Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.(Begriff der "bürgerlichen Tugenden und ihr Werth") und Bd. XI. S. 45 (Begriff der „bürgerlichen Tugenden und ihr Werth“) und Bd. XI. S. 45 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0032" n="16"/> (Begriff der „bürgerlichen Tugenden und ihr Werth“) und Bd. <hi rendition="#aq">XI.</hi> S. 45<lb/> (Ueppigkeit und Luſtbarkeiten); <hi rendition="#g">Schlettwein</hi>, Unterſuchung, wie die<lb/> Polizei rühmliche Sitten eines Volkes bilden und erhalten kann (1764);<lb/><hi rendition="#g">Fiſcher</hi>, von der Polizei und dem Sittengeſetz (1767). Allerdings<lb/> war davon die Folge ein mächtiges, allſeitiges Uebergreifen der Sitten-<lb/> polizei, die ſich immer ſelbſt ihre Gränze ſetzte, Unmuth über dieſelbe,<lb/> und am Ende Beſeitigung ihrer Verordnungen; doch blieben die Ver-<lb/> brechen und ſchweren Vergehen, und die ſittliche Auffaſſung der Auf-<lb/> gabe der Obrigkeiten erhielt ſich faſt ganz in der alten Form bis in<lb/> unſer Jahrhundert hinein, wo ſie ſich mit der Idee der „Aufklärung“<lb/> verſchmilzt, und zur negativen aber unbeſtimmten Seite der „Innern<lb/> Vervollkommnung und Ausbildung des Volkes“ wird (<hi rendition="#g">Jacob</hi>, Polizei-<lb/> wiſſenſchaft §. 146 ff. 1809), während andere, gleichfalls von dem Geiſt<lb/> der damaligen Zeit erfaßt und in der edleren Sitte die Hoffnung der<lb/> Zukunft des deutſchen Volkes erkennend, die Sitten geradezu zu einem<lb/> Gegenſtand poſitiver Geſetzgebung machen wollen, wie (Eberſtein) Ent-<lb/> wurf eines Sitten- und Strafgeſetzbuches (1793), <hi rendition="#g">Reitzenſtein</hi>, über<lb/> die Sittenveredlung durch beſſere Geſetze (1798) u. a. Die entſtehende<lb/> Idee des Rechtsſtaates und ſein großes Princip der individuellen Frei-<lb/> heit macht nun natürlich das Verfolgen dieſer Richtung unmöglich; das<lb/> erſte Zeichen der neuen Geſtalt iſt das Verſchwinden derſelben aus dem<lb/> Staatsrecht, in dem weder Gönner noch Klüber, weder Aretin noch<lb/> Häberlin, weder Leiſt noch Maurenbrecher derſelben erwähnen; und dieß<lb/> Aufgeben jenes Gebietes iſt mit gutem Recht geblieben. Statt deſſen<lb/> beginnt nun weſentlich nach franzöſiſchem Vorgang die Polizeiſtrafgeſetz-<lb/> gebung zu einem integrirenden Theile der Strafgeſetzbücher zu werden,<lb/> wie in Preußen und Oeſterreich, und die Darſtellung einer eigenen<lb/> „Sittenpolizei“ verſchwindet; auch das Erſcheinen der Polizeiſtrafgeſetz-<lb/> bücher von Württemberg, Bayern und Baden konnte ſie nicht wieder<lb/> ins Leben rufen. Die Sittenpolizei iſt jetzt eine Sache der Strafrechts-<lb/> lehre geworden, und ſelbſt in lauter Detail aufgelöste Staatsrechts-<lb/> lehren wie die von <hi rendition="#g">Zöpfl</hi> haben ſie aus ihrem Geſichtskreis verloren,<lb/> trotz der lebhaften Anklänge an die Idee des Staats, und trotz der<lb/> Paragraphirung der Staatsbegriffe. Das war ein Fortſchritt, allein<lb/> der Untergang des ethiſchen Momentes hätte zugleich großen Nachtheil<lb/> gebracht, wenn nicht einerſeits die neu entſtehenden territorialen Ver-<lb/> waltungsrechte, wie namentlich <hi rendition="#g">Mohl</hi> (im württembergiſchen Verwal-<lb/> tungsrecht), Rönne, Pözl, Funke, Stubenrauch die poſitiven Geſetze<lb/> lebendig erhalten hätten, bis <hi rendition="#g">Mohl</hi> in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> Cap. 3 dem ganzen Gebiete ſeine organiſche Stellung in der Lehre vom<lb/> geiſtigen Leben oder dem Bildungsweſen wiedergab. Damit iſt denn<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0032]
