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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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hatte. Diese Begriffsverwirrung aber war denn doch nicht bloß zu
groß, sondern auch sowohl der ständischen Selbstverwaltung als sogar
dem Princip des Eigenthums überhaupt zu gefährlich, und es ent-
stand daher ein Proceß, der die Unterscheidung zwischen dominium
und proprietas wieder herstellte. Nun behielt die Sache anfänglich die
große Schwierigkeit, daß man in der lateinischen Literatur den Aus-
druck dominium auch für die fürstliche Herrschaft beibehalten mußte,
der jedoch nach wie vor für die Juristen die proprietas bedeutete (wie
C. 1. §. 1. D. d. Scto. Silan. "domini appellatione continetur qui
habet proprietatem,"
und vielfach). Es war daher zu einer rechten
Klarheit nicht zu gelangen, bis man im 18. Jahrhundert anfing,
deutsche Ausdrücke zu gebrauchen; erst dieses Auftreten deutscher Aus-
drücke entscheidet die zweite Epoche.

Es erklärt sich daher wohl einfach, wenn wir bemerken, daß jener
Proceß der Unterscheidung zwischen dominium und proprietas so lange
unvollständig bleibt, als die betreffende Literatur noch lateinisch ist,
und das ist im Wesentlichen das 17. Jahrhundert; erst im achtzehnten,
wo man anfängt deutsch zu schreiben, greift auch der deutsche Gedanke
durch, und diesen nun bezeichnen die beiden Worte "Landeshoheit" und
"Staatseigenthum." An sie und ihre Bedeutung knüpft sich ein
Stück Literaturgeschichte, das nicht zu vergessen der Mühe werth ist.

Als nämlich im Anfange des 17. Jahrhunderts die junge königliche
Macht in den Hauptländern Europas den Kampf mit dem Lehnswesen
und der Grundherrlichkeit aufnimmt, in Spanien und den Niederlanden
mit Philipp II. und seinen Nachfolgern, in Frankreich mit Richelieu,
in England mit den Stuarts, in Dänemark mit Friedrich III., in
den einzeln entstehenden deutschen Staaten mit den Landesfürsten,
entsteht die theoretische Frage, ob die allerdings anerkannte lehnsherr-
liche "Suzerainetät" des Landesherrn auch demselben das Recht zur
Regierung, die "Souverainetät" gebe. Und in dieser Frage war es,
wo Hugo Grotius mit deutschen Gedanken, aber in lateinischer Sprache
den Ausgangspunkt der neuen Theorie bildet, die das 17. Jahrhundert
beherrschte und jenem Manne vorzugsweise seine Stellung in der Ge-
schichte der Rechtsphilosophie gegeben hat. Es ist die große Bedeutung
des Hugo Grotius, die ganze, bereits im 16. Jahrhundert vorhandene
Auffassung des jus naturae, die in der schon vor Hugo Grotius keines-
wegs unbedeutenden rechtsphilosophischen Literatur aufgestellt war, zu
der concreten Frage über das Eigenthumsrecht des Fürsten am
Staate und dem Umfang desselben
krystallisirt zu haben. Die
vortreffliche und höchst gründliche Arbeit von Kaltenborn "die Vor-
läufer des Hugo Grotius auf dem Gebiete des jus naturae et gentium"

hatte. Dieſe Begriffsverwirrung aber war denn doch nicht bloß zu
groß, ſondern auch ſowohl der ſtändiſchen Selbſtverwaltung als ſogar
dem Princip des Eigenthums überhaupt zu gefährlich, und es ent-
ſtand daher ein Proceß, der die Unterſcheidung zwiſchen dominium
und proprietas wieder herſtellte. Nun behielt die Sache anfänglich die
große Schwierigkeit, daß man in der lateiniſchen Literatur den Aus-
druck dominium auch für die fürſtliche Herrſchaft beibehalten mußte,
der jedoch nach wie vor für die Juriſten die proprietas bedeutete (wie
C. 1. §. 1. D. d. Scto. Silan. „domini appellatione continetur qui
habet proprietatem,“
und vielfach). Es war daher zu einer rechten
Klarheit nicht zu gelangen, bis man im 18. Jahrhundert anfing,
deutſche Ausdrücke zu gebrauchen; erſt dieſes Auftreten deutſcher Aus-
drücke entſcheidet die zweite Epoche.

Es erklärt ſich daher wohl einfach, wenn wir bemerken, daß jener
Proceß der Unterſcheidung zwiſchen dominium und proprietas ſo lange
unvollſtändig bleibt, als die betreffende Literatur noch lateiniſch iſt,
und das iſt im Weſentlichen das 17. Jahrhundert; erſt im achtzehnten,
wo man anfängt deutſch zu ſchreiben, greift auch der deutſche Gedanke
durch, und dieſen nun bezeichnen die beiden Worte „Landeshoheit“ und
„Staatseigenthum.“ An ſie und ihre Bedeutung knüpft ſich ein
Stück Literaturgeſchichte, das nicht zu vergeſſen der Mühe werth iſt.

