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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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verschwindet nämlich auch das ganze System der Strafen gegen das
Preßunternehmen, sowohl die Suspension als das gerichtliche
Verbot einer Zeitung, und die Concessionsentziehung für das Druckerei-
gewerbe. Es gibt nur noch Strafen für die Urheber und Gehülfen
der einzelnen strafbaren Veröffentlichung; und bei dieser beginnt das
eigentliche Preßstrafrecht.

II. Das eigentliche Preßstrafrecht hat demnach zu seinem Inhalt
das Recht der einzelnen selbständigen Aeußerung eines Gedankens in
einem Druckwerk. Da nur bei einem verbrecherischen Gedanken die
Aeußerung an sich strafbar ist, so erscheint das Preßstrafrecht als das
Recht derjenigen Aeußerung, welche durch die Presse geschieht, und
schließt sich daher organisch an jede andere Form der Aeußerung, Rede,
Schrift und Bild an. Das Strafrecht hiefür zerfällt daher in zwei
Theile. Der erste Theil enthält die Bestimmung des verbrecherischen
Thatbestandes an sich, ohne Rücksicht auf die Erscheinungsform, und
die Strafe dafür, also für Wort und Schrift so gut als für Presse;
der zweite Theil bezieht sich auf die verschiedenen Formen dieser
Aeußerung. Es ist nothwendig, daß hier die Aeußerung durch die
Presse aus naheliegenden Gründen einen doppelten Unterschied von
den übrigen hervorrufen muß. Zuerst wird wegen des entwickelten ver-
brecherischen Bewußtseins (Vorbedacht und Ausbreitung) für dasselbe Ver-
brechen die Strafe eine höhere sein, wenn es auf dem Wege der Presse
geschieht. Zweitens werden die Begriffe von Thäter, Gehülfe, intel-
lektueller Urheberschaft, Versuch und vollendetem Verbrechen dann auf
das Druckwerk nothwendige Anwendung finden, und demnächst eine
selbständige Stellung im allgemeinen Theile der Strafrechtslehre auch in
Deutschland finden, wie sie es bereits in Frankreich gefunden haben.
Allerdings wird dabei die Frage nach dem Thatbestande und der Gränze
der "Aufreizung" stets die schwierigste bleiben; aber sie ist nicht, wie
in Glasers Abhandlung, die einzige, und jedenfalls gehört sie nicht
ins Verwaltungsrecht, sondern ins Kriminalrecht; daß sich das letztere
darüber nicht einig ist, ändert an der Sache selbst eben so wenig, als
daß es auch noch keinen absoluten strafrechtlichen Begriff für Hoch- und
Landesverrath gibt und je geben wird. Es ist eben falsch, hier diese
Frage durch einzelne Fälle, Formeln und Aufzählungen erschöpfen zu
wollen, wie schon de Serres es richtig ausgesprochen, und wie Glaser
es mit gleich richtigem Verständniß betont. Aber das ist gewiß, daß
alle diese Dinge erst dann zur Entscheidung gelangen werden, wenn
durch die Beseitigung des Preßverbrechens des Repressivsystems das Kri-
minalrecht in die Lage kommt, sich fachgemäß mit ihnen zu beschäftigen,
womit eben Glaser einen so tüchtigen Anfang gemacht hat. Man

verſchwindet nämlich auch das ganze Syſtem der Strafen gegen das
Preßunternehmen, ſowohl die Suspenſion als das gerichtliche
Verbot einer Zeitung, und die Conceſſionsentziehung für das Druckerei-
gewerbe. Es gibt nur noch Strafen für die Urheber und Gehülfen
der einzelnen ſtrafbaren Veröffentlichung; und bei dieſer beginnt das
eigentliche Preßſtrafrecht.

