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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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sich vollkommen frei bewegen; jene unterliegen daher vielfach den Ein-
flüssen der Regierung, diese dagegen stehen regelmäßig unter der Herr-
schaft des geistigen Bedürfnisses. Es ist kein Zweifel, daß die letztern
daher auch weit mehr wirken und daß man ganz guten Grund hat,
den Werth der Akademien von ihren Leistungen im Lehrfach ab-
hängig zu machen, während mit der Zeit an ihre Stelle das Princip
der Unterstützung der Gesellschaften, aber nur für einzelne bestimmte
Aufgaben derselben zu treten haben wird.


Das System der Akademien in den verschiedenen Ländern,
namentlich auch das Verhältniß zur Verwaltung ist sehr interessant und
belehrend. Das französische beruht auf dem Unterschiede zwischen
dem durch Gesetz vom 3 Brumaire an IV aus der alten Akademie
hervorgegangenen Institut de France mit seinen fünf Academies (fran-
caise, inscriptions et belles lettres, sciences, beaux arts et sciences
morales et politiques
(seit Verordnung vom 26. Oktober 1832) -- und
der Academie de medicine, der Academie de musique, und den sog.
Academies universitaires. Die ersten beiden sind mehr oder weniger
Berufsbildungsanstalten, die letzten sind Verwaltungsorgane der Uni-
versite
(s. oben). Das Institut dagegen ist eine eigentliche Akademie
der Wissenschaften, deren Beruf es ist, die höchste Einheit aller Wissen-
schaften, welche die französischen Facultes der Universite eben nicht
geben können, zu vertreten. In dem Institut de France ist die wissen-
schaftliche Idee der deutschen Universitäten, in den Facultes ist ihre
dogmatische Thätigkeit geschieden und zum großen Nachtheil des höhern
geistigen Lebens getrennt. In Deutschland ist eine solche Akademie
der Wissenschaften glücklicherweise unmöglich. Dagegen besteht der Grund-
charakter des deutschen Akademiewesens darin, daß die Akademien der
Wissenschaften rein theoretische, die Akademien der Künste dagegen
wesentlich praktische, für das Kunstbildungswesen bestimmte Anstalten
sind. Dieser Grundzug findet sich in allen deutschen Staaten wieder,
so weit es Akademien gibt. Preußen hat zwei Arten der Akademien;
die Akademie der Wissenschaften seit 1700 ist eben eine reine Aka-
demie im obigen Sinn (neuestes Statut vom 31. März 1838), die Aka-
demie der Künste dagegen (1699), die vielmehr eine höchste Organi-
sation der Kunstlehre ist (s. oben) und die Kunstschulen des Königreichs
leitet (Rönne II, §. 231 und 436). -- Das System Oesterreichs
beruht auf ähnlichen Grundlagen. Die Akademie der Wissenschaften
(Statut vom 14. Mai 1847, Organisation bei Stubenrauch II, 423)
ist für die reine Theorie bestimmt, ohne eine ins Leben eingreifende

ſich vollkommen frei bewegen; jene unterliegen daher vielfach den Ein-
flüſſen der Regierung, dieſe dagegen ſtehen regelmäßig unter der Herr-
ſchaft des geiſtigen Bedürfniſſes. Es iſt kein Zweifel, daß die letztern
daher auch weit mehr wirken und daß man ganz guten Grund hat,
den Werth der Akademien von ihren Leiſtungen im Lehrfach ab-
hängig zu machen, während mit der Zeit an ihre Stelle das Princip
der Unterſtützung der Geſellſchaften, aber nur für einzelne beſtimmte
Aufgaben derſelben zu treten haben wird.


Das Syſtem der Akademien in den verſchiedenen Ländern,
namentlich auch das Verhältniß zur Verwaltung iſt ſehr intereſſant und
belehrend. Das franzöſiſche beruht auf dem Unterſchiede zwiſchen
dem durch Geſetz vom 3 Brumaire an IV aus der alten Akademie
hervorgegangenen Institut de France mit ſeinen fünf Académies (fran-
çaise, inscriptions et belles lettres, sciences, beaux arts et sciences
morales et politiques
(ſeit Verordnung vom 26. Oktober 1832) — und
der Académie de médicine, der Académie de musique, und den ſog.
Académies universitaires. Die erſten beiden ſind mehr oder weniger
Berufsbildungsanſtalten, die letzten ſind Verwaltungsorgane der Uni-
versité
(ſ. oben). Das Inſtitut dagegen iſt eine eigentliche Akademie
der Wiſſenſchaften, deren Beruf es iſt, die höchſte Einheit aller Wiſſen-
ſchaften, welche die franzöſiſchen Facultés der Université eben nicht
geben können, zu vertreten. In dem Institut de France iſt die wiſſen-
ſchaftliche Idee der deutſchen Univerſitäten, in den Facultés iſt ihre
dogmatiſche Thätigkeit geſchieden und zum großen Nachtheil des höhern
geiſtigen Lebens getrennt. In Deutſchland iſt eine ſolche Akademie
der Wiſſenſchaften glücklicherweiſe unmöglich. Dagegen beſteht der Grund-
charakter des deutſchen Akademieweſens darin, daß die Akademien der
Wiſſenſchaften rein theoretiſche, die Akademien der Künſte dagegen
weſentlich praktiſche, für das Kunſtbildungsweſen beſtimmte Anſtalten
ſind. Dieſer Grundzug findet ſich in allen deutſchen Staaten wieder,
ſo weit es Akademien gibt. Preußen hat zwei Arten der Akademien;
die Akademie der Wiſſenſchaften ſeit 1700 iſt eben eine reine Aka-
demie im obigen Sinn (neueſtes Statut vom 31. März 1838), die Aka-
demie der Künſte dagegen (1699), die vielmehr eine höchſte Organi-
ſation der Kunſtlehre iſt (ſ. oben) und die Kunſtſchulen des Königreichs
leitet (Rönne II, §. 231 und 436). — Das Syſtem Oeſterreichs
beruht auf ähnlichen Grundlagen. Die Akademie der Wiſſenſchaften
(Statut vom 14. Mai 1847, Organiſation bei Stubenrauch II, 423)
iſt für die reine Theorie beſtimmt, ohne eine ins Leben eingreifende

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[34/0050] ſich vollkommen frei bewegen; jene unterliegen daher vielfach den Ein- flüſſen der Regierung, dieſe dagegen ſtehen regelmäßig unter der Herr- ſchaft des geiſtigen Bedürfniſſes. Es iſt kein Zweifel, daß die letztern daher auch weit mehr wirken und daß man ganz guten Grund hat, den Werth der Akademien von ihren Leiſtungen im Lehrfach ab- hängig zu machen, während mit der Zeit an ihre Stelle das Princip der Unterſtützung der Geſellſchaften, aber nur für einzelne beſtimmte Aufgaben derſelben zu treten haben wird. Das Syſtem der Akademien in den verſchiedenen Ländern, namentlich auch das Verhältniß zur Verwaltung iſt ſehr intereſſant und belehrend. Das franzöſiſche beruht auf dem Unterſchiede zwiſchen dem durch Geſetz vom 3 Brumaire an IV aus der alten Akademie hervorgegangenen Institut de France mit ſeinen fünf Académies (fran- çaise, inscriptions et belles lettres, sciences, beaux arts et sciences morales et politiques (ſeit Verordnung vom 26. Oktober 1832) — und der Académie de médicine, der Académie de musique, und den ſog. Académies universitaires. Die erſten beiden ſind mehr oder weniger Berufsbildungsanſtalten, die letzten ſind Verwaltungsorgane der Uni- versité (ſ. oben). Das Inſtitut dagegen iſt eine eigentliche Akademie der Wiſſenſchaften, deren Beruf es iſt, die höchſte Einheit aller Wiſſen- ſchaften, welche die franzöſiſchen Facultés der Université eben nicht geben können, zu vertreten. In dem Institut de France iſt die wiſſen- ſchaftliche Idee der deutſchen Univerſitäten, in den Facultés iſt ihre dogmatiſche Thätigkeit geſchieden und zum großen Nachtheil des höhern geiſtigen Lebens getrennt. In Deutſchland iſt eine ſolche Akademie der Wiſſenſchaften glücklicherweiſe unmöglich. Dagegen beſteht der Grund- charakter des deutſchen Akademieweſens darin, daß die Akademien der Wiſſenſchaften rein theoretiſche, die Akademien der Künſte dagegen weſentlich praktiſche, für das Kunſtbildungsweſen beſtimmte Anſtalten ſind. Dieſer Grundzug findet ſich in allen deutſchen Staaten wieder, ſo weit es Akademien gibt. Preußen hat zwei Arten der Akademien; die Akademie der Wiſſenſchaften ſeit 1700 iſt eben eine reine Aka- demie im obigen Sinn (neueſtes Statut vom 31. März 1838), die Aka- demie der Künſte dagegen (1699), die vielmehr eine höchſte Organi- ſation der Kunſtlehre iſt (ſ. oben) und die Kunſtſchulen des Königreichs leitet (Rönne II, §. 231 und 436). — Das Syſtem Oeſterreichs beruht auf ähnlichen Grundlagen. Die Akademie der Wiſſenſchaften (Statut vom 14. Mai 1847, Organiſation bei Stubenrauch II, 423) iſt für die reine Theorie beſtimmt, ohne eine ins Leben eingreifende

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/50>, abgerufen am 09.11.2024.