der rechtlichen Gleichheit des herrlichen und
bäuerlichen Besitzes gegenüber dem Gesetze; und von diesem Gedanken
bis zu dem der Anbahnung einer Grundentlastung vermöge dieser Steuer
war nur Ein Schritt. Diesen Schritt deutet Justi an, und seine Ge-
danken sind eben so sehr die des damaligen großartigen Regierungs-
systems in Oesterreich (das Sugenheim unseres Wissens zuerst und
trefflich durch das richtige Verständniß des österreichischen Grundkatasters
charakterisirt hat (a. a. O. S. 472 u. öfter), als die des bloßen Gelehrten.
Wie hoch steht übrigens hier jener edle, wenn auch etwas pedantische
Charakter über den meisten seiner Zeitgenossen und Nachfolger, die kaum
einmal wagten, auch nur von Ablösungen der Lasten zu reden, und
sich meist nur zur Forderung von gemessenen Frohnden statt der unge-
messenen erheben! Denn auch der sonst so frei geartete Sonnen-
fels
bleibt bei dem Kampf der Regierung gegen zu große Güter stehen
(Handlung §. 85 ff., nicht wie Roscher citirt 103). Von dem Folgen-
den hat eigentlich nur Lotz denselben Muth gehabt wie Justi. Die
Literatur des vorigen Jahrhunderts kam nicht zum Gedanken eines
"Eigenthums der Bauern an ihrem Landgute," sondern beschränkte sich
auf den Kampf gegen die Frohnden, und es ist anzuerkennen, daß man
im Anfang die Frohnden überhaupt, ohne Unterschied, beseitigen
wollte (Gedanken von der Abstellung der Naturaldienste 1777 Wide-
mann
über die natürlichsten Mittel, die Frohndienste aufzuheben 1795);
schon damals die Umwandlung der unbestimmten Gefälle in feste
Renten
(Möser, patriotische Phantasien III. S. 321) und noch da-
mals galt das als "Phantasie"! Während auf der einen Seite das
"Bedenken über die Frage, wie dem Bauernstande Freiheit und Eigen-
thum in den Ländern, wo ihm beides fehlet, verschafft werden könne"
(1769) die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Dienste energisch
vertritt, überkommt andere deutsche Schriftsteller schon die Angst da-
vor, daß nur ja nicht zu vieles und zu plötzliches in dieser Richtung
geschehe, wie Büsch, Geldumlauf III. 97; v. Münchhausens Haus-
vater warnt schon geradezu vor der Geldablösung (1764 T. IV.
§. 296, s. Roscher II. §. 125) und der Herr von Benckendorf hat
den Muth, zu erklären, daß ungemessene Dienste sogar sehr nützlich
für den Bauern seien (1775, Oeconomia forensis); ja die Schrift von

§. 183. Es iſt wohl kein Zweifel, daß ihm dabei das im Principe
noch mehr als in der Durchführung ſo großartige Syſtem der Grund-
ſteuer von Maria Thereſia vor Augen lag, das zuerſt in Europa den
Gedanken verwirklichte, auch die Grundſtücke der Herren der Grund-
ſteuer direkt zu unterwerfen. In der That handelte es ſich dabei keines-
wegs bloß um eine Erhöhung der Grundſteuer ſelbſt, ſondern eben ſo
ſehr um das Princip der rechtlichen Gleichheit des herrlichen und
bäuerlichen Beſitzes gegenüber dem Geſetze; und von dieſem Gedanken
bis zu dem der Anbahnung einer Grundentlaſtung vermöge dieſer Steuer
war nur Ein Schritt. Dieſen Schritt deutet Juſti an, und ſeine Ge-
danken ſind eben ſo ſehr die des damaligen großartigen Regierungs-
ſyſtems in Oeſterreich (das Sugenheim unſeres Wiſſens zuerſt und
trefflich durch das richtige Verſtändniß des öſterreichiſchen Grundkataſters
charakteriſirt hat (a. a. O. S. 472 u. öfter), als die des bloßen Gelehrten.
Wie hoch ſteht übrigens hier jener edle, wenn auch etwas pedantiſche
Charakter über den meiſten ſeiner Zeitgenoſſen und Nachfolger, die kaum
einmal wagten, auch nur von Ablöſungen der Laſten zu reden, und
ſich meiſt nur zur Forderung von gemeſſenen Frohnden ſtatt der unge-
meſſenen erheben! Denn auch der ſonſt ſo frei geartete Sonnen-
fels
bleibt bei dem Kampf der Regierung gegen zu große Güter ſtehen
(Handlung §. 85 ff., nicht wie Roſcher citirt 103). Von dem Folgen-
den hat eigentlich nur Lotz denſelben Muth gehabt wie Juſti. Die
Literatur des vorigen Jahrhunderts kam nicht zum Gedanken eines
„Eigenthums der Bauern an ihrem Landgute,“ ſondern beſchränkte ſich
auf den Kampf gegen die Frohnden, und es iſt anzuerkennen, daß man
im Anfang die Frohnden überhaupt, ohne Unterſchied, beſeitigen
wollte (Gedanken von der Abſtellung der Naturaldienſte 1777 Wide-
mann
über die natürlichſten Mittel, die Frohndienſte aufzuheben 1795);
ſchon damals die Umwandlung der unbeſtimmten Gefälle in feſte
Renten
(Möſer, patriotiſche Phantaſien III. S. 321) und noch da-
mals galt das als „Phantaſie“! Während auf der einen Seite das
„Bedenken über die Frage, wie dem Bauernſtande Freiheit und Eigen-
thum in den Ländern, wo ihm beides fehlet, verſchafft werden könne“
(1769) die Aufhebung der Leibeigenſchaft und der Dienſte energiſch
vertritt, überkommt andere deutſche Schriftſteller ſchon die Angſt da-
vor, daß nur ja nicht zu vieles und zu plötzliches in dieſer Richtung
geſchehe, wie Büſch, Geldumlauf III. 97; v. Münchhauſens Haus-
vater warnt ſchon geradezu vor der Geldablöſung (1764 T. IV.
§. 296, ſ. Roſcher II. §. 125) und der Herr von Benckendorf hat
den Muth, zu erklären, daß ungemeſſene Dienſte ſogar ſehr nützlich
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[181/0199] §. 183. Es iſt wohl kein Zweifel, daß ihm dabei das im Principe noch mehr als in der Durchführung ſo großartige Syſtem der Grund- ſteuer von Maria Thereſia vor Augen lag, das zuerſt in Europa den Gedanken verwirklichte, auch die Grundſtücke der Herren der Grund- ſteuer direkt zu unterwerfen. In der That handelte es ſich dabei keines- wegs bloß um eine Erhöhung der Grundſteuer ſelbſt, ſondern eben ſo ſehr um das Princip der rechtlichen Gleichheit des herrlichen und bäuerlichen Beſitzes gegenüber dem Geſetze; und von dieſem Gedanken bis zu dem der Anbahnung einer Grundentlaſtung vermöge dieſer Steuer war nur Ein Schritt. Dieſen Schritt deutet Juſti an, und ſeine Ge- danken ſind eben ſo ſehr die des damaligen großartigen Regierungs- ſyſtems in Oeſterreich (das Sugenheim unſeres Wiſſens zuerſt und trefflich durch das richtige Verſtändniß des öſterreichiſchen Grundkataſters charakteriſirt hat (a. a. O. S. 472 u. öfter), als die des bloßen Gelehrten. Wie hoch ſteht übrigens hier jener edle, wenn auch etwas pedantiſche Charakter über den meiſten ſeiner Zeitgenoſſen und Nachfolger, die kaum einmal wagten, auch nur von Ablöſungen der Laſten zu reden, und ſich meiſt nur zur Forderung von gemeſſenen Frohnden ſtatt der unge- meſſenen erheben! Denn auch der ſonſt ſo frei geartete Sonnen- fels bleibt bei dem Kampf der Regierung gegen zu große Güter ſtehen (Handlung §. 85 ff., nicht wie Roſcher citirt 103). Von dem Folgen- den hat eigentlich nur Lotz denſelben Muth gehabt wie Juſti. Die Literatur des vorigen Jahrhunderts kam nicht zum Gedanken eines „Eigenthums der Bauern an ihrem Landgute,“ ſondern beſchränkte ſich auf den Kampf gegen die Frohnden, und es iſt anzuerkennen, daß man im Anfang die Frohnden überhaupt, ohne Unterſchied, beſeitigen wollte (Gedanken von der Abſtellung der Naturaldienſte 1777 Wide- mann über die natürlichſten Mittel, die Frohndienſte aufzuheben 1795); ſchon damals die Umwandlung der unbeſtimmten Gefälle in feſte Renten (Möſer, patriotiſche Phantaſien III. S. 321) und noch da- mals galt das als „Phantaſie“! Während auf der einen Seite das „Bedenken über die Frage, wie dem Bauernſtande Freiheit und Eigen- thum in den Ländern, wo ihm beides fehlet, verſchafft werden könne“ (1769) die Aufhebung der Leibeigenſchaft und der Dienſte energiſch vertritt, überkommt andere deutſche Schriftſteller ſchon die Angſt da- vor, daß nur ja nicht zu vieles und zu plötzliches in dieſer Richtung geſchehe, wie Büſch, Geldumlauf III. 97; v. Münchhauſens Haus- vater warnt ſchon geradezu vor der Geldablöſung (1764 T. IV. §. 296, ſ. Roſcher II. §. 125) und der Herr von Benckendorf hat den Muth, zu erklären, daß ungemeſſene Dienſte ſogar ſehr nützlich für den Bauern ſeien (1775, Oeconomia forensis); ja die Schrift von

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/199>, abgerufen am 22.11.2024.