Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.ordnung, an der Stelle der Geschlechter und ständischen Ordnung durch Indessen müssen und können wir hier kurz sein. Wir dürfen die Frankreichs innere Zustände beginnen genau mit denselben Ele- Allein dieß Verhältniß bietet nun einen ganz wesentlich verschie- ordnung, an der Stelle der Geſchlechter und ſtändiſchen Ordnung durch Indeſſen müſſen und können wir hier kurz ſein. Wir dürfen die Frankreichs innere Zuſtände beginnen genau mit denſelben Ele- Allein dieß Verhältniß bietet nun einen ganz weſentlich verſchie- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0160" n="142"/> ordnung, an der Stelle der Geſchlechter und ſtändiſchen Ordnung durch<lb/> das neue Recht des freigewordenen Grundbeſitzes liegt. Wie wir daher<lb/> verſucht haben, in der Rechtsgeſchichte Englands den Punkt zu finden,<lb/> wo die Grundentlaſtung entſteht, und den Weg den ſie geht, ſo müſſen<lb/> wir es auch für Frankreich verſuchen.</p><lb/> <p>Indeſſen müſſen und können wir hier kurz ſein. Wir dürfen die<lb/> innere Rechtsgeſchichte Frankreichs als eine bekannte vorausſetzen; thäten<lb/> wir es nicht, wir müßten gegenüber dem, was auf dieſem Gebiete be-<lb/> reits geſchehen iſt, alle Gränzen unſrer Arbeit überſchreiten. Auch wird<lb/> hier eben dadurch die kurze Bezeichnung der Grundlagen genügen können.</p><lb/> <p>Frankreichs innere Zuſtände beginnen genau mit denſelben Ele-<lb/> menten, welche wir als die Grundlagen der Geſchlechterordnung und<lb/> ihrer Unfreiheit bezeichnet haben. Wir finden hier im Anfange des<lb/> Mittelalters eben ſo wie in England und Deutſchland den Herrn, den<lb/><hi rendition="#aq">seigneur,</hi> dann den Mittelfreien, den <hi rendition="#aq">homme,</hi> der perſönlich frei, auf<lb/> unfreiem Grunde ſitzt, den Hörigen, den <hi rendition="#aq">villein,</hi> der perſönlich unfrei,<lb/> auf dem herrſchaftlichen Grunde belaſſen wird, und den perſönlich Un-<lb/> freien ohne allen Grundbeſitz, den <hi rendition="#aq">serf.</hi> Auch hier verſchmelzen die<lb/> beiden mittlern Klaſſen in eine und dieſelbe. Und theils während dieß<lb/> geſchieht, theils nachdem daſſelbe geſchehen iſt, wird die letzte Klaſſe der<lb/><hi rendition="#aq">serfs</hi> in die Stellung der <hi rendition="#aq">villeins</hi> hinaufgehoben, die höchſte Klaſſe<lb/> der Mittelfreien zu derſelben ſo weit als möglich hinabgedrückt, ſo daß<lb/> wir hier wie im ganzen übrigen Europa zuletzt <hi rendition="#g">zwei</hi> große Klaſſen<lb/> ſehen, die der Herren und die der Eigenen, bei denen zwar das Maß<lb/> der Unterthänigkeit, aber nicht das Princip derſelben verſchieden iſt.</p><lb/> <p>Allein dieß Verhältniß bietet nun einen ganz weſentlich verſchie-<lb/> denen Punkt von dem Syſteme des engliſchen Rechts dar. Das Land<lb/> iſt zwar erobert, aber nicht von dem <hi rendition="#g">Könige</hi>. Es iſt daher nicht das<lb/> Eigenthum des Königs oder der Krone, ſondern das Eigenthum des<lb/> Grundherrn ſelbſt. Der König hat am Grund und Boden des letztern<lb/> überhaupt nicht wie in England das Obereigenthum, ſondern nur <hi rendition="#g">ſo<lb/> weit</hi>, als er dieſen Grundbeſitz dem <hi rendition="#aq">seigneur</hi> wirklich zu Lehn aufge-<lb/> tragen hat. Der Grundherr hat daher <hi rendition="#g">zwei</hi> Grundformen des Rechts<lb/> für ſeine Beſitzungen. Dieſelben ſind <hi rendition="#g">entweder</hi> ſein von dem Könige<lb/> gar nicht abhängiges Gut, <hi rendition="#g">oder</hi> ſie ſind verliehenes Gut. Das erſte<lb/> nun nennen wir die <hi rendition="#aq">alleu,</hi> das alte <hi rendition="#aq">allodium,</hi> das zweite den <hi rendition="#aq">fief,</hi> das<lb/> alte <hi rendition="#aq">beneficium.</hi> Zwar ſteht der <hi rendition="#aq">seigneur</hi> für beides unter dem König<lb/> als <hi rendition="#aq">suzerain,</hi> aber für das erſte hat er nur die allgemeine <hi rendition="#aq">fides</hi> zu<lb/> beſchwören; er darf dem Könige nicht feindlich ſein und muß ihm im<lb/> Kriege beiſtehen; aber ein weiteres Recht hat der König nicht. Nur<lb/> für das zweite, den <hi rendition="#aq">fief,</hi> iſt der König Obereigenthümer, und nur für<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0160]
ordnung, an der Stelle der Geſchlechter und ſtändiſchen Ordnung durch
das neue Recht des freigewordenen Grundbeſitzes liegt. Wie wir daher
verſucht haben, in der Rechtsgeſchichte Englands den Punkt zu finden,
wo die Grundentlaſtung entſteht, und den Weg den ſie geht, ſo müſſen
wir es auch für Frankreich verſuchen.
Indeſſen müſſen und können wir hier kurz ſein. Wir dürfen die
innere Rechtsgeſchichte Frankreichs als eine bekannte vorausſetzen; thäten
wir es nicht, wir müßten gegenüber dem, was auf dieſem Gebiete be-
reits geſchehen iſt, alle Gränzen unſrer Arbeit überſchreiten. Auch wird
hier eben dadurch die kurze Bezeichnung der Grundlagen genügen können.
Frankreichs innere Zuſtände beginnen genau mit denſelben Ele-
menten, welche wir als die Grundlagen der Geſchlechterordnung und
ihrer Unfreiheit bezeichnet haben. Wir finden hier im Anfange des
Mittelalters eben ſo wie in England und Deutſchland den Herrn, den
seigneur, dann den Mittelfreien, den homme, der perſönlich frei, auf
unfreiem Grunde ſitzt, den Hörigen, den villein, der perſönlich unfrei,
auf dem herrſchaftlichen Grunde belaſſen wird, und den perſönlich Un-
freien ohne allen Grundbeſitz, den serf. Auch hier verſchmelzen die
beiden mittlern Klaſſen in eine und dieſelbe. Und theils während dieß
geſchieht, theils nachdem daſſelbe geſchehen iſt, wird die letzte Klaſſe der
serfs in die Stellung der villeins hinaufgehoben, die höchſte Klaſſe
der Mittelfreien zu derſelben ſo weit als möglich hinabgedrückt, ſo daß
wir hier wie im ganzen übrigen Europa zuletzt zwei große Klaſſen
ſehen, die der Herren und die der Eigenen, bei denen zwar das Maß
der Unterthänigkeit, aber nicht das Princip derſelben verſchieden iſt.
Allein dieß Verhältniß bietet nun einen ganz weſentlich verſchie-
denen Punkt von dem Syſteme des engliſchen Rechts dar. Das Land
iſt zwar erobert, aber nicht von dem Könige. Es iſt daher nicht das
Eigenthum des Königs oder der Krone, ſondern das Eigenthum des
Grundherrn ſelbſt. Der König hat am Grund und Boden des letztern
überhaupt nicht wie in England das Obereigenthum, ſondern nur ſo
weit, als er dieſen Grundbeſitz dem seigneur wirklich zu Lehn aufge-
tragen hat. Der Grundherr hat daher zwei Grundformen des Rechts
für ſeine Beſitzungen. Dieſelben ſind entweder ſein von dem Könige
gar nicht abhängiges Gut, oder ſie ſind verliehenes Gut. Das erſte
nun nennen wir die alleu, das alte allodium, das zweite den fief, das
alte beneficium. Zwar ſteht der seigneur für beides unter dem König
als suzerain, aber für das erſte hat er nur die allgemeine fides zu
beſchwören; er darf dem Könige nicht feindlich ſein und muß ihm im
Kriege beiſtehen; aber ein weiteres Recht hat der König nicht. Nur
für das zweite, den fief, iſt der König Obereigenthümer, und nur für
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