Verwaltungsmaßregeln über diese "res," die öffentlichen Angelegenheiten, zu erlassen. Einen Begriff der Verwaltung aber hatte man nicht; so kam man wieder auf den Begriff des dominium und den der proprietas zurück, um das Recht des Königs dadurch zu definiren. Und da nun einmal festzustehen schien, daß zwar das abstrakte imperium im Wesen des Königthums liege, die Anwendung desselben auf die "res" dagegen ein Eigenthumsrecht voraussetze, während eine proprietas an denselben denn doch nicht zugegeben ward, so erfand man eine neue Art des Eigenthums, eben das dominium eminens, das ist diejenige Art des Eigenthums, welche den Rechtstitel für den Erlaß und die Durchfüh- rung von Verwaltungsmaßregeln in Beziehung auf jene mit dem Grundbesitz verbundenen öffentlichen Angelegenheiten abgeben sollte. Die Literatur über diesen specifischen Begriff des 17. Jahrhunderts ist eine sehr reiche; die bedeutendsten Arbeiten sind J. Fr. Horn, Dissertatio do- minium supereminens 1658 und Hermann Conring, Dissertatio de dominio eminente 1667. Schon Hugo Grotius hatte den Grund zu dieser Scheidung des imperium vom dominium, der Scheidung der Staatsidee vom grundherrlichen Fürstenthum gelegt, indem er das Criterium dafür in die von den höheren Staatsbedürfnissen, der ne- cessitas, geforderte Aufgaben der Staatsgewalt legt, wobei der Fürst selbst schon nur noch als Haupt der Gemeinschaft, der civitas, aufgefaßt wird. So sagt er (lib. III. c. 19): "Jus supereminens dominii in res subditorum, quod civitati competit, et ejus nomine a summam potestatem habente exercitur. Id enim jus adomnes spectat res subditorum." Das ist eigentlich die erste historische Definition des Entwährungsrechts, die uns bekannt ist, und hier ist es, wo sich der innere Zusammenhang desselben mit dem alten dominium eminens deutlich zeigt; die "civitas" ist hier schon unklar der organische Staat, der summam potestatem habens das Staatsoberhaupt und die Re- gierung. Doch denkt Hugo Grotius offenbar zunächst an den Patri- monialstaat. Bei Chr. Wolff wird die Sache bereits in Formeln ge- faßt; er findet hier wie immer eine an sich vollkommen klare Definition, wenn er auch die Ausdrücke willkürlich anders gebraucht. Nach ihm ist ex jure naturali das dominium eminens das jus disponendi de rebus propriis civium salutis publicae causa, die potestas eminens das Recht de ipsis personis civium; das jus eminens begreift beide zugleich, und steht dem "superior" zu; wer das ist, sagt er nicht weiter (vgl. §. 976); allerdings aber sind ihm schon dominium et imperium ganz unzweifelhaft duo jura a se invicem prorsus distincta, quorum unum ab altero prorsus independens est" (Instit. jur. nat. et gent. §. 1065. 1749. 1. Auflage). Die übrigen Schriftsteller bei Pütter, Beitr. III.
