und proprietas sorgfältig vermied, um zu keiner Verwechslung Anlaß zu geben. So sagt Baldus in C. un. vers. et praem. ergo de alleud. in usibus Feud.: "Omnia feuda et praedia censualia et allaudialia a principe procedunt et ad principem redeunt." -- Was das entscheidende "procedunt" juristisch bedeutet, das zu sagen überließ dann das römische Recht dem Lehnsherrn; so viel stand jedoch fest, daß es jetzt zwei Arten des Eigenthums gebe; was dagegen nicht recht fest stand, das waren die Gränzen zwischen beiden, das Maß des Rechts, welches das dominium directum oder feudale, oder das utile -- das doch im Grunde die eigentlich römische proprietas enthielt -- besitzen sollte. Offenbar lag hier ein Verhältniß zum Grunde, das mit privatrechtlichen Begriffen nicht erschöpft werden konnte, obwohl es sich auf privatrechtliche Objekte bezog und im privatrechtlichen Sinne des römischen Rechts behandelt wurde. Und dieß Verhältniß kam nun in der zweiten Epoche zum Ausdruck, aber allerdings nicht zur end- gültigen Entscheidung.
Als nämlich mit dem dreißigjährigen Kriege sich das Territorial- staatsrecht entwickelt, entstehen in Deutschland zwei Klassen von Reichs- ständen. Die eine Klasse besteht aus wirklichen kleinen und größeren Staaten, welche kleinere und größere Herrschaften in sich aufnehmen, und über dieselben eine eigentliche Verwaltung zu entwickeln beginnen. Die zweite Klasse, die kleinen Reichsstände dagegen, sind nichts als souverain gewordene Grundherrlichkeiten. Da aber die Souverainetät beiden angehört, so muß nun auch auf beide der Begriff des domi- nium principis angewendet werden. Offenbar nun aber waren beide Klassen in Beziehung auf den ihnen angehörigen Grund und Boden in sehr verschiedenem Verhältniß. Die erste Klasse hatte über alles, was nicht proprietas fisci oder principis war, kein eigentliches Eigen- thum, sondern nur die staatliche Herrschaft; die zweite Klasse dagegen "solche deutsche Staaten, welche aus der Verbindung einzelner einem Fürsten oder seiner Familie eigenthümlich zugehörender Güter (dominium im Sinne der proprietas) entstanden sind, haben ein wah- res, über Grund und Boden des Landes sich erstreckendes Eigenthum." So noch Runde 1795 (Deutsches Privatrecht §. 101). Da man nun den Ausdruck "dominus" und mithin auch den Ausdruck "domi- nium" auf beide Klassen ursprünglich ganz gleichmäßig anwenden mußte, weil am Ende beide Lehnsherren und souverain waren, so ward jetzt von den absoluten Anhängern der fürstlichen Gewalt der Begriff der proprietas mit dem des dominium überhaupt verschmolzen und der Fürst als dominus quoad proprie- tatem totius terrae angesehen auch da, wo er gar kein Eigenthumsrecht
und proprietas ſorgfältig vermied, um zu keiner Verwechslung Anlaß zu geben. So ſagt Baldus in C. un. vers. et praem. ergo de alleud. in usibus Feud.: „Omnia feuda et praedia censualia et allaudialia a principe procedunt et ad principem redeunt.“ — Was das entſcheidende „procedunt“ juriſtiſch bedeutet, das zu ſagen überließ dann das römiſche Recht dem Lehnsherrn; ſo viel ſtand jedoch feſt, daß es jetzt zwei Arten des Eigenthums gebe; was dagegen nicht recht feſt ſtand, das waren die Gränzen zwiſchen beiden, das Maß des Rechts, welches das dominium directum oder feudale, oder das utile — das doch im Grunde die eigentlich römiſche proprietas enthielt — beſitzen ſollte. Offenbar lag hier ein Verhältniß zum Grunde, das mit privatrechtlichen Begriffen nicht erſchöpft werden konnte, obwohl es ſich auf privatrechtliche Objekte bezog und im privatrechtlichen Sinne des römiſchen Rechts behandelt wurde. Und dieß Verhältniß kam nun in der zweiten Epoche zum Ausdruck, aber allerdings nicht zur end- gültigen Entſcheidung.
