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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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erkennt. Allerdings aber ist das wahr, daß nirgends so sehr als
gerade bei der Presse die ganze öffentlich rechtliche Stellung der Polizei
zur Erscheinung gelangt. Nur die Unklarheit über das erste Verhält-
niß hat Unklarheit über die letztere zur Grundlage.

Die Gesammtheit aller polizeilichen Thätigkeiten und Berechtigungen,
mit denen die Polizei ein Verbrechen oder eine (andere) öffentliche Ge-
fährdung verhindern soll, haben wir früher bereits als Sicherheits-
polizei
bezeichnet. Das große Princip der Sicherheitspolizei und ihres
Rechts ist einfach. Die Polizei muß das Recht haben, Zustände und
Handlungen nach ihrem Ermessen für gefährlich zu halten, und sie dem-
gemäß mit dem ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern. Für
den darin liegenden Eingriff in die persönliche Freiheit ist sie aber dem
Betroffenen haftbar, wie bei der Verhaftung, und es ist gerecht,
daß darüber das Gericht entscheide, und der Staat die Entschädigung
leiste, wenn kein individuelles Verschulden von Seite des Polizeibeamten
vorliegt. Das Recht der Presse ist eine durchaus einfache Anwendung
dieser Grundsätze auf die zur Verbreitung bestimmte Publikation. Es
kann vernünftigerweise kein Zweifel sein, daß die Polizei das Recht
hat, die Verbreitung zu verhindern, wenn sie den Inhalt der Publi-
kation für ein Verbrechen oder für eine Gefahr hält. Die Form dieser
Verhinderung ist die Beschlagnahme, die Verhaftung des Gedankens.
Die Form der Beschlagnahme muß die Constatirung der vorhandenen
Exemplare, dann die Versiegelung, und endlich das individuelle Verbot
der Ausgabe sein. Das Objekt der polizeilichen Beschlagnahme kann
aber für sich nicht das Manuscript, sondern nur die Druckexemplare
sein. Die Polizei hat unbedingt das Recht zu dieser Beschlagnahme,
wo sie -- unter eigener Verantwortlichkeit -- glaubt, daß Gefahr im
Verzuge ist. Sie kann aber auch sich zu dem Ende einen gerichtlichen
Befehl einholen. Die Beschlagnahme des Manuscripts kann über-
haupt nur auf einen gerichtlichen Befehl geschehen. Nach der Beschlag-
nahme treten dieselben Folgen ein, wie nach der polizeilichen Ver-
haftung; Ueberweisung an den Rechtsweg, Urtheil und Haftung der
Polizei, wenn die Beschlagnahme nicht auf Grund eines richterlichen
Befehles geschehen ist; im letztern Falle ist dieselbe ohnehin schon ein
Theil des richterlichen Verfahrens.

Die Gesammtheit aller dieser Grundsätze, die in der Beschlagnahme
ihren Ausdruck finden, fassen wir zusammen als das Recht der Sicher-
heitspolizei der Presse
. Daß auch sie neben der Rechtspolizei
nothwendig ist, wird kein Verständiger bezweifeln. Eben so klar ist
aber auch, daß dieß ganze Gebiet der Sicherheitspolizei der Presse gar
nichts anders ist und sein soll, als eine specielle Anwendung des

erkennt. Allerdings aber iſt das wahr, daß nirgends ſo ſehr als
gerade bei der Preſſe die ganze öffentlich rechtliche Stellung der Polizei
zur Erſcheinung gelangt. Nur die Unklarheit über das erſte Verhält-
niß hat Unklarheit über die letztere zur Grundlage.

Die Geſammtheit aller polizeilichen Thätigkeiten und Berechtigungen,
mit denen die Polizei ein Verbrechen oder eine (andere) öffentliche Ge-
fährdung verhindern ſoll, haben wir früher bereits als Sicherheits-
polizei
bezeichnet. Das große Princip der Sicherheitspolizei und ihres
Rechts iſt einfach. Die Polizei muß das Recht haben, Zuſtände und
Handlungen nach ihrem Ermeſſen für gefährlich zu halten, und ſie dem-
gemäß mit dem ihr zu Gebote ſtehenden Mitteln zu verhindern. Für
den darin liegenden Eingriff in die perſönliche Freiheit iſt ſie aber dem
Betroffenen haftbar, wie bei der Verhaftung, und es iſt gerecht,
daß darüber das Gericht entſcheide, und der Staat die Entſchädigung
leiſte, wenn kein individuelles Verſchulden von Seite des Polizeibeamten
vorliegt. Das Recht der Preſſe iſt eine durchaus einfache Anwendung
dieſer Grundſätze auf die zur Verbreitung beſtimmte Publikation. Es
kann vernünftigerweiſe kein Zweifel ſein, daß die Polizei das Recht
hat, die Verbreitung zu verhindern, wenn ſie den Inhalt der Publi-
kation für ein Verbrechen oder für eine Gefahr hält. Die Form dieſer
Verhinderung iſt die Beſchlagnahme, die Verhaftung des Gedankens.
Die Form der Beſchlagnahme muß die Conſtatirung der vorhandenen
Exemplare, dann die Verſiegelung, und endlich das individuelle Verbot
der Ausgabe ſein. Das Objekt der polizeilichen Beſchlagnahme kann
aber für ſich nicht das Manuſcript, ſondern nur die Druckexemplare
ſein. Die Polizei hat unbedingt das Recht zu dieſer Beſchlagnahme,
wo ſie — unter eigener Verantwortlichkeit — glaubt, daß Gefahr im
Verzuge iſt. Sie kann aber auch ſich zu dem Ende einen gerichtlichen
Befehl einholen. Die Beſchlagnahme des Manuſcripts kann über-
haupt nur auf einen gerichtlichen Befehl geſchehen. Nach der Beſchlag-
nahme treten dieſelben Folgen ein, wie nach der polizeilichen Ver-
haftung; Ueberweiſung an den Rechtsweg, Urtheil und Haftung der
Polizei, wenn die Beſchlagnahme nicht auf Grund eines richterlichen
Befehles geſchehen iſt; im letztern Falle iſt dieſelbe ohnehin ſchon ein
Theil des richterlichen Verfahrens.

