Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

In diesem einfachen Schematismus hat nun das Wesen der gei-
stigen freien Arbeit das historische Princip der Selbstverwaltung für
die Lehre als solche erhalten, und weiter ausgebildet. Diese Selbst-
verwaltung, deren Mutter die Universitäten sind, erscheint nämlich in
der Form der Lehrkörper, die zunächst für die Vorbildungs- und
Berufsbildungsanstalten (gelehrte Realschulen und Universitäten) das
Recht der Selbstverwaltung für Lehre und Erziehung, soweit beide
in der Anstalt selbst sich erfüllen, behalten haben. Von diesen ist der-
derselbe Gedanke auch in das Volksbildungswesen übergegangen, in-
dem hier die Function des Lehrkörpers einem, aus der Vertretung
der Gemeinde, der Geistlichkeit und den Volkslehrern selbst gebildeten
Verwaltungskörper der örtlichen Volksbildung über-
tragen wird. Die vollständige Organisation ist daher erst mit diesen
drei Elementen gegeben; aber nur Deutschland hat dieß vollständig
auszubilden vermocht.

So ist schon der Organismus des geistigen Lebens auch von Seiten
seiner Verwaltung kein einfacher; es gilt hier vielmehr dieselbe Er-
scheinung, welcher wir in den meisten Gebieten der staatsbürgerlichen
Organisation begegnen, daß nämlich die amtliche Function sich mit der
der Selbstverwaltung und des Vereinswesens verschmilzt, und so
ein zum Theil sehr ausgearbeitetes und mannichfach verschiedenes System
der anerkannten Organe und ihrer Competenzen erzeugt. Jedoch kann
man alle bestehenden Formen leicht auf die obigen Elemente zurück-
führen und in sie auflösen.

XIV. Während auf diese Weise das Unterrichtsministerium die
eigentlich produktive Thätigkeit für die geistigen Güter zum Inhalt hat,
greifen noch zwei andere Ministerien mit in dasselbe hinein. Das erste
ist das Ministerium des Innern, das in der Kulturpolizei die Sicher-
heit
des öffentlichen geistigen Lebens vertritt, und das Justiz-
ministerium, das über die Presse, als Element der allgemeinen Bildung,
richterliche Urtheile fällt. Die Scheidung beider vom Unterrichtsmini-
sterium aber entwickelt sich erst langsam, und für jeden Theil in be-
sonderer Weise. Im Ganzen ist das Unterrichtsministerium in organi-
schem Zusammenwirken mit der Selbstverwaltung der Organismus der
geistigen Verwaltung in der staatsbürgerlichen Gesellschaft. -- Dieß
nun sind die wesentlichen Grundzüge der Geschichte des Bildungswesens
in den germanischen Staaten. Innerhalb derselben treten aber auch
hier die drei großen Kulturvölker mit ihrem eigenthümlichen Charakter
und dem ihnen entsprechenden öffentlichen Bildungsrecht auf, als die
Grundtypen, auf welche man Geschichte und Gestalt des letzteren stets
zurückführen muß.

In dieſem einfachen Schematismus hat nun das Weſen der gei-
ſtigen freien Arbeit das hiſtoriſche Princip der Selbſtverwaltung für
die Lehre als ſolche erhalten, und weiter ausgebildet. Dieſe Selbſt-
verwaltung, deren Mutter die Univerſitäten ſind, erſcheint nämlich in
der Form der Lehrkörper, die zunächſt für die Vorbildungs- und
Berufsbildungsanſtalten (gelehrte Realſchulen und Univerſitäten) das
Recht der Selbſtverwaltung für Lehre und Erziehung, ſoweit beide
in der Anſtalt ſelbſt ſich erfüllen, behalten haben. Von dieſen iſt der-
derſelbe Gedanke auch in das Volksbildungsweſen übergegangen, in-
dem hier die Function des Lehrkörpers einem, aus der Vertretung
der Gemeinde, der Geiſtlichkeit und den Volkslehrern ſelbſt gebildeten
Verwaltungskörper der örtlichen Volksbildung über-
tragen wird. Die vollſtändige Organiſation iſt daher erſt mit dieſen
drei Elementen gegeben; aber nur Deutſchland hat dieß vollſtändig
auszubilden vermocht.

So iſt ſchon der Organismus des geiſtigen Lebens auch von Seiten
ſeiner Verwaltung kein einfacher; es gilt hier vielmehr dieſelbe Er-
ſcheinung, welcher wir in den meiſten Gebieten der ſtaatsbürgerlichen
Organiſation begegnen, daß nämlich die amtliche Function ſich mit der
der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens verſchmilzt, und ſo
ein zum Theil ſehr ausgearbeitetes und mannichfach verſchiedenes Syſtem
der anerkannten Organe und ihrer Competenzen erzeugt. Jedoch kann
man alle beſtehenden Formen leicht auf die obigen Elemente zurück-
führen und in ſie auflöſen.

