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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Dagegen ist der wesentliche Unterschied zwischen den Zehnten und
den Leistungen des copyhold, den ständischen und den Geschlechterlasten,
wieder in der Art der Entschädigung aufrecht erhalten. Und so hat
England zwei Entlastungs- (oder Ablösungs-) Systeme neben einander.

a) die Zehntablösung, jetzt wohl ganz beendigt, hat anfangs
nicht zur Aufgabe gehabt, die Zehnten überhaupt zu beseitigen, da sie
eben den Charakter einer Gemeindeabgabe für kirchliche Zwecke hatte,
sondern nur die Naturalzehnten definitiv in feste Geldabgaben
zu verwandeln. Die Ablösung selbst ging eben deßhalb auch nicht indi-
viduell vor sich, sondern kirchspielsweise, und konnte daher freiwillig
durch die Majorität der Zehntpflichtigen, wie jede andere rate beschlossen
werden; nur wenn diese Majorität nicht zu Stande kam, trat die
Zwangsablösung ein, die dann ursprünglich als eine feste Kirchenab-
gabe auf den Grundstücken ruhte, bis auch dafür eine definitive Ab-
lösung theils in Land (bis 20 Acres), theils in kleinen Beträgen durch
Geld eingeführt ward (9. 10. Vict. 73). Ebenso ward die Ablösung
der Oster-Ablationen, Mortuarien, Stolgebühren, Fisch- und Mineral-
zehnten, also die ganze Summe der ständischen Grundlasten in dieß
Ablösungsverfahren durch 2. 3. Vict. 62 einbezogen. Für dieß Ver-
fahren ward eine eigene Grundentlastungscommission eingesetzt, die
Tithes Commission, die aus drei vom Ministerium des Innern und
aus zwei vom Erzbischof von Canterbury bestellten Räthen gebildet ist.
Die Geschäfte dieser Commission sind ziemlich abgeschlossen (Gneist I.
§. 117).

b) die Entlastung, oder die Ablösung derjenigen Lasten, welche
noch auf den copyholds ruhten, wurde dieser Commission gleichfalls
aufgetragen. Auch hier wie bei den Zehnten begann man mit der frei-
willigen Ablösung (s. oben 4. 5. Vict. 35); erst als die Ablösung zum
Rechte der Betheiligten gemacht ward, ward sie allgemein. Für diese
nun ist im Gegensatze zu dem Zehnten der Grundsatz anerkannt, daß
die Leistung für die Ablösung nicht in Geld, sondern in Land geschehen
muß; nur die kleinen Antheile bis 41/2 Pfd. Sterl. sind in Geld ab-
lösbar (nach 8. 9. Vict. 56). Die Commission bestätigt nach vorgängiger
Prüfung und Verhandlung die Ablösungsrecesse durch einen Special-
Commissarius (Gneist a. a. O., Sugenheim S. 318. 319). Ueber
die eigentlichen Ablösungen und Auftheilungen s. unten.

Dieß nun sind die Epochen und die rechtlichen Grundsätze für die
Gestalt, welche der Befreiungsproceß aus der Geschlechterherrschaft in
England durchgemacht hat, und dessen letzter Abschluß auch hier durch
die Auftheilungen gebildet wird. Zwei Dinge, glauben wir, ergeben
sich aus der obigen Darstellung. Zuerst das, daß in England genau

Dagegen iſt der weſentliche Unterſchied zwiſchen den Zehnten und
den Leiſtungen des copyhold, den ſtändiſchen und den Geſchlechterlaſten,
wieder in der Art der Entſchädigung aufrecht erhalten. Und ſo hat
England zwei Entlaſtungs- (oder Ablöſungs-) Syſteme neben einander.

a) die Zehntablöſung, jetzt wohl ganz beendigt, hat anfangs
nicht zur Aufgabe gehabt, die Zehnten überhaupt zu beſeitigen, da ſie
eben den Charakter einer Gemeindeabgabe für kirchliche Zwecke hatte,
ſondern nur die Naturalzehnten definitiv in feſte Geldabgaben
zu verwandeln. Die Ablöſung ſelbſt ging eben deßhalb auch nicht indi-
viduell vor ſich, ſondern kirchſpielsweiſe, und konnte daher freiwillig
durch die Majorität der Zehntpflichtigen, wie jede andere rate beſchloſſen
werden; nur wenn dieſe Majorität nicht zu Stande kam, trat die
Zwangsablöſung ein, die dann urſprünglich als eine feſte Kirchenab-
gabe auf den Grundſtücken ruhte, bis auch dafür eine definitive Ab-
löſung theils in Land (bis 20 Acres), theils in kleinen Beträgen durch
Geld eingeführt ward (9. 10. Vict. 73). Ebenſo ward die Ablöſung
der Oſter-Ablationen, Mortuarien, Stolgebühren, Fiſch- und Mineral-
zehnten, alſo die ganze Summe der ſtändiſchen Grundlaſten in dieß
Ablöſungsverfahren durch 2. 3. Vict. 62 einbezogen. Für dieß Ver-
fahren ward eine eigene Grundentlaſtungscommiſſion eingeſetzt, die
Tithes Commission, die aus drei vom Miniſterium des Innern und
aus zwei vom Erzbiſchof von Canterbury beſtellten Räthen gebildet iſt.
Die Geſchäfte dieſer Commiſſion ſind ziemlich abgeſchloſſen (Gneiſt I.
§. 117).

b) die Entlaſtung, oder die Ablöſung derjenigen Laſten, welche
noch auf den copyholds ruhten, wurde dieſer Commiſſion gleichfalls
aufgetragen. Auch hier wie bei den Zehnten begann man mit der frei-
willigen Ablöſung (ſ. oben 4. 5. Vict. 35); erſt als die Ablöſung zum
Rechte der Betheiligten gemacht ward, ward ſie allgemein. Für dieſe
nun iſt im Gegenſatze zu dem Zehnten der Grundſatz anerkannt, daß
die Leiſtung für die Ablöſung nicht in Geld, ſondern in Land geſchehen
muß; nur die kleinen Antheile bis 4½ Pfd. Sterl. ſind in Geld ab-
lösbar (nach 8. 9. Vict. 56). Die Commiſſion beſtätigt nach vorgängiger
Prüfung und Verhandlung die Ablöſungsreceſſe durch einen Special-
Commiſſarius (Gneiſt a. a. O., Sugenheim S. 318. 319). Ueber
die eigentlichen Ablöſungen und Auftheilungen ſ. unten.

Dieß nun ſind die Epochen und die rechtlichen Grundſätze für die
Geſtalt, welche der Befreiungsproceß aus der Geſchlechterherrſchaft in
England durchgemacht hat, und deſſen letzter Abſchluß auch hier durch
die Auftheilungen gebildet wird. Zwei Dinge, glauben wir, ergeben
ſich aus der obigen Darſtellung. Zuerſt das, daß in England genau

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[138/0156] Dagegen iſt der weſentliche Unterſchied zwiſchen den Zehnten und den Leiſtungen des copyhold, den ſtändiſchen und den Geſchlechterlaſten, wieder in der Art der Entſchädigung aufrecht erhalten. Und ſo hat England zwei Entlaſtungs- (oder Ablöſungs-) Syſteme neben einander. a) die Zehntablöſung, jetzt wohl ganz beendigt, hat anfangs nicht zur Aufgabe gehabt, die Zehnten überhaupt zu beſeitigen, da ſie eben den Charakter einer Gemeindeabgabe für kirchliche Zwecke hatte, ſondern nur die Naturalzehnten definitiv in feſte Geldabgaben zu verwandeln. Die Ablöſung ſelbſt ging eben deßhalb auch nicht indi- viduell vor ſich, ſondern kirchſpielsweiſe, und konnte daher freiwillig durch die Majorität der Zehntpflichtigen, wie jede andere rate beſchloſſen werden; nur wenn dieſe Majorität nicht zu Stande kam, trat die Zwangsablöſung ein, die dann urſprünglich als eine feſte Kirchenab- gabe auf den Grundſtücken ruhte, bis auch dafür eine definitive Ab- löſung theils in Land (bis 20 Acres), theils in kleinen Beträgen durch Geld eingeführt ward (9. 10. Vict. 73). Ebenſo ward die Ablöſung der Oſter-Ablationen, Mortuarien, Stolgebühren, Fiſch- und Mineral- zehnten, alſo die ganze Summe der ſtändiſchen Grundlaſten in dieß Ablöſungsverfahren durch 2. 3. Vict. 62 einbezogen. Für dieß Ver- fahren ward eine eigene Grundentlaſtungscommiſſion eingeſetzt, die Tithes Commission, die aus drei vom Miniſterium des Innern und aus zwei vom Erzbiſchof von Canterbury beſtellten Räthen gebildet iſt. Die Geſchäfte dieſer Commiſſion ſind ziemlich abgeſchloſſen (Gneiſt I. §. 117). b) die Entlaſtung, oder die Ablöſung derjenigen Laſten, welche noch auf den copyholds ruhten, wurde dieſer Commiſſion gleichfalls aufgetragen. Auch hier wie bei den Zehnten begann man mit der frei- willigen Ablöſung (ſ. oben 4. 5. Vict. 35); erſt als die Ablöſung zum Rechte der Betheiligten gemacht ward, ward ſie allgemein. Für dieſe nun iſt im Gegenſatze zu dem Zehnten der Grundſatz anerkannt, daß die Leiſtung für die Ablöſung nicht in Geld, ſondern in Land geſchehen muß; nur die kleinen Antheile bis 4½ Pfd. Sterl. ſind in Geld ab- lösbar (nach 8. 9. Vict. 56). Die Commiſſion beſtätigt nach vorgängiger Prüfung und Verhandlung die Ablöſungsreceſſe durch einen Special- Commiſſarius (Gneiſt a. a. O., Sugenheim S. 318. 319). Ueber die eigentlichen Ablöſungen und Auftheilungen ſ. unten. Dieß nun ſind die Epochen und die rechtlichen Grundſätze für die Geſtalt, welche der Befreiungsproceß aus der Geſchlechterherrſchaft in England durchgemacht hat, und deſſen letzter Abſchluß auch hier durch die Auftheilungen gebildet wird. Zwei Dinge, glauben wir, ergeben ſich aus der obigen Darſtellung. Zuerſt das, daß in England genau

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/156>, abgerufen am 23.11.2024.