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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Es ist nicht thunlich, die einzelnen Gruppen dieser Leistungen hier
weiter auszuführen. Das Bild des Ganzen zeigt uns jedoch schon hier
zwei Grundformen des Grundbesitzes, den wirthschaftlich herrschenden der
Herren, und den wirthschaftlich dienenden der alten Geschlechter. Schon
hier ist daher der Besitz und seine wirthschaftliche Organisation die
Basis der gesellschaftlichen Herrschaft der Herren über Bauern und
Eigenleute. Die alte zweite Kategorie der herrschenden Klasse, der
freie Bauer, ist verschwunden; es gibt nur noch Unterschiede innerhalb
der untern Klasse: die alte Geschlechterordnung ist gebrochen. Alle
kleineren Unterschiede, Namen und Verhältnisse ordnen sich dieser That-
sache unter. Sie bildet das erste Element der Grundherrlichkeit.

Das zweite große Element derselben hat nun einen wesentlich
andern Charakter. Während das erste der Geschlechterordnung ange-
hört, stammt das zweite aus der ständischen Ordnung. Es tritt zuerst
auf mit der strengen Scheidung des geistlichen Berufs von der übrigen
Gesellschaft, und bildet durch seine wirthschaftliche Basis den geist-
lichen Stand. Der geistliche Stand hat seine Besitzverhältnisse in dop-
pelter Form. Einmal wird er selbst Grundherr durch seinen Grund-
besitz, und steht als Grundherr unter all den eben charakterisirten Ver-
hältnissen. Dann aber fordert er für seine Leistungen eine Abgabe
von allen, die diese Leistung genießen. Diese Abgabe ist der Zehnte.
Der Zehnte ist daher an und für sich keine grundherrliche Abgabe; er
gehört der ständischen Gesellschaft. Er verbindet sich aber, wie die
grundherrlichen Abgaben, gleichfalls mit dem Grundbesitz, und wie
die Funktion der Geistlichkeit eine dauernde, allgemeine und gleichartige
ist, so fordert die letztere auch den Zehnten als ein der Kirche über-
haupt zustehendes Recht. Die Frage, wie weit dies der letzteren ge-
lungen, dürfen wir hier übergehen. Wohl aber müssen wir sein Ver-
hältniß zu den grundherrlichen Lasten hier hervorheben. Der Zehnte
hat für die letzteren die Bedeutung, daß er zum Maßstab wird für
das, was auch die Grundherren zu fordern haben. Die Arbeits-
leistungen oder Frohnden entziehen sich nun zwar dieser Messung durch
den Zehnten; allein die Abgaben der zweiten und zum Theil der
dritten Klasse nehmen vielfach dieß Maß an, mit dem Maße den
Namen, und so beginnen die Abgaben an die Gutsherren allmählig
hauptsächlich als Zehnten aufzutreten. Das hat in der richtigen Be-
urtheilung der letzteren viele Verwirrungen hervorgerufen, da man es
schwer vereinigen konnte, daß dieselben als ursprünglich ständische Ab-
gabe doch wesentlich unter den grundherrlichen erscheinen. Das wahre
Verhältniß ist nun wohl klar. Sie sind, wo sie als grundherrliche
auftreten, niemals neue, sondern nur Bemessung und Formulirung

Es iſt nicht thunlich, die einzelnen Gruppen dieſer Leiſtungen hier
weiter auszuführen. Das Bild des Ganzen zeigt uns jedoch ſchon hier
zwei Grundformen des Grundbeſitzes, den wirthſchaftlich herrſchenden der
Herren, und den wirthſchaftlich dienenden der alten Geſchlechter. Schon
hier iſt daher der Beſitz und ſeine wirthſchaftliche Organiſation die
Baſis der geſellſchaftlichen Herrſchaft der Herren über Bauern und
Eigenleute. Die alte zweite Kategorie der herrſchenden Klaſſe, der
freie Bauer, iſt verſchwunden; es gibt nur noch Unterſchiede innerhalb
der untern Klaſſe: die alte Geſchlechterordnung iſt gebrochen. Alle
kleineren Unterſchiede, Namen und Verhältniſſe ordnen ſich dieſer That-
ſache unter. Sie bildet das erſte Element der Grundherrlichkeit.

Das zweite große Element derſelben hat nun einen weſentlich
andern Charakter. Während das erſte der Geſchlechterordnung ange-
hört, ſtammt das zweite aus der ſtändiſchen Ordnung. Es tritt zuerſt
auf mit der ſtrengen Scheidung des geiſtlichen Berufs von der übrigen
Geſellſchaft, und bildet durch ſeine wirthſchaftliche Baſis den geiſt-
lichen Stand. Der geiſtliche Stand hat ſeine Beſitzverhältniſſe in dop-
pelter Form. Einmal wird er ſelbſt Grundherr durch ſeinen Grund-
beſitz, und ſteht als Grundherr unter all den eben charakteriſirten Ver-
hältniſſen. Dann aber fordert er für ſeine Leiſtungen eine Abgabe
von allen, die dieſe Leiſtung genießen. Dieſe Abgabe iſt der Zehnte.
Der Zehnte iſt daher an und für ſich keine grundherrliche Abgabe; er
gehört der ſtändiſchen Geſellſchaft. Er verbindet ſich aber, wie die
grundherrlichen Abgaben, gleichfalls mit dem Grundbeſitz, und wie
die Funktion der Geiſtlichkeit eine dauernde, allgemeine und gleichartige
iſt, ſo fordert die letztere auch den Zehnten als ein der Kirche über-
haupt zuſtehendes Recht. Die Frage, wie weit dies der letzteren ge-
lungen, dürfen wir hier übergehen. Wohl aber müſſen wir ſein Ver-
hältniß zu den grundherrlichen Laſten hier hervorheben. Der Zehnte
hat für die letzteren die Bedeutung, daß er zum Maßſtab wird für
das, was auch die Grundherren zu fordern haben. Die Arbeits-
leiſtungen oder Frohnden entziehen ſich nun zwar dieſer Meſſung durch
den Zehnten; allein die Abgaben der zweiten und zum Theil der
dritten Klaſſe nehmen vielfach dieß Maß an, mit dem Maße den
Namen, und ſo beginnen die Abgaben an die Gutsherren allmählig
hauptſächlich als Zehnten aufzutreten. Das hat in der richtigen Be-
urtheilung der letzteren viele Verwirrungen hervorgerufen, da man es
ſchwer vereinigen konnte, daß dieſelben als urſprünglich ſtändiſche Ab-
gabe doch weſentlich unter den grundherrlichen erſcheinen. Das wahre
Verhältniß iſt nun wohl klar. Sie ſind, wo ſie als grundherrliche
auftreten, niemals neue, ſondern nur Bemeſſung und Formulirung

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[100/0118] Es iſt nicht thunlich, die einzelnen Gruppen dieſer Leiſtungen hier weiter auszuführen. Das Bild des Ganzen zeigt uns jedoch ſchon hier zwei Grundformen des Grundbeſitzes, den wirthſchaftlich herrſchenden der Herren, und den wirthſchaftlich dienenden der alten Geſchlechter. Schon hier iſt daher der Beſitz und ſeine wirthſchaftliche Organiſation die Baſis der geſellſchaftlichen Herrſchaft der Herren über Bauern und Eigenleute. Die alte zweite Kategorie der herrſchenden Klaſſe, der freie Bauer, iſt verſchwunden; es gibt nur noch Unterſchiede innerhalb der untern Klaſſe: die alte Geſchlechterordnung iſt gebrochen. Alle kleineren Unterſchiede, Namen und Verhältniſſe ordnen ſich dieſer That- ſache unter. Sie bildet das erſte Element der Grundherrlichkeit. Das zweite große Element derſelben hat nun einen weſentlich andern Charakter. Während das erſte der Geſchlechterordnung ange- hört, ſtammt das zweite aus der ſtändiſchen Ordnung. Es tritt zuerſt auf mit der ſtrengen Scheidung des geiſtlichen Berufs von der übrigen Geſellſchaft, und bildet durch ſeine wirthſchaftliche Baſis den geiſt- lichen Stand. Der geiſtliche Stand hat ſeine Beſitzverhältniſſe in dop- pelter Form. Einmal wird er ſelbſt Grundherr durch ſeinen Grund- beſitz, und ſteht als Grundherr unter all den eben charakteriſirten Ver- hältniſſen. Dann aber fordert er für ſeine Leiſtungen eine Abgabe von allen, die dieſe Leiſtung genießen. Dieſe Abgabe iſt der Zehnte. Der Zehnte iſt daher an und für ſich keine grundherrliche Abgabe; er gehört der ſtändiſchen Geſellſchaft. Er verbindet ſich aber, wie die grundherrlichen Abgaben, gleichfalls mit dem Grundbeſitz, und wie die Funktion der Geiſtlichkeit eine dauernde, allgemeine und gleichartige iſt, ſo fordert die letztere auch den Zehnten als ein der Kirche über- haupt zuſtehendes Recht. Die Frage, wie weit dies der letzteren ge- lungen, dürfen wir hier übergehen. Wohl aber müſſen wir ſein Ver- hältniß zu den grundherrlichen Laſten hier hervorheben. Der Zehnte hat für die letzteren die Bedeutung, daß er zum Maßſtab wird für das, was auch die Grundherren zu fordern haben. Die Arbeits- leiſtungen oder Frohnden entziehen ſich nun zwar dieſer Meſſung durch den Zehnten; allein die Abgaben der zweiten und zum Theil der dritten Klaſſe nehmen vielfach dieß Maß an, mit dem Maße den Namen, und ſo beginnen die Abgaben an die Gutsherren allmählig hauptſächlich als Zehnten aufzutreten. Das hat in der richtigen Be- urtheilung der letzteren viele Verwirrungen hervorgerufen, da man es ſchwer vereinigen konnte, daß dieſelben als urſprünglich ſtändiſche Ab- gabe doch weſentlich unter den grundherrlichen erſcheinen. Das wahre Verhältniß iſt nun wohl klar. Sie ſind, wo ſie als grundherrliche auftreten, niemals neue, ſondern nur Bemeſſung und Formulirung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/118>, abgerufen am 22.11.2024.