XIV. Während auf dieſe Weiſe das Unterrichtsminiſterium die
eigentlich produktive Thätigkeit für die geiſtigen Güter zum Inhalt hat,
greifen noch zwei andere Miniſterien mit in daſſelbe hinein. Das erſte
iſt das Miniſterium des Innern, das in der Kulturpolizei die Sicher-
heit
des öffentlichen geiſtigen Lebens vertritt, und das Juſtiz-
miniſterium, das über die Preſſe, als Element der allgemeinen Bildung,
richterliche Urtheile fällt. Die Scheidung beider vom Unterrichtsmini-
ſterium aber entwickelt ſich erſt langſam, und für jeden Theil in be-
ſonderer Weiſe. Im Ganzen iſt das Unterrichtsminiſterium in organi-
ſchem Zuſammenwirken mit der Selbſtverwaltung der Organismus der
geiſtigen Verwaltung in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. — Dieß
nun ſind die weſentlichen Grundzüge der Geſchichte des Bildungsweſens
in den germaniſchen Staaten. Innerhalb derſelben treten aber auch
hier die drei großen Kulturvölker mit ihrem eigenthümlichen Charakter
und dem ihnen entſprechenden öffentlichen Bildungsrecht auf, als die
Grundtypen, auf welche man Geſchichte und Geſtalt des letzteren ſtets
zurückführen muß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0066" n="38"/>
                <p>In die&#x017F;em einfachen Schematismus hat nun das We&#x017F;en der gei-<lb/>
&#x017F;tigen freien Arbeit das hi&#x017F;tori&#x017F;che Princip der Selb&#x017F;tverwaltung für<lb/>
die <hi rendition="#g">Lehre als &#x017F;olche</hi> erhalten, und weiter ausgebildet. Die&#x017F;e Selb&#x017F;t-<lb/>
verwaltung, deren Mutter die Univer&#x017F;itäten &#x017F;ind, er&#x017F;cheint nämlich in<lb/>
der Form der <hi rendition="#g">Lehrkörper</hi>, die zunäch&#x017F;t für die Vorbildungs- und<lb/>
Berufsbildungsan&#x017F;talten (gelehrte Real&#x017F;chulen und Univer&#x017F;itäten) das<lb/>
Recht der Selb&#x017F;tverwaltung für Lehre und Erziehung, <hi rendition="#g">&#x017F;oweit</hi> beide<lb/>
in der An&#x017F;talt &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich erfüllen, behalten haben. Von die&#x017F;en i&#x017F;t der-<lb/>
der&#x017F;elbe Gedanke auch in das Volksbildungswe&#x017F;en übergegangen, in-<lb/>
dem hier die Function des Lehrkörpers einem, aus der Vertretung<lb/>
der Gemeinde, der Gei&#x017F;tlichkeit und den Volkslehrern &#x017F;elb&#x017F;t gebildeten<lb/><hi rendition="#g">Verwaltungskörper der örtlichen Volksbildung</hi> über-<lb/>
tragen wird. Die voll&#x017F;tändige Organi&#x017F;ation i&#x017F;t daher er&#x017F;t mit die&#x017F;en<lb/><hi rendition="#g">drei</hi> Elementen gegeben; aber nur Deut&#x017F;chland hat dieß voll&#x017F;tändig<lb/>
auszubilden vermocht.</p><lb/>
                <p>So i&#x017F;t &#x017F;chon der Organismus des gei&#x017F;tigen Lebens auch von Seiten<lb/>
&#x017F;einer Verwaltung kein einfacher; es gilt hier vielmehr die&#x017F;elbe Er-<lb/>
&#x017F;cheinung, welcher wir in den mei&#x017F;ten Gebieten der &#x017F;taatsbürgerlichen<lb/>
Organi&#x017F;ation begegnen, daß nämlich die amtliche Function &#x017F;ich mit der<lb/>
der Selb&#x017F;tverwaltung und des Vereinswe&#x017F;ens <hi rendition="#g">ver&#x017F;chmilzt</hi>, und &#x017F;o<lb/>
ein zum Theil &#x017F;ehr ausgearbeitetes und mannichfach ver&#x017F;chiedenes Sy&#x017F;tem<lb/>
der anerkannten Organe und ihrer Competenzen erzeugt. Jedoch kann<lb/>
man alle be&#x017F;tehenden Formen leicht auf die obigen Elemente zurück-<lb/>
führen und in &#x017F;ie auflö&#x017F;en.</p><lb/>
                <p><hi rendition="#aq">XIV.</hi> Während auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e das Unterrichtsmini&#x017F;terium die<lb/>
eigentlich produktive Thätigkeit für die gei&#x017F;tigen Güter zum Inhalt hat,<lb/>
greifen noch zwei andere Mini&#x017F;terien mit in da&#x017F;&#x017F;elbe hinein. Das er&#x017F;te<lb/>
i&#x017F;t das Mini&#x017F;terium des <hi rendition="#g">Innern</hi>, das in der Kulturpolizei die <hi rendition="#g">Sicher-<lb/>
heit</hi> des öffentlichen gei&#x017F;tigen Lebens vertritt, und das <hi rendition="#g">Ju&#x017F;tiz</hi>-<lb/>