(Begriff der „bürgerlichen Tugenden und ihr Werth“) und Bd. XI. S. 45
(Ueppigkeit und Luſtbarkeiten); Schlettwein, Unterſuchung, wie die
Polizei rühmliche Sitten eines Volkes bilden und erhalten kann (1764);
Fiſcher, von der Polizei und dem Sittengeſetz (1767). Allerdings
war davon die Folge ein mächtiges, allſeitiges Uebergreifen der Sitten-
polizei, die ſich immer ſelbſt ihre Gränze ſetzte, Unmuth über dieſelbe,
und am Ende Beſeitigung ihrer Verordnungen; doch blieben die Ver-
brechen und ſchweren Vergehen, und die ſittliche Auffaſſung der Auf-
gabe der Obrigkeiten erhielt ſich faſt ganz in der alten Form bis in
unſer Jahrhundert hinein, wo ſie ſich mit der Idee der „Aufklärung“
verſchmilzt, und zur negativen aber unbeſtimmten Seite der „Innern
Vervollkommnung und Ausbildung des Volkes“ wird (Jacob, Polizei-
wiſſenſchaft §. 146 ff. 1809), während andere, gleichfalls von dem Geiſt
der damaligen Zeit erfaßt und in der edleren Sitte die Hoffnung der
Zukunft des deutſchen Volkes erkennend, die Sitten geradezu zu einem
Gegenſtand poſitiver Geſetzgebung machen wollen, wie (Eberſtein) Ent-
wurf eines Sitten- und Strafgeſetzbuches (1793), Reitzenſtein, über
die Sittenveredlung durch beſſere Geſetze (1798) u. a. Die entſtehende
Idee des Rechtsſtaates und ſein großes Princip der individuellen Frei-
heit macht nun natürlich das Verfolgen dieſer Richtung unmöglich; das
erſte Zeichen der neuen Geſtalt iſt das Verſchwinden derſelben aus dem
Staatsrecht, in dem weder Gönner noch Klüber, weder Aretin noch
Häberlin, weder Leiſt noch Maurenbrecher derſelben erwähnen; und dieß
Aufgeben jenes Gebietes iſt mit gutem Recht geblieben. Statt deſſen
beginnt nun weſentlich nach franzöſiſchem Vorgang die Polizeiſtrafgeſetz-
gebung zu einem integrirenden Theile der Strafgeſetzbücher zu werden,
wie in Preußen und Oeſterreich, und die Darſtellung einer eigenen
„Sittenpolizei“ verſchwindet; auch das Erſcheinen der Polizeiſtrafgeſetz-
bücher von Württemberg, Bayern und Baden konnte ſie nicht wieder
ins Leben rufen. Die Sittenpolizei iſt jetzt eine Sache der Strafrechts-
lehre geworden, und ſelbſt in lauter Detail aufgelöste Staatsrechts-
lehren wie die von Zöpfl haben ſie aus ihrem Geſichtskreis verloren,
trotz der lebhaften Anklänge an die Idee des Staats, und trotz der
Paragraphirung der Staatsbegriffe. Das war ein Fortſchritt, allein
der Untergang des ethiſchen Momentes hätte zugleich großen Nachtheil
gebracht, wenn nicht einerſeits die neu entſtehenden territorialen Ver-
waltungsrechte, wie namentlich Mohl (im württembergiſchen Verwal-
tungsrecht), Rönne, Pözl, Funke, Stubenrauch die poſitiven Geſetze
lebendig erhalten hätten, bis Mohl in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft Bd. I.
Cap. 3 dem ganzen Gebiete ſeine organiſche Stellung in der Lehre vom
geiſtigen Leben oder dem Bildungsweſen wiedergab. Damit iſt denn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |