eingreift. Und die öffentlich geltenden Bestimmungen über die Form, den Inhalt und die Gränze dieses Eingreifens der Staatsgewalt in das geistige Leben des Einzelnen und des Ganzen, wie dieselben durch den Gesammtwillen in Gesetz und Verordnung bestimmt werden, bilden das öffentliche Recht des Bildungswesens, oder das Verwaltungs- recht des geistigen Lebens eines Volkes.
Auf der Grundlage dieses Begriffes ergibt sich nun die Darstellung seines Inhalts von selbst. Das Princip und System des öffentlichen Bildungswesens folgt nämlich aus dem Wesen des Staats, das positive Recht dagegen beruht auf dem gesammten inneren Rechtsleben der ein- zelnen Staaten, und erscheint zuerst als historische Entwicklung im Allgemeinen, dann aber in seiner gegenwärtigen concreten Gestalt als das Bildungswesen der einzelnen großen Staaten Europas. Erst wenn diese Grundlagen feststehen, kann der besondere Theil zu dem Bildungswesen und der Kunst der einzelnen Bildungsformen übergehen.
II. Princip und System des öffentlichen Bildungsrechts.
Der Begriff und Inhalt des öffentlichen Bildungswesens entsteht, wie gesagt, indem die Gesammtheit dessen, was für die Bildung des Volkes geschieht, als ein nothwendiger organischer Theil, als Aufgabe der Gemeinschaft gegen die Einzelnen, oder als ein organisches Gebiet der Verwaltung anerkannt wird. Seinem formellen Begriffe nach um- faßt es die Gesammtheit der öffentlich rechtlichen Bestim- mungen und Thätigkeiten, welche sich auf den Bildungsproceß in seinem ganzen Umfange beziehen. Seinem Umfange nach besteht es theils aus Gesetzen und Verordnungen, theils aus selbständigen An- stalten, theils aus speziellen Funktionen der Verwaltung. Seinem In- halte nach schließt es sich naturgemäß an das, im Wesen des Bildungs- processes liegende System desselben, theils dasselbe im Ganzen organisch verbindend, theils es im Einzelnen ausfüllend, fördernd und erhebend. Seinem Wesen nach aber ist und bezeichnet es das, als Gesetz und Verwaltung des Staats ausgedrückte Bewußtsein des Volkes als Ganzen von dem Werthe des geistigen Lebens und seiner Funktion im menschlichen Gesammtleben, während derjenige Theil des Bildungs- processes, der durch die Einzelnen sich vollzieht, nur das individuelle Bewußtsein von diesem Werthe ausdrückt.
Diese Aufgabe des Staats, welche auf diese Weise die Gesammt- heit des geistigen Lebens und seines Werdens umfaßt, fordert für ihre unendlich vielseitige und an sich fast unbegränzte Erfüllung eine Ein- heit in Auffassung und Durchführung, welche die erste und allgemeinste
eingreift. Und die öffentlich geltenden Beſtimmungen über die Form, den Inhalt und die Gränze dieſes Eingreifens der Staatsgewalt in das geiſtige Leben des Einzelnen und des Ganzen, wie dieſelben durch den Geſammtwillen in Geſetz und Verordnung beſtimmt werden, bilden das öffentliche Recht des Bildungsweſens, oder das Verwaltungs- recht des geiſtigen Lebens eines Volkes.
Auf der Grundlage dieſes Begriffes ergibt ſich nun die Darſtellung ſeines Inhalts von ſelbſt. Das Princip und Syſtem des öffentlichen Bildungsweſens folgt nämlich aus dem Weſen des Staats, das poſitive Recht dagegen beruht auf dem geſammten inneren Rechtsleben der ein- zelnen Staaten, und erſcheint zuerſt als hiſtoriſche Entwicklung im Allgemeinen, dann aber in ſeiner gegenwärtigen concreten Geſtalt als das Bildungsweſen der einzelnen großen Staaten Europas. Erſt wenn dieſe Grundlagen feſtſtehen, kann der beſondere Theil zu dem Bildungsweſen und der Kunſt der einzelnen Bildungsformen übergehen.
