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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Ueberzeugung wird daher abhängig von der Ueberzeugung von jedem
vorhergehenden Satz; aber ohne das Recht auf einen solchen Erwerb
von Ueberzeugungen gibt es überhaupt kein geistiges Leben. Damit
ist die Bezeichnung der innern Gränze gegeben. Der Geist beginnt
da, wo der Leser durch das Druckwerk selbst veranlaßt wird, zu
dem Resultate desselben erst durch Schlußfolgerungen zu ge-
langen
. Ob und wie weit dieß der Fall ist, zeigt jedes Druckwerk
von selber.

Die äußere Gränze nun, oder die Entscheidung in jedem ein-
zelnen
Falle, kann nicht anders gegeben werden, als durch das
Urtheil des Gerichts. Nach welchen Grundsätzen dasselbe dabei zu ver-
fahren hat, und wie es gebildet werden soll, ist aber nicht mehr Sache
der Verwaltung, sondern der Rechtspflege. Hier wieder tritt der Satz
auf, daß das Preßrecht eben nichts anderes ist und sein soll, als eine
specielle Anwendung des Straf- und Polizeirechts und ihrer allgemeinen
Grundsätze. Allerdings aber muß man, um diese Gränze auch im Ein-
zelnen festzuhalten, den weiteren Grundsatz betonen, daß in Gemäßheit
des obigen Princips dem Gerichte überhaupt die Frage nach der Be-
deutung von Schlußfolgerungen aus einem Druckwerke überhaupt
nicht vorgelegt werden soll, sondern nur der einzelne Satz oder Ausdruck.
Die Competenz des Gerichts soll an der Gränze aufhören, wo der
Inhalt solcher einzelner Sätze erst aus Voraussetzungen und Con-
sequenzen gewonnen und in Gemäßheit dieser Schlüsse als ein straf-
barer oder gefährlicher bezeichnet werden muß. So wie dieß feststeht,
ist auch die Gränze für das (regelmäßige) Recht der Beschlagnahme
gesetzt, eben weil dieselbe ja vor Gericht, wie jede andere Verhaftung
vertreten werden muß. Sie kann und soll nie wegen solcher Sätze
stattfinden, welche erst durch Schlußfolgerungen gefährlich erscheinen,
und das Gericht muß daher, ganz abgesehen von dem Inhalt der letz-
teren, ein abweichendes Urtheil fällen, sowie es sich um die Bedeutung
von Consequenzen statt von dem Inhalt einzeln hingestellter Sätze
handelt. Oder, kurz zusammengefaßt, der Geist eines Druck-
werkes bildet keinen Thatbestand für die gerichtliche Ver-
folgung
. Der formelle Grund für diesen wichtigen Satz liegt aber
im Wesen der Sache selbst. Daß der Verfasser eine -- falsche oder
selbst gefährliche -- Ueberzeugung hat, ist natürlich eine Thatsache,
die zwar unzweifelhaft sein, aber nicht gerichtlich verfolgt werden kann;
daß er sie aber seinen Lesern auch wirklich beigebracht hat, ist
wiederum eine Thatsache, die nicht zu beweisen ist. Da nun erst in
dieser allgemeinen Ueberzeugung das Gefährliche bestehen würde, so
fehlt eben das Object des Verfahrens überhaupt. Es ist dabei selbst-

Ueberzeugung wird daher abhängig von der Ueberzeugung von jedem
vorhergehenden Satz; aber ohne das Recht auf einen ſolchen Erwerb
von Ueberzeugungen gibt es überhaupt kein geiſtiges Leben. Damit
iſt die Bezeichnung der innern Gränze gegeben. Der Geiſt beginnt
da, wo der Leſer durch das Druckwerk ſelbſt veranlaßt wird, zu
dem Reſultate deſſelben erſt durch Schlußfolgerungen zu ge-
langen
. Ob und wie weit dieß der Fall iſt, zeigt jedes Druckwerk
von ſelber.

Die äußere Gränze nun, oder die Entſcheidung in jedem ein-
zelnen
Falle, kann nicht anders gegeben werden, als durch das
Urtheil des Gerichts. Nach welchen Grundſätzen daſſelbe dabei zu ver-
fahren hat, und wie es gebildet werden ſoll, iſt aber nicht mehr Sache
der Verwaltung, ſondern der Rechtspflege. Hier wieder tritt der Satz
auf, daß das Preßrecht eben nichts anderes iſt und ſein ſoll, als eine
ſpecielle Anwendung des Straf- und Polizeirechts und ihrer allgemeinen
Grundſätze. Allerdings aber muß man, um dieſe Gränze auch im Ein-
zelnen feſtzuhalten, den weiteren Grundſatz betonen, daß in Gemäßheit
des obigen Princips dem Gerichte überhaupt die Frage nach der Be-
deutung von Schlußfolgerungen aus einem Druckwerke überhaupt
nicht vorgelegt werden ſoll, ſondern nur der einzelne Satz oder Ausdruck.
Die Competenz des Gerichts ſoll an der Gränze aufhören, wo der
Inhalt ſolcher einzelner Sätze erſt aus Vorausſetzungen und Con-
ſequenzen gewonnen und in Gemäßheit dieſer Schlüſſe als ein ſtraf-
barer oder gefährlicher bezeichnet werden muß. So wie dieß feſtſteht,
iſt auch die Gränze für das (regelmäßige) Recht der Beſchlagnahme
geſetzt, eben weil dieſelbe ja vor Gericht, wie jede andere Verhaftung
vertreten werden muß. Sie kann und ſoll nie wegen ſolcher Sätze
ſtattfinden, welche erſt durch Schlußfolgerungen gefährlich erſcheinen,
und das Gericht muß daher, ganz abgeſehen von dem Inhalt der letz-
teren, ein abweichendes Urtheil fällen, ſowie es ſich um die Bedeutung
von Conſequenzen ſtatt von dem Inhalt einzeln hingeſtellter Sätze
handelt. Oder, kurz zuſammengefaßt, der Geiſt eines Druck-
werkes bildet keinen Thatbeſtand für die gerichtliche Ver-
folgung
. Der formelle Grund für dieſen wichtigen Satz liegt aber
im Weſen der Sache ſelbſt. Daß der Verfaſſer eine — falſche oder
ſelbſt gefährliche — Ueberzeugung hat, iſt natürlich eine Thatſache,
die zwar unzweifelhaft ſein, aber nicht gerichtlich verfolgt werden kann;
daß er ſie aber ſeinen Leſern auch wirklich beigebracht hat, iſt
wiederum eine Thatſache, die nicht zu beweiſen iſt. Da nun erſt in
dieſer allgemeinen Ueberzeugung das Gefährliche beſtehen würde, ſo
fehlt eben das Object des Verfahrens überhaupt. Es iſt dabei ſelbſt-

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[76/0092] Ueberzeugung wird daher abhängig von der Ueberzeugung von jedem vorhergehenden Satz; aber ohne das Recht auf einen ſolchen Erwerb von Ueberzeugungen gibt es überhaupt kein geiſtiges Leben. Damit iſt die Bezeichnung der innern Gränze gegeben. Der Geiſt beginnt da, wo der Leſer durch das Druckwerk ſelbſt veranlaßt wird, zu dem Reſultate deſſelben erſt durch Schlußfolgerungen zu ge- langen. Ob und wie weit dieß der Fall iſt, zeigt jedes Druckwerk von ſelber. Die äußere Gränze nun, oder die Entſcheidung in jedem ein- zelnen Falle, kann nicht anders gegeben werden, als durch das Urtheil des Gerichts. Nach welchen Grundſätzen daſſelbe dabei zu ver- fahren hat, und wie es gebildet werden ſoll, iſt aber nicht mehr Sache der Verwaltung, ſondern der Rechtspflege. Hier wieder tritt der Satz auf, daß das Preßrecht eben nichts anderes iſt und ſein ſoll, als eine ſpecielle Anwendung des Straf- und Polizeirechts und ihrer allgemeinen Grundſätze. Allerdings aber muß man, um dieſe Gränze auch im Ein- zelnen feſtzuhalten, den weiteren Grundſatz betonen, daß in Gemäßheit des obigen Princips dem Gerichte überhaupt die Frage nach der Be- deutung von Schlußfolgerungen aus einem Druckwerke überhaupt nicht vorgelegt werden ſoll, ſondern nur der einzelne Satz oder Ausdruck. Die Competenz des Gerichts ſoll an der Gränze aufhören, wo der Inhalt ſolcher einzelner Sätze erſt aus Vorausſetzungen und Con- ſequenzen gewonnen und in Gemäßheit dieſer Schlüſſe als ein ſtraf- barer oder gefährlicher bezeichnet werden muß. So wie dieß feſtſteht, iſt auch die Gränze für das (regelmäßige) Recht der Beſchlagnahme geſetzt, eben weil dieſelbe ja vor Gericht, wie jede andere Verhaftung vertreten werden muß. Sie kann und ſoll nie wegen ſolcher Sätze ſtattfinden, welche erſt durch Schlußfolgerungen gefährlich erſcheinen, und das Gericht muß daher, ganz abgeſehen von dem Inhalt der letz- teren, ein abweichendes Urtheil fällen, ſowie es ſich um die Bedeutung von Conſequenzen ſtatt von dem Inhalt einzeln hingeſtellter Sätze handelt. Oder, kurz zuſammengefaßt, der Geiſt eines Druck- werkes bildet keinen Thatbeſtand für die gerichtliche Ver- folgung. Der formelle Grund für dieſen wichtigen Satz liegt aber im Weſen der Sache ſelbſt. Daß der Verfaſſer eine — falſche oder ſelbſt gefährliche — Ueberzeugung hat, iſt natürlich eine Thatſache, die zwar unzweifelhaft ſein, aber nicht gerichtlich verfolgt werden kann; daß er ſie aber ſeinen Leſern auch wirklich beigebracht hat, iſt wiederum eine Thatſache, die nicht zu beweiſen iſt. Da nun erſt in dieſer allgemeinen Ueberzeugung das Gefährliche beſtehen würde, ſo fehlt eben das Object des Verfahrens überhaupt. Es iſt dabei ſelbſt-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/92>, abgerufen am 23.11.2024.