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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Verfolgung der Delits commis par la voie de la presse vor den
Cours d'Assises geordnet (Gesetz vom 8. April 1831), ebenso die Be-
steuerung (Mai 1832); die Ordonnanz vom 6. April 1834 hielt die alten
Polizeivorschriften in Beziehung auf Druckwerke und Buchhandel und
ihre Unterstellung unter das Polizeiministerium entschieden aufrecht,
und für die Ausrufer und Anschläger ward die polizeiliche Genehmi-
gung ausdrücklich gefordert (Gesetz vom 6. Februar 1834). So konnte
das neue organische Preßgesetz vom 9. September 1835 vom Großsiegel-
bewahrer mit dem Satze eingeleitet werden: "La societe vit au milieu
de la plus epouvantable anarchie;"
die Besitzenden fühlten das Heran-
nahen der socialen Bewegung in den sich wiederholenden Attentaten,
und das neue Gesetz ward votirt. Nach diesem Gesetze ward -- wohl
nach englischem Vorbild -- jede Aufreizung zu dem im Code Penal
Art. 86 und 87 bezeichneten Verbrechen soit qu'elle ait ete ou non
suivie d'effet
als ein Verbrechen gegen die Sicherheit des Staats
(felonie) erklärt und die Diffamation davon geschieden. Die gesell-
schaftliche Gefahr aber tritt schon jetzt in den Vordergrund, indem
"toute attaque contre la propriete, toute provocation a la haine
entre les diverses classes de la societe"
mit der doppelten
Strafe des Gesetzes vom 17. Mai 1819 (Art. 8) belegt werden könne.
Die Eigenthümer des Journals leisten die Caution; der Gerant ist
verantwortlich, er muß den dritten Theil der Caution als Eigenthum
besitzen; die Cours d'Assises kann nach dem Gesetz vom 9. Juni 1819
die Suspension wieder aussprechen; die Pflicht zur Aufnahme von
reponses et rectifications wird ausgesprochen; die Errichtung von
Theatern steht unter Concession, die Schauspiele eben so; kurz es
ist, mit Ausnahme der Censur und der autorisation prealable für
die Errichtung eines Journals, das ganze Repressivsystem bis auf
einen, allerdings wesentlichen Punkt hergestellt; und dieser Punkt ist
das Erforderniß eines gerichtlichen Urtheils über die Suspension
und die übrigen Strafen. Das muß man festhalten, denn der gegen-
wärtige Zustand des Preßrechts unterscheidet sich von dem des Gesetzes
von 1835 wesentlich nur durch den entscheidenden Satz, daß die Maß-
regeln gegen die Unternehmung jetzt polizeiliche sind, also keine
gerichtliche Verhandlung zulassen.

Dieß Gesetz gilt bis 1848. Wir unterlassen es hier, auf die
übrigen Mittel einzugehen, mit denen die Regierung auf die Unab-
hängigkeit der Presse einwirkte; rechtlich hält sie am Gesetz von 1835.
Die Revolution von 1848 hatte daher denn auch nichts Eiligeres zu
thun, als das Gesetz von 1835 aufzuheben (Decret vom 6. März 1848).
Für das Strafrecht blieben jedoch die Artikel des Code Penal und

Verfolgung der Délits commis par la voie de la presse vor den
Cours d’Assises geordnet (Geſetz vom 8. April 1831), ebenſo die Be-
ſteuerung (Mai 1832); die Ordonnanz vom 6. April 1834 hielt die alten
Polizeivorſchriften in Beziehung auf Druckwerke und Buchhandel und
ihre Unterſtellung unter das Polizeiminiſterium entſchieden aufrecht,
und für die Ausrufer und Anſchläger ward die polizeiliche Genehmi-
gung ausdrücklich gefordert (Geſetz vom 6. Februar 1834). So konnte
das neue organiſche Preßgeſetz vom 9. September 1835 vom Großſiegel-
bewahrer mit dem Satze eingeleitet werden: „La société vit au milieu
de la plus épouvantable anarchie;“
die Beſitzenden fühlten das Heran-
nahen der ſocialen Bewegung in den ſich wiederholenden Attentaten,
und das neue Geſetz ward votirt. Nach dieſem Geſetze ward — wohl
nach engliſchem Vorbild — jede Aufreizung zu dem im Code Pénal
Art. 86 und 87 bezeichneten Verbrechen soit qu’elle ait été ou non
suivie d’effet
als ein Verbrechen gegen die Sicherheit des Staats
(félonie) erklärt und die Diffamation davon geſchieden. Die geſell-
ſchaftliche Gefahr aber tritt ſchon jetzt in den Vordergrund, indem
„toute attaque contre la proprieté, toute provocation à la haine
entre les diverses classes de la société
mit der doppelten
Strafe des Geſetzes vom 17. Mai 1819 (Art. 8) belegt werden könne.
Die Eigenthümer des Journals leiſten die Caution; der Gerant iſt
verantwortlich, er muß den dritten Theil der Caution als Eigenthum
beſitzen; die Cours d’Assises kann nach dem Geſetz vom 9. Juni 1819
die Suspenſion wieder ausſprechen; die Pflicht zur Aufnahme von
réponses et rectifications wird ausgeſprochen; die Errichtung von
Theatern ſteht unter Conceſſion, die Schauſpiele eben ſo; kurz es
iſt, mit Ausnahme der Cenſur und der autorisation préalable für
die Errichtung eines Journals, das ganze Repreſſivſyſtem bis auf
einen, allerdings weſentlichen Punkt hergeſtellt; und dieſer Punkt iſt
das Erforderniß eines gerichtlichen Urtheils über die Suspenſion
und die übrigen Strafen. Das muß man feſthalten, denn der gegen-
wärtige Zuſtand des Preßrechts unterſcheidet ſich von dem des Geſetzes
von 1835 weſentlich nur durch den entſcheidenden Satz, daß die Maß-
regeln gegen die Unternehmung jetzt polizeiliche ſind, alſo keine
gerichtliche Verhandlung zulaſſen.