II. Princip und Syſtem des öffentlichen Bildungsrechts.
Der Begriff und Inhalt des öffentlichen Bildungsweſens entſteht, wie geſagt, indem die Geſammtheit deſſen, was für die Bildung des Volkes geſchieht, als ein nothwendiger organiſcher Theil, als Aufgabe der Gemeinſchaft gegen die Einzelnen, oder als ein organiſches Gebiet der Verwaltung anerkannt wird. Seinem formellen Begriffe nach um- faßt es die Geſammtheit der öffentlich rechtlichen Beſtim- mungen und Thätigkeiten, welche ſich auf den Bildungsproceß in ſeinem ganzen Umfange beziehen. Seinem Umfange nach beſteht es theils aus Geſetzen und Verordnungen, theils aus ſelbſtändigen An- ſtalten, theils aus ſpeziellen Funktionen der Verwaltung. Seinem In- halte nach ſchließt es ſich naturgemäß an das, im Weſen des Bildungs- proceſſes liegende Syſtem deſſelben, theils daſſelbe im Ganzen organiſch verbindend, theils es im Einzelnen ausfüllend, fördernd und erhebend. Seinem Weſen nach aber iſt und bezeichnet es das, als Geſetz und Verwaltung des Staats ausgedrückte Bewußtſein des Volkes als Ganzen von dem Werthe des geiſtigen Lebens und ſeiner Funktion im menſchlichen Geſammtleben, während derjenige Theil des Bildungs- proceſſes, der durch die Einzelnen ſich vollzieht, nur das individuelle Bewußtſein von dieſem Werthe ausdrückt.
Dieſe Aufgabe des Staats, welche auf dieſe Weiſe die Geſammt- heit des geiſtigen Lebens und ſeines Werdens umfaßt, fordert für ihre unendlich vielſeitige und an ſich faſt unbegränzte Erfüllung eine Ein- heit in Auffaſſung und Durchführung, welche die erſte und allgemeinſte
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[13/0041]
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geiſtige Leben des Einzelnen und des Ganzen, wie dieſelben durch den
Geſammtwillen in Geſetz und Verordnung beſtimmt werden, bilden das
öffentliche Recht des Bildungsweſens, oder das Verwaltungs-
recht des geiſtigen Lebens eines Volkes.
Auf der Grundlage dieſes Begriffes ergibt ſich nun die Darſtellung
ſeines Inhalts von ſelbſt. Das Princip und Syſtem des öffentlichen
Bildungsweſens folgt nämlich aus dem Weſen des Staats, das poſitive
Recht dagegen beruht auf dem geſammten inneren Rechtsleben der ein-
zelnen Staaten, und erſcheint zuerſt als hiſtoriſche Entwicklung im
Allgemeinen, dann aber in ſeiner gegenwärtigen concreten Geſtalt als
das Bildungsweſen der einzelnen großen Staaten Europas. Erſt
wenn dieſe Grundlagen feſtſtehen, kann der beſondere Theil zu dem
Bildungsweſen und der Kunſt der einzelnen Bildungsformen übergehen.
II. Princip und Syſtem des öffentlichen Bildungsrechts.
Der Begriff und Inhalt des öffentlichen Bildungsweſens entſteht,
wie geſagt, indem die Geſammtheit deſſen, was für die Bildung des
Volkes geſchieht, als ein nothwendiger organiſcher Theil, als Aufgabe
der Gemeinſchaft gegen die Einzelnen, oder als ein organiſches Gebiet
der Verwaltung anerkannt wird. Seinem formellen Begriffe nach um-
faßt es die Geſammtheit der öffentlich rechtlichen Beſtim-
mungen und Thätigkeiten, welche ſich auf den Bildungsproceß in
ſeinem ganzen Umfange beziehen. Seinem Umfange nach beſteht es
theils aus Geſetzen und Verordnungen, theils aus ſelbſtändigen An-
ſtalten, theils aus ſpeziellen Funktionen der Verwaltung. Seinem In-
halte nach ſchließt es ſich naturgemäß an das, im Weſen des Bildungs-
proceſſes liegende Syſtem deſſelben, theils daſſelbe im Ganzen organiſch
verbindend, theils es im Einzelnen ausfüllend, fördernd und erhebend.
Seinem Weſen nach aber iſt und bezeichnet es das, als Geſetz und
Verwaltung des Staats ausgedrückte Bewußtſein des Volkes als
Ganzen von dem Werthe des geiſtigen Lebens und ſeiner Funktion im
menſchlichen Geſammtleben, während derjenige Theil des Bildungs-
proceſſes, der durch die Einzelnen ſich vollzieht, nur das individuelle
Bewußtſein von dieſem Werthe ausdrückt.
Dieſe Aufgabe des Staats, welche auf dieſe Weiſe die Geſammt-
heit des geiſtigen Lebens und ſeines Werdens umfaßt, fordert für ihre
unendlich vielſeitige und an ſich faſt unbegränzte Erfüllung eine Ein-
heit in Auffaſſung und Durchführung, welche die erſte und allgemeinſte
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/41>, abgerufen am 03.03.2025.
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