Als nämlich im Anfange des 17. Jahrhunderts die junge königliche
Macht in den Hauptländern Europas den Kampf mit dem Lehnsweſen
und der Grundherrlichkeit aufnimmt, in Spanien und den Niederlanden
mit Philipp II. und ſeinen Nachfolgern, in Frankreich mit Richelieu,
in England mit den Stuarts, in Dänemark mit Friedrich III., in
den einzeln entſtehenden deutſchen Staaten mit den Landesfürſten,
entſteht die theoretiſche Frage, ob die allerdings anerkannte lehnsherr-
liche „Suzerainetät“ des Landesherrn auch demſelben das Recht zur
Regierung, die „Souverainetät“ gebe. Und in dieſer Frage war es,
wo Hugo Grotius mit deutſchen Gedanken, aber in lateiniſcher Sprache
den Ausgangspunkt der neuen Theorie bildet, die das 17. Jahrhundert
beherrſchte und jenem Manne vorzugsweiſe ſeine Stellung in der Ge-
ſchichte der Rechtsphiloſophie gegeben hat. Es iſt die große Bedeutung
des Hugo Grotius, die ganze, bereits im 16. Jahrhundert vorhandene
Auffaſſung des jus naturae, die in der ſchon vor Hugo Grotius keines-
wegs unbedeutenden rechtsphiloſophiſchen Literatur aufgeſtellt war, zu
der concreten Frage über das Eigenthumsrecht des Fürſten am
Staate und dem Umfang deſſelben
kryſtalliſirt zu haben. Die
vortreffliche und höchſt gründliche Arbeit von Kaltenborn „die Vor-
läufer des Hugo Grotius auf dem Gebiete des jus naturae et gentium“

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[170/0188] hatte. Dieſe Begriffsverwirrung aber war denn doch nicht bloß zu groß, ſondern auch ſowohl der ſtändiſchen Selbſtverwaltung als ſogar dem Princip des Eigenthums überhaupt zu gefährlich, und es ent- ſtand daher ein Proceß, der die Unterſcheidung zwiſchen dominium und proprietas wieder herſtellte. Nun behielt die Sache anfänglich die große Schwierigkeit, daß man in der lateiniſchen Literatur den Aus- druck dominium auch für die fürſtliche Herrſchaft beibehalten mußte, der jedoch nach wie vor für die Juriſten die proprietas bedeutete (wie C. 1. §. 1. D. d. Scto. Silan. „domini appellatione continetur qui habet proprietatem,“ und vielfach). Es war daher zu einer rechten Klarheit nicht zu gelangen, bis man im 18. Jahrhundert anfing, deutſche Ausdrücke zu gebrauchen; erſt dieſes Auftreten deutſcher Aus- drücke entſcheidet die zweite Epoche. Es erklärt ſich daher wohl einfach, wenn wir bemerken, daß jener Proceß der Unterſcheidung zwiſchen dominium und proprietas ſo lange unvollſtändig bleibt, als die betreffende Literatur noch lateiniſch iſt, und das iſt im Weſentlichen das 17. Jahrhundert; erſt im achtzehnten, wo man anfängt deutſch zu ſchreiben, greift auch der deutſche Gedanke durch, und dieſen nun bezeichnen die beiden Worte „Landeshoheit“ und „Staatseigenthum.“ An ſie und ihre Bedeutung knüpft ſich ein Stück Literaturgeſchichte, das nicht zu vergeſſen der Mühe werth iſt. Als nämlich im Anfange des 17. Jahrhunderts die junge königliche Macht in den Hauptländern Europas den Kampf mit dem Lehnsweſen und der Grundherrlichkeit aufnimmt, in Spanien und den Niederlanden mit Philipp II. und ſeinen Nachfolgern, in Frankreich mit Richelieu, in England mit den Stuarts, in Dänemark mit Friedrich III., in den einzeln entſtehenden deutſchen Staaten mit den Landesfürſten, entſteht die theoretiſche Frage, ob die allerdings anerkannte lehnsherr- liche „Suzerainetät“ des Landesherrn auch demſelben das Recht zur Regierung, die „Souverainetät“ gebe. Und in dieſer Frage war es, wo Hugo Grotius mit deutſchen Gedanken, aber in lateiniſcher Sprache den Ausgangspunkt der neuen Theorie bildet, die das 17. Jahrhundert beherrſchte und jenem Manne vorzugsweiſe ſeine Stellung in der Ge- ſchichte der Rechtsphiloſophie gegeben hat. Es iſt die große Bedeutung des Hugo Grotius, die ganze, bereits im 16. Jahrhundert vorhandene Auffaſſung des jus naturae, die in der ſchon vor Hugo Grotius keines- wegs unbedeutenden rechtsphiloſophiſchen Literatur aufgeſtellt war, zu der concreten Frage über das Eigenthumsrecht des Fürſten am Staate und dem Umfang deſſelben kryſtalliſirt zu haben. Die vortreffliche und höchſt gründliche Arbeit von Kaltenborn „die Vor- läufer des Hugo Grotius auf dem Gebiete des jus naturae et gentium“

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/188>, abgerufen am 24.11.2024.