Verwaltungsmaßregeln über dieſe „res,“ die öffentlichen Angelegenheiten, zu erlaſſen. Einen Begriff der Verwaltung aber hatte man nicht; ſo kam man wieder auf den Begriff des dominium und den der proprietas zurück, um das Recht des Königs dadurch zu definiren. Und da nun einmal feſtzuſtehen ſchien, daß zwar das abſtrakte imperium im Weſen des Königthums liege, die Anwendung deſſelben auf die „res“ dagegen ein Eigenthumsrecht vorausſetze, während eine proprietas an denſelben denn doch nicht zugegeben ward, ſo erfand man eine neue Art des Eigenthums, eben das dominium eminens, das iſt diejenige Art des Eigenthums, welche den Rechtstitel für den Erlaß und die Durchfüh- rung von Verwaltungsmaßregeln in Beziehung auf jene mit dem Grundbeſitz verbundenen öffentlichen Angelegenheiten abgeben ſollte. Die Literatur über dieſen ſpecifiſchen Begriff des 17. Jahrhunderts iſt eine ſehr reiche; die bedeutendſten Arbeiten ſind J. Fr. Horn, Dissertatio do- minium supereminens 1658 und Hermann Conring, Dissertatio de dominio eminente 1667. Schon Hugo Grotius hatte den Grund zu dieſer Scheidung des imperium vom dominium, der Scheidung der Staatsidee vom grundherrlichen Fürſtenthum gelegt, indem er das Criterium dafür in die von den höheren Staatsbedürfniſſen, der ne- cessitas, geforderte Aufgaben der Staatsgewalt legt, wobei der Fürſt ſelbſt ſchon nur noch als Haupt der Gemeinſchaft, der civitas, aufgefaßt wird. So ſagt er (lib. III. c. 19): „Jus supereminens dominii in res subditorum, quod civitati competit, et ejus nomine a summam potestatem habente exercitur. Id enim jus adomnes spectat res subditorum.“ Das iſt eigentlich die erſte hiſtoriſche Definition des Entwährungsrechts, die uns bekannt iſt, und hier iſt es, wo ſich der innere Zuſammenhang deſſelben mit dem alten dominium eminens deutlich zeigt; die „civitas“ iſt hier ſchon unklar der organiſche Staat, der summam potestatem habens das Staatsoberhaupt und die Re- gierung. Doch denkt Hugo Grotius offenbar zunächſt an den Patri- monialſtaat. Bei Chr. Wolff wird die Sache bereits in Formeln ge- faßt; er findet hier wie immer eine an ſich vollkommen klare Definition, wenn er auch die Ausdrücke willkürlich anders gebraucht. Nach ihm iſt ex jure naturali das dominium eminens das jus disponendi de rebus propriis civium salutis publicae causa, die potestas eminens das Recht de ipsis personis civium; das jus eminens begreift beide zugleich, und ſteht dem „superior“ zu; wer das iſt, ſagt er nicht weiter (vgl. §. 976); allerdings aber ſind ihm ſchon dominium et imperium ganz unzweifelhaft duo jura a se invicem prorsus distincta, quorum unum ab altero prorsus independens est“ (Instit. jur. nat. et gent. §. 1065. 1749. 1. Auflage). Die übrigen Schriftſteller bei Pütter, Beitr. III.
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kam man wieder auf den Begriff des dominium und den der proprietas
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einmal feſtzuſtehen ſchien, daß zwar das abſtrakte imperium im Weſen
des Königthums liege, die Anwendung deſſelben auf die „res“ dagegen
ein Eigenthumsrecht vorausſetze, während eine proprietas an denſelben
denn doch nicht zugegeben ward, ſo erfand man eine neue Art des
Eigenthums, eben das dominium eminens, das iſt diejenige Art des
Eigenthums, welche den Rechtstitel für den Erlaß und die Durchfüh-
rung von Verwaltungsmaßregeln in Beziehung auf jene mit dem
Grundbeſitz verbundenen öffentlichen Angelegenheiten abgeben ſollte. Die
Literatur über dieſen ſpecifiſchen Begriff des 17. Jahrhunderts iſt eine ſehr
reiche; die bedeutendſten Arbeiten ſind J. Fr. Horn, Dissertatio do-
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dieſer Scheidung des imperium vom dominium, der Scheidung der
Staatsidee vom grundherrlichen Fürſtenthum gelegt, indem er das
Criterium dafür in die von den höheren Staatsbedürfniſſen, der ne-
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ſelbſt ſchon nur noch als Haupt der Gemeinſchaft, der civitas, aufgefaßt
wird. So ſagt er (lib. III. c. 19): „Jus supereminens dominii in
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der innere Zuſammenhang deſſelben mit dem alten dominium eminens
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Recht de ipsis personis civium; das jus eminens begreift beide zugleich,
und ſteht dem „superior“ zu; wer das iſt, ſagt er nicht weiter (vgl.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/191>, abgerufen am 28.07.2024.
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