mini&#x017F;terium, das über die Pre&#x017F;&#x017F;e, als Element der allgemeinen Bildung,<lb/>
richterliche Urtheile fällt. Die Scheidung beider vom Unterrichtsmini-<lb/>
&#x017F;terium aber entwickelt &#x017F;ich er&#x017F;t lang&#x017F;am, und für jeden Theil in be-<lb/>
&#x017F;onderer Wei&#x017F;e. Im Ganzen i&#x017F;t das Unterrichtsmini&#x017F;terium in organi-<lb/>
&#x017F;chem Zu&#x017F;ammenwirken mit der Selb&#x017F;tverwaltung der Organismus der<lb/>
gei&#x017F;tigen Verwaltung in der &#x017F;taatsbürgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. &#x2014; Dieß<lb/>
nun &#x017F;ind die we&#x017F;entlichen Grundzüge der Ge&#x017F;chichte des Bildungswe&#x017F;ens<lb/>
in den germani&#x017F;chen Staaten. Innerhalb der&#x017F;elben treten aber auch<lb/>
hier die drei großen Kulturvölker mit ihrem eigenthümlichen Charakter<lb/>
und dem ihnen ent&#x017F;prechenden öffentlichen Bildungsrecht auf, als die<lb/>
Grundtypen, auf welche man Ge&#x017F;chichte und Ge&#x017F;talt des letzteren &#x017F;tets<lb/>
zurückführen muß.</p>
              </div>
            </div><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0066] In dieſem einfachen Schematismus hat nun das Weſen der gei- ſtigen freien Arbeit das hiſtoriſche Princip der Selbſtverwaltung für die Lehre als ſolche erhalten, und weiter ausgebildet. Dieſe Selbſt- verwaltung, deren Mutter die Univerſitäten ſind, erſcheint nämlich in der Form der Lehrkörper, die zunächſt für die Vorbildungs- und Berufsbildungsanſtalten (gelehrte Realſchulen und Univerſitäten) das Recht der Selbſtverwaltung für Lehre und Erziehung, ſoweit beide in der Anſtalt ſelbſt ſich erfüllen, behalten haben. Von dieſen iſt der- derſelbe Gedanke auch in das Volksbildungsweſen übergegangen, in- dem hier die Function des Lehrkörpers einem, aus der Vertretung der Gemeinde, der Geiſtlichkeit und den Volkslehrern ſelbſt gebildeten Verwaltungskörper der örtlichen Volksbildung über- tragen wird. Die vollſtändige Organiſation iſt daher erſt mit dieſen drei Elementen gegeben; aber nur Deutſchland hat dieß vollſtändig auszubilden vermocht. So iſt ſchon der Organismus des geiſtigen Lebens auch von Seiten ſeiner Verwaltung kein einfacher; es gilt hier vielmehr dieſelbe Er- ſcheinung, welcher wir in den meiſten Gebieten der ſtaatsbürgerlichen Organiſation begegnen, daß nämlich die amtliche Function ſich mit der der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens verſchmilzt, und ſo ein zum Theil ſehr ausgearbeitetes und mannichfach verſchiedenes Syſtem der anerkannten Organe und ihrer Competenzen erzeugt. Jedoch kann man alle beſtehenden Formen leicht auf die obigen Elemente zurück- führen und in ſie auflöſen. XIV. Während auf dieſe Weiſe das Unterrichtsminiſterium die eigentlich produktive Thätigkeit für die geiſtigen Güter zum Inhalt hat, greifen noch zwei andere Miniſterien mit in daſſelbe hinein. Das erſte iſt das Miniſterium des Innern, das in der Kulturpolizei die Sicher- heit des öffentlichen geiſtigen Lebens vertritt, und das Juſtiz- miniſterium, das über die Preſſe, als Element der allgemeinen Bildung, richterliche Urtheile fällt. Die Scheidung beider vom Unterrichtsmini- ſterium aber entwickelt ſich erſt langſam, und für jeden Theil in be- ſonderer Weiſe. Im Ganzen iſt das Unterrichtsminiſterium in organi- ſchem Zuſammenwirken mit der Selbſtverwaltung der Organismus der geiſtigen Verwaltung in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. — Dieß nun ſind die weſentlichen Grundzüge der Geſchichte des Bildungsweſens in den germaniſchen Staaten. Innerhalb derſelben treten aber auch hier die drei großen Kulturvölker mit ihrem eigenthümlichen Charakter und dem ihnen entſprechenden öffentlichen Bildungsrecht auf, als die Grundtypen, auf welche man Geſchichte und Geſtalt des letzteren ſtets zurückführen muß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/66
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/66>, abgerufen am 25.11.2024.