II. Das eigentliche Preßſtrafrecht hat demnach zu ſeinem Inhalt
das Recht der einzelnen ſelbſtändigen Aeußerung eines Gedankens in
einem Druckwerk. Da nur bei einem verbrecheriſchen Gedanken die
Aeußerung an ſich ſtrafbar iſt, ſo erſcheint das Preßſtrafrecht als das
Recht derjenigen Aeußerung, welche durch die Preſſe geſchieht, und
ſchließt ſich daher organiſch an jede andere Form der Aeußerung, Rede,
Schrift und Bild an. Das Strafrecht hiefür zerfällt daher in zwei
Theile. Der erſte Theil enthält die Beſtimmung des verbrecheriſchen
Thatbeſtandes an ſich, ohne Rückſicht auf die Erſcheinungsform, und
die Strafe dafür, alſo für Wort und Schrift ſo gut als für Preſſe;
der zweite Theil bezieht ſich auf die verſchiedenen Formen dieſer
Aeußerung. Es iſt nothwendig, daß hier die Aeußerung durch die
Preſſe aus naheliegenden Gründen einen doppelten Unterſchied von
den übrigen hervorrufen muß. Zuerſt wird wegen des entwickelten ver-
brecheriſchen Bewußtſeins (Vorbedacht und Ausbreitung) für daſſelbe Ver-
brechen die Strafe eine höhere ſein, wenn es auf dem Wege der Preſſe
geſchieht. Zweitens werden die Begriffe von Thäter, Gehülfe, intel-
lektueller Urheberſchaft, Verſuch und vollendetem Verbrechen dann auf
das Druckwerk nothwendige Anwendung finden, und demnächſt eine
ſelbſtändige Stellung im allgemeinen Theile der Strafrechtslehre auch in
Deutſchland finden, wie ſie es bereits in Frankreich gefunden haben.
Allerdings wird dabei die Frage nach dem Thatbeſtande und der Gränze
der „Aufreizung“ ſtets die ſchwierigſte bleiben; aber ſie iſt nicht, wie
in Glaſers Abhandlung, die einzige, und jedenfalls gehört ſie nicht
ins Verwaltungsrecht, ſondern ins Kriminalrecht; daß ſich das letztere
darüber nicht einig iſt, ändert an der Sache ſelbſt eben ſo wenig, als
daß es auch noch keinen abſoluten ſtrafrechtlichen Begriff für Hoch- und
Landesverrath gibt und je geben wird. Es iſt eben falſch, hier dieſe
Frage durch einzelne Fälle, Formeln und Aufzählungen erſchöpfen zu
wollen, wie ſchon de Serres es richtig ausgeſprochen, und wie Glaſer
es mit gleich richtigem Verſtändniß betont. Aber das iſt gewiß, daß
alle dieſe Dinge erſt dann zur Entſcheidung gelangen werden, wenn
durch die Beſeitigung des Preßverbrechens des Repreſſivſyſtems das Kri-
minalrecht in die Lage kommt, ſich fachgemäß mit ihnen zu beſchäftigen,
womit eben Glaſer einen ſo tüchtigen Anfang gemacht hat. Man

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[119/0135] verſchwindet nämlich auch das ganze Syſtem der Strafen gegen das Preßunternehmen, ſowohl die Suspenſion als das gerichtliche Verbot einer Zeitung, und die Conceſſionsentziehung für das Druckerei- gewerbe. Es gibt nur noch Strafen für die Urheber und Gehülfen der einzelnen ſtrafbaren Veröffentlichung; und bei dieſer beginnt das eigentliche Preßſtrafrecht. II. Das eigentliche Preßſtrafrecht hat demnach zu ſeinem Inhalt das Recht der einzelnen ſelbſtändigen Aeußerung eines Gedankens in einem Druckwerk. Da nur bei einem verbrecheriſchen Gedanken die Aeußerung an ſich ſtrafbar iſt, ſo erſcheint das Preßſtrafrecht als das Recht derjenigen Aeußerung, welche durch die Preſſe geſchieht, und ſchließt ſich daher organiſch an jede andere Form der Aeußerung, Rede, Schrift und Bild an. Das Strafrecht hiefür zerfällt daher in zwei Theile. Der erſte Theil enthält die Beſtimmung des verbrecheriſchen Thatbeſtandes an ſich, ohne Rückſicht auf die Erſcheinungsform, und die Strafe dafür, alſo für Wort und Schrift ſo gut als für Preſſe; der zweite Theil bezieht ſich auf die verſchiedenen Formen dieſer Aeußerung. Es iſt nothwendig, daß hier die Aeußerung durch die Preſſe aus naheliegenden Gründen einen doppelten Unterſchied von den übrigen hervorrufen muß. Zuerſt wird wegen des entwickelten ver- brecheriſchen Bewußtſeins (Vorbedacht und Ausbreitung) für daſſelbe Ver- brechen die Strafe eine höhere ſein, wenn es auf dem Wege der Preſſe geſchieht. Zweitens werden die Begriffe von Thäter, Gehülfe, intel- lektueller Urheberſchaft, Verſuch und vollendetem Verbrechen dann auf das Druckwerk nothwendige Anwendung finden, und demnächſt eine ſelbſtändige Stellung im allgemeinen Theile der Strafrechtslehre auch in Deutſchland finden, wie ſie es bereits in Frankreich gefunden haben. Allerdings wird dabei die Frage nach dem Thatbeſtande und der Gränze der „Aufreizung“ ſtets die ſchwierigſte bleiben; aber ſie iſt nicht, wie in Glaſers Abhandlung, die einzige, und jedenfalls gehört ſie nicht ins Verwaltungsrecht, ſondern ins Kriminalrecht; daß ſich das letztere darüber nicht einig iſt, ändert an der Sache ſelbſt eben ſo wenig, als daß es auch noch keinen abſoluten ſtrafrechtlichen Begriff für Hoch- und Landesverrath gibt und je geben wird. Es iſt eben falſch, hier dieſe Frage durch einzelne Fälle, Formeln und Aufzählungen erſchöpfen zu wollen, wie ſchon de Serres es richtig ausgeſprochen, und wie Glaſer es mit gleich richtigem Verſtändniß betont. Aber das iſt gewiß, daß alle dieſe Dinge erſt dann zur Entſcheidung gelangen werden, wenn durch die Beſeitigung des Preßverbrechens des Repreſſivſyſtems das Kri- minalrecht in die Lage kommt, ſich fachgemäß mit ihnen zu beſchäftigen, womit eben Glaſer einen ſo tüchtigen Anfang gemacht hat. Man

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/135>, abgerufen am 30.11.2024.