Dieß Geſetz gilt bis 1848. Wir unterlaſſen es hier, auf die
übrigen Mittel einzugehen, mit denen die Regierung auf die Unab-
hängigkeit der Preſſe einwirkte; rechtlich hält ſie am Geſetz von 1835.
Die Revolution von 1848 hatte daher denn auch nichts Eiligeres zu
thun, als das Geſetz von 1835 aufzuheben (Decret vom 6. März 1848).
Für das Strafrecht blieben jedoch die Artikel des Code Pénal und

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[137/0153] Verfolgung der Délits commis par la voie de la presse vor den Cours d’Assises geordnet (Geſetz vom 8. April 1831), ebenſo die Be- ſteuerung (Mai 1832); die Ordonnanz vom 6. April 1834 hielt die alten Polizeivorſchriften in Beziehung auf Druckwerke und Buchhandel und ihre Unterſtellung unter das Polizeiminiſterium entſchieden aufrecht, und für die Ausrufer und Anſchläger ward die polizeiliche Genehmi- gung ausdrücklich gefordert (Geſetz vom 6. Februar 1834). So konnte das neue organiſche Preßgeſetz vom 9. September 1835 vom Großſiegel- bewahrer mit dem Satze eingeleitet werden: „La société vit au milieu de la plus épouvantable anarchie;“ die Beſitzenden fühlten das Heran- nahen der ſocialen Bewegung in den ſich wiederholenden Attentaten, und das neue Geſetz ward votirt. Nach dieſem Geſetze ward — wohl nach engliſchem Vorbild — jede Aufreizung zu dem im Code Pénal Art. 86 und 87 bezeichneten Verbrechen soit qu’elle ait été ou non suivie d’effet als ein Verbrechen gegen die Sicherheit des Staats (félonie) erklärt und die Diffamation davon geſchieden. Die geſell- ſchaftliche Gefahr aber tritt ſchon jetzt in den Vordergrund, indem „toute attaque contre la proprieté, toute provocation à la haine entre les diverses classes de la société“ mit der doppelten Strafe des Geſetzes vom 17. Mai 1819 (Art. 8) belegt werden könne. Die Eigenthümer des Journals leiſten die Caution; der Gerant iſt verantwortlich, er muß den dritten Theil der Caution als Eigenthum beſitzen; die Cours d’Assises kann nach dem Geſetz vom 9. Juni 1819 die Suspenſion wieder ausſprechen; die Pflicht zur Aufnahme von réponses et rectifications wird ausgeſprochen; die Errichtung von Theatern ſteht unter Conceſſion, die Schauſpiele eben ſo; kurz es iſt, mit Ausnahme der Cenſur und der autorisation préalable für die Errichtung eines Journals, das ganze Repreſſivſyſtem bis auf einen, allerdings weſentlichen Punkt hergeſtellt; und dieſer Punkt iſt das Erforderniß eines gerichtlichen Urtheils über die Suspenſion und die übrigen Strafen. Das muß man feſthalten, denn der gegen- wärtige Zuſtand des Preßrechts unterſcheidet ſich von dem des Geſetzes von 1835 weſentlich nur durch den entſcheidenden Satz, daß die Maß- regeln gegen die Unternehmung jetzt polizeiliche ſind, alſo keine gerichtliche Verhandlung zulaſſen. Dieß Geſetz gilt bis 1848. Wir unterlaſſen es hier, auf die übrigen Mittel einzugehen, mit denen die Regierung auf die Unab- hängigkeit der Preſſe einwirkte; rechtlich hält ſie am Geſetz von 1835. Die Revolution von 1848 hatte daher denn auch nichts Eiligeres zu thun, als das Geſetz von 1835 aufzuheben (Decret vom 6. März 1848). Für das Strafrecht blieben jedoch die Artikel des Code Pénal und

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/153>, abgerufen am 22.11.2024.