Die Geſammtheit aller dieſer Grundſätze, die in der Beſchlagnahme
ihren Ausdruck finden, faſſen wir zuſammen als das Recht der Sicher-
heitspolizei der Preſſe
. Daß auch ſie neben der Rechtspolizei
nothwendig iſt, wird kein Verſtändiger bezweifeln. Eben ſo klar iſt
aber auch, daß dieß ganze Gebiet der Sicherheitspolizei der Preſſe gar
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[70/0086] erkennt. Allerdings aber iſt das wahr, daß nirgends ſo ſehr als gerade bei der Preſſe die ganze öffentlich rechtliche Stellung der Polizei zur Erſcheinung gelangt. Nur die Unklarheit über das erſte Verhält- niß hat Unklarheit über die letztere zur Grundlage. Die Geſammtheit aller polizeilichen Thätigkeiten und Berechtigungen, mit denen die Polizei ein Verbrechen oder eine (andere) öffentliche Ge- fährdung verhindern ſoll, haben wir früher bereits als Sicherheits- polizei bezeichnet. Das große Princip der Sicherheitspolizei und ihres Rechts iſt einfach. Die Polizei muß das Recht haben, Zuſtände und Handlungen nach ihrem Ermeſſen für gefährlich zu halten, und ſie dem- gemäß mit dem ihr zu Gebote ſtehenden Mitteln zu verhindern. Für den darin liegenden Eingriff in die perſönliche Freiheit iſt ſie aber dem Betroffenen haftbar, wie bei der Verhaftung, und es iſt gerecht, daß darüber das Gericht entſcheide, und der Staat die Entſchädigung leiſte, wenn kein individuelles Verſchulden von Seite des Polizeibeamten vorliegt. Das Recht der Preſſe iſt eine durchaus einfache Anwendung dieſer Grundſätze auf die zur Verbreitung beſtimmte Publikation. Es kann vernünftigerweiſe kein Zweifel ſein, daß die Polizei das Recht hat, die Verbreitung zu verhindern, wenn ſie den Inhalt der Publi- kation für ein Verbrechen oder für eine Gefahr hält. Die Form dieſer Verhinderung iſt die Beſchlagnahme, die Verhaftung des Gedankens. Die Form der Beſchlagnahme muß die Conſtatirung der vorhandenen Exemplare, dann die Verſiegelung, und endlich das individuelle Verbot der Ausgabe ſein. Das Objekt der polizeilichen Beſchlagnahme kann aber für ſich nicht das Manuſcript, ſondern nur die Druckexemplare ſein. Die Polizei hat unbedingt das Recht zu dieſer Beſchlagnahme, wo ſie — unter eigener Verantwortlichkeit — glaubt, daß Gefahr im Verzuge iſt. Sie kann aber auch ſich zu dem Ende einen gerichtlichen Befehl einholen. Die Beſchlagnahme des Manuſcripts kann über- haupt nur auf einen gerichtlichen Befehl geſchehen. Nach der Beſchlag- nahme treten dieſelben Folgen ein, wie nach der polizeilichen Ver- haftung; Ueberweiſung an den Rechtsweg, Urtheil und Haftung der Polizei, wenn die Beſchlagnahme nicht auf Grund eines richterlichen Befehles geſchehen iſt; im letztern Falle iſt dieſelbe ohnehin ſchon ein Theil des richterlichen Verfahrens. Die Geſammtheit aller dieſer Grundſätze, die in der Beſchlagnahme ihren Ausdruck finden, faſſen wir zuſammen als das Recht der Sicher- heitspolizei der Preſſe. Daß auch ſie neben der Rechtspolizei nothwendig iſt, wird kein Verſtändiger bezweifeln. Eben ſo klar iſt aber auch, daß dieß ganze Gebiet der Sicherheitspolizei der Preſſe gar nichts anders iſt und ſein ſoll, als eine ſpecielle Anwendung des

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/86>, abgerufen am 27.11.2024.