wird, wie wir hoffen, sich dadurch in der Lage finden, auch ihrerseits wieder eine solche Gesammtauffassung für ihre Bestrebungen wieder zur Geltung zu bringen, um nicht bloß an Tiefe im Einzelnen, sondern auch an Beherrschung des Ganzen die frühere Literatur zu übertreffen. Vielleicht nun, daß diese Ansicht durch die strenge Unterscheidung des öffentlichen Rechts der Bildung von seinem Gegenstande, der Bildung selbst, die wir im Folgenden durchzuführen haben, seine nähere Be- gründung und Begränzung auf ihr richtiges Maß auch in den Augen pädagogischer Fachmänner finden dürfte.
II. Das öffentliche Bildungswesen.
I. Begriff des Bildungsrechts.
Indem wir nun das öffentliche Bildungswesen und sein Recht dem Bildungswesen an sich gegenüberstellen, oder das Verwaltungsrecht der Pädagogik und ihrem System, wird es nothwendig, dem ersteren sein eigenthümliches Gebiet, seinen Inhalt und sein Ziel in möglichst klarer Weise zu überweisen; denn nur durch diese Trennung ist eine selbständige Verwaltungslehre des Bildungswesens denkbar.
Zu dem Ende muß davon ausgegangen werden, daß wie gesagt das Bildungswesen nicht erst durch den Staat entsteht, sondern daß es sich auch ohne alles Zuthun desselben im Leben des Volkes von selber erzeugt. Denn das ist seine Natur, als ein organisches Element des Gesammtlebens, sich durch seine eigene Kraft Dasein und Geltung zu ver- schaffen. Das was wir das öffentliche Bildungswesen nennen, ent- steht deßhalb erst dadurch, daß der Staat zu dem Bildungswesen über- haupt hinzutritt, und die in seiner Natur liegenden Principien, Forderungen und Kräfte auf das Bildungswesen anwendet. Während daher das Bildungswesen an sich durch die Natur der Bildung sich er- klärt, wird das öffentliche Recht desselben nur durch das Wesen des Staats verständlich. Ohne den Begriff des letzteren kann man daher sehr wohl die Pädagogik und das Bildungswesen eines Volkes, wenn es sich von selbst erzeugt, nicht aber dasjenige kennen lernen, was wir die Verwaltung des geistigen Lebens nennen. Diese Ver- waltung des geistigen Lebens eines Volkes oder das öffentliche Bildungs- wesen ist demnach die in aller Verwaltung thätige Staatsidee, in sofern sie in das selbstthätige Bildungswesen des Volkes
wird, wie wir hoffen, ſich dadurch in der Lage finden, auch ihrerſeits wieder eine ſolche Geſammtauffaſſung für ihre Beſtrebungen wieder zur Geltung zu bringen, um nicht bloß an Tiefe im Einzelnen, ſondern auch an Beherrſchung des Ganzen die frühere Literatur zu übertreffen. Vielleicht nun, daß dieſe Anſicht durch die ſtrenge Unterſcheidung des öffentlichen Rechts der Bildung von ſeinem Gegenſtande, der Bildung ſelbſt, die wir im Folgenden durchzuführen haben, ſeine nähere Be- gründung und Begränzung auf ihr richtiges Maß auch in den Augen pädagogiſcher Fachmänner finden dürfte.
II. Das öffentliche Bildungsweſen.
I. Begriff des Bildungsrechts.
Indem wir nun das öffentliche Bildungsweſen und ſein Recht dem Bildungsweſen an ſich gegenüberſtellen, oder das Verwaltungsrecht der Pädagogik und ihrem Syſtem, wird es nothwendig, dem erſteren ſein eigenthümliches Gebiet, ſeinen Inhalt und ſein Ziel in möglichſt klarer Weiſe zu überweiſen; denn nur durch dieſe Trennung iſt eine ſelbſtändige Verwaltungslehre des Bildungsweſens denkbar.
Zu dem Ende muß davon ausgegangen werden, daß wie geſagt das Bildungsweſen nicht erſt durch den Staat entſteht, ſondern daß es ſich auch ohne alles Zuthun deſſelben im Leben des Volkes von ſelber erzeugt. Denn das iſt ſeine Natur, als ein organiſches Element des Geſammtlebens, ſich durch ſeine eigene Kraft Daſein und Geltung zu ver- ſchaffen. Das was wir das öffentliche Bildungsweſen nennen, ent- ſteht deßhalb erſt dadurch, daß der Staat zu dem Bildungsweſen über- haupt hinzutritt, und die in ſeiner Natur liegenden Principien, Forderungen und Kräfte auf das Bildungsweſen anwendet. Während daher das Bildungsweſen an ſich durch die Natur der Bildung ſich er- klärt, wird das öffentliche Recht deſſelben nur durch das Weſen des Staats verſtändlich. Ohne den Begriff des letzteren kann man daher ſehr wohl die Pädagogik und das Bildungsweſen eines Volkes, wenn es ſich von ſelbſt erzeugt, nicht aber dasjenige kennen lernen, was wir die Verwaltung des geiſtigen Lebens nennen. Dieſe Ver- waltung des geiſtigen Lebens eines Volkes oder das öffentliche Bildungs- weſen iſt demnach die in aller Verwaltung thätige Staatsidee, in ſofