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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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von Preßrecht und Preßfreiheit that. Das zu sagen oder zu unter-
suchen, war gar nicht ihre Absicht. Sie ist vielmehr von einem
ganz andern Standpunkt ausgegangen. Ihr bedeutet die Preßfreiheit
nicht mehr im Allgemeinen das Recht, seine Gedanken Andern mit-
zutheilen, sondern vielmehr das Recht, vermöge der Presse speciell an
öffentlichen Dingen Theil zu nehmen. Sie ist damals zuerst be-
griffen als das große Organ der öffentlichen Meinung über Staats-
angelegenheiten
; die Idee der Preßfreiheit ist die noch unklare
Vorstellung von dem Rechte des Volkes auf eine Theilnahme am Staate;
das Recht auf Preßfreiheit ist schon damals identisch mit der Idee
des Rechts auf Volksvertretung
. Man sagte das nicht; aber die
Einen wußten es, die Andern fühlten es. Der Kampf für die Preß-
freiheit bedurfte daher einer juristischen Definition nicht; da er weit
über sein nominelles Ziel hinausging, darf er gar nicht als für sich
bestehend betrachtet werden; freilich folgte, daß eben deßhalb auch jeder
Gedanke an eine Beschränkung der Preßfreiheit als ein Zweifel an dem
Recht der künftigen, in den Gemüthern des Volkes liegenden Volks-
vertretung angesehen und von der öffentlichen Meinung verurtheilt
wurde. Das zu dem Range einer geschichtlichen Thatsache erhobene
Sendschreiben von Fr. Gentz an Se. K. Majestät Friedrich Wilhelm III.
"bei Dero Thronbesteigung allerunterthänigst überreicht, Berlin 16. No-
vember 1797" hat in diesem Sinne eine Stellung, welche man nicht
immer richtig auffaßt. Nicht daß Gentz hier die Preßfreiheit überhaupt
vertrat, war das Bedeutende, denn das war schon von vielen geschehen,
sondern die gewaltige Kraft, mit welcher diese Publication in die da-
malige Zeit eingriff, bestand darin, daß er die Preßfreiheit als ein
Recht des Bürgerthums forderte, und daß von da an die, wenn
auch juristisch ganz vage Idee der Presse dadurch zum Feldgeschrei
dieses Bürgerthums gegen die bureaukratisch absolutistische Regierung
einerseits und gegen den Rest der ständischen Vorrechte anderseits
wurde. Nicht bloß, daß Gentz damals Preßfreiheit wollte, sondern
daß er für das Bürgerthum und die öffentliche Meinung, den unformu-
lirten Willen der Staatsbürger, eine Theilnahme, einen entscheidenden
Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten forderte, war es, was die
langdauernde Begeisterung für jenes Sendschreiben erweckte. (Dasselbe
steht u. a. in "Studien zur Orientirung über die Angelegenheiten der
Presse" von R(ühle) v. L(ilienstern) 1820. S. 129 ff.)

"Wenn dem Bürger eines Staates alles, was zum erlaubten
Genuß des Lebens und zur Entwicklung seiner Kräfte gehört, offen
steht; wenn er sein freigewähltes Gewerbe in ungestörter Ruhe be-
treiben kann; wenn ihm eine strenge unparteiische, durch keinen Eingriff der

von Preßrecht und Preßfreiheit that. Das zu ſagen oder zu unter-
ſuchen, war gar nicht ihre Abſicht. Sie iſt vielmehr von einem
ganz andern Standpunkt ausgegangen. Ihr bedeutet die Preßfreiheit
nicht mehr im Allgemeinen das Recht, ſeine Gedanken Andern mit-
zutheilen, ſondern vielmehr das Recht, vermöge der Preſſe ſpeciell an
öffentlichen Dingen Theil zu nehmen. Sie iſt damals zuerſt be-
griffen als das große Organ der öffentlichen Meinung über Staats-
angelegenheiten
; die Idee der Preßfreiheit iſt die noch unklare
Vorſtellung von dem Rechte des Volkes auf eine Theilnahme am Staate;
das Recht auf Preßfreiheit iſt ſchon damals identiſch mit der Idee
des Rechts auf Volksvertretung
. Man ſagte das nicht; aber die
Einen wußten es, die Andern fühlten es. Der Kampf für die Preß-
freiheit bedurfte daher einer juriſtiſchen Definition nicht; da er weit
über ſein nominelles Ziel hinausging, darf er gar nicht als für ſich
beſtehend betrachtet werden; freilich folgte, daß eben deßhalb auch jeder
Gedanke an eine Beſchränkung der Preßfreiheit als ein Zweifel an dem
Recht der künftigen, in den Gemüthern des Volkes liegenden Volks-
vertretung angeſehen und von der öffentlichen Meinung verurtheilt
wurde. Das zu dem Range einer geſchichtlichen Thatſache erhobene
Sendſchreiben von Fr. Gentz an Se. K. Majeſtät Friedrich Wilhelm III.
„bei Dero Thronbeſteigung allerunterthänigſt überreicht, Berlin 16. No-
vember 1797“ hat in dieſem Sinne eine Stellung, welche man nicht
immer richtig auffaßt. Nicht daß Gentz hier die Preßfreiheit überhaupt
vertrat, war das Bedeutende, denn das war ſchon von vielen geſchehen,
ſondern die gewaltige Kraft, mit welcher dieſe Publication in die da-
malige Zeit eingriff, beſtand darin, daß er die Preßfreiheit als ein
Recht des Bürgerthums forderte, und daß von da an die, wenn
auch juriſtiſch ganz vage Idee der Preſſe dadurch zum Feldgeſchrei
dieſes Bürgerthums gegen die bureaukratiſch abſolutiſtiſche Regierung
einerſeits und gegen den Reſt der ſtändiſchen Vorrechte anderſeits
wurde. Nicht bloß, daß Gentz damals Preßfreiheit wollte, ſondern
daß er für das Bürgerthum und die öffentliche Meinung, den unformu-
lirten Willen der Staatsbürger, eine Theilnahme, einen entſcheidenden
Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten forderte, war es, was die
langdauernde Begeiſterung für jenes Sendſchreiben erweckte. (Daſſelbe
ſteht u. a. in „Studien zur Orientirung über die Angelegenheiten der
Preſſe“ von R(ühle) v. L(ilienſtern) 1820. S. 129 ff.)