Als nämlich mit dem dreißigjährigen Kriege ſich das Territorial- ſtaatsrecht entwickelt, entſtehen in Deutſchland zwei Klaſſen von Reichs- ſtänden. Die eine Klaſſe beſteht aus wirklichen kleinen und größeren Staaten, welche kleinere und größere Herrſchaften in ſich aufnehmen, und über dieſelben eine eigentliche Verwaltung zu entwickeln beginnen. Die zweite Klaſſe, die kleinen Reichsſtände dagegen, ſind nichts als ſouverain gewordene Grundherrlichkeiten. Da aber die Souverainetät beiden angehört, ſo muß nun auch auf beide der Begriff des domi- nium principis angewendet werden. Offenbar nun aber waren beide Klaſſen in Beziehung auf den ihnen angehörigen Grund und Boden in ſehr verſchiedenem Verhältniß. Die erſte Klaſſe hatte über alles, was nicht proprietas fisci oder principis war, kein eigentliches Eigen- thum, ſondern nur die ſtaatliche Herrſchaft; die zweite Klaſſe dagegen „ſolche deutſche Staaten, welche aus der Verbindung einzelner einem Fürſten oder ſeiner Familie eigenthümlich zugehörender Güter (dominium im Sinne der proprietas) entſtanden ſind, haben ein wah- res, über Grund und Boden des Landes ſich erſtreckendes Eigenthum.“ So noch Runde 1795 (Deutſches Privatrecht §. 101). Da man nun den Ausdruck „dominus“ und mithin auch den Ausdruck „domi- nium“ auf beide Klaſſen urſprünglich ganz gleichmäßig anwenden mußte, weil am Ende beide Lehnsherren und ſouverain waren, ſo ward jetzt von den abſoluten Anhängern der fürſtlichen Gewalt der Begriff der proprietas mit dem des dominium überhaupt verſchmolzen und der Fürſt als dominus quoad proprie- tatem totius terrae angeſehen auch da, wo er gar kein Eigenthumsrecht
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allaudialia a principe procedunt et ad principem redeunt.“ —
Was das entſcheidende „procedunt“ juriſtiſch bedeutet, das zu ſagen
überließ dann das römiſche Recht dem Lehnsherrn; ſo viel ſtand jedoch
feſt, daß es jetzt zwei Arten des Eigenthums gebe; was dagegen nicht
recht feſt ſtand, das waren die Gränzen zwiſchen beiden, das Maß des
Rechts, welches das dominium directum oder feudale, oder das utile
— das doch im Grunde die eigentlich römiſche proprietas enthielt —
beſitzen ſollte. Offenbar lag hier ein Verhältniß zum Grunde, das
mit privatrechtlichen Begriffen nicht erſchöpft werden konnte, obwohl es
ſich auf privatrechtliche Objekte bezog und im privatrechtlichen Sinne
des römiſchen Rechts behandelt wurde. Und dieß Verhältniß kam nun
in der zweiten Epoche zum Ausdruck, aber allerdings nicht zur end-
gültigen Entſcheidung.
Als nämlich mit dem dreißigjährigen Kriege ſich das Territorial-
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Die zweite Klaſſe, die kleinen Reichsſtände dagegen, ſind nichts als
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beiden angehört, ſo muß nun auch auf beide der Begriff des domi-
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in ſehr verſchiedenem Verhältniß. Die erſte Klaſſe hatte über alles,
was nicht proprietas fisci oder principis war, kein eigentliches Eigen-
thum, ſondern nur die ſtaatliche Herrſchaft; die zweite Klaſſe dagegen
„ſolche deutſche Staaten, welche aus der Verbindung einzelner einem
Fürſten oder ſeiner Familie eigenthümlich zugehörender Güter
(dominium im Sinne der proprietas) entſtanden ſind, haben ein wah-
res, über Grund und Boden des Landes ſich erſtreckendes Eigenthum.“
So noch Runde 1795 (Deutſches Privatrecht §. 101). Da man
nun den Ausdruck „dominus“ und mithin auch den Ausdruck „domi-
nium“ auf beide Klaſſen urſprünglich ganz gleichmäßig anwenden
mußte, weil am Ende beide Lehnsherren und ſouverain waren, ſo
ward jetzt von den abſoluten Anhängern der fürſtlichen
Gewalt der Begriff der proprietas mit dem des dominium
überhaupt verſchmolzen und der Fürſt als dominus quoad proprie-
tatem totius terrae angeſehen auch da, wo er gar kein Eigenthumsrecht
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/187>, abgerufen am 27.07.2024.
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