„Wenn dem Bürger eines Staates alles, was zum erlaubten
Genuß des Lebens und zur Entwicklung ſeiner Kräfte gehört, offen
ſteht; wenn er ſein freigewähltes Gewerbe in ungeſtörter Ruhe be-
treiben kann; wenn ihm eine ſtrenge unparteiiſche, durch keinen Eingriff der

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[82/0098] von Preßrecht und Preßfreiheit that. Das zu ſagen oder zu unter- ſuchen, war gar nicht ihre Abſicht. Sie iſt vielmehr von einem ganz andern Standpunkt ausgegangen. Ihr bedeutet die Preßfreiheit nicht mehr im Allgemeinen das Recht, ſeine Gedanken Andern mit- zutheilen, ſondern vielmehr das Recht, vermöge der Preſſe ſpeciell an öffentlichen Dingen Theil zu nehmen. Sie iſt damals zuerſt be- griffen als das große Organ der öffentlichen Meinung über Staats- angelegenheiten; die Idee der Preßfreiheit iſt die noch unklare Vorſtellung von dem Rechte des Volkes auf eine Theilnahme am Staate; das Recht auf Preßfreiheit iſt ſchon damals identiſch mit der Idee des Rechts auf Volksvertretung. Man ſagte das nicht; aber die Einen wußten es, die Andern fühlten es. Der Kampf für die Preß- freiheit bedurfte daher einer juriſtiſchen Definition nicht; da er weit über ſein nominelles Ziel hinausging, darf er gar nicht als für ſich beſtehend betrachtet werden; freilich folgte, daß eben deßhalb auch jeder Gedanke an eine Beſchränkung der Preßfreiheit als ein Zweifel an dem Recht der künftigen, in den Gemüthern des Volkes liegenden Volks- vertretung angeſehen und von der öffentlichen Meinung verurtheilt wurde. Das zu dem Range einer geſchichtlichen Thatſache erhobene Sendſchreiben von Fr. Gentz an Se. K. Majeſtät Friedrich Wilhelm III. „bei Dero Thronbeſteigung allerunterthänigſt überreicht, Berlin 16. No- vember 1797“ hat in dieſem Sinne eine Stellung, welche man nicht immer richtig auffaßt. Nicht daß Gentz hier die Preßfreiheit überhaupt vertrat, war das Bedeutende, denn das war ſchon von vielen geſchehen, ſondern die gewaltige Kraft, mit welcher dieſe Publication in die da- malige Zeit eingriff, beſtand darin, daß er die Preßfreiheit als ein Recht des Bürgerthums forderte, und daß von da an die, wenn auch juriſtiſch ganz vage Idee der Preſſe dadurch zum Feldgeſchrei dieſes Bürgerthums gegen die bureaukratiſch abſolutiſtiſche Regierung einerſeits und gegen den Reſt der ſtändiſchen Vorrechte anderſeits wurde. Nicht bloß, daß Gentz damals Preßfreiheit wollte, ſondern daß er für das Bürgerthum und die öffentliche Meinung, den unformu- lirten Willen der Staatsbürger, eine Theilnahme, einen entſcheidenden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten forderte, war es, was die langdauernde Begeiſterung für jenes Sendſchreiben erweckte. (Daſſelbe ſteht u. a. in „Studien zur Orientirung über die Angelegenheiten der Preſſe“ von R(ühle) v. L(ilienſtern) 1820. S. 129 ff.) „Wenn dem Bürger eines Staates alles, was zum erlaubten Genuß des Lebens und zur Entwicklung ſeiner Kräfte gehört, offen ſteht; wenn er ſein freigewähltes Gewerbe in ungeſtörter Ruhe be- treiben kann; wenn ihm eine ſtrenge unparteiiſche, durch keinen Eingriff der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/98>, abgerufen am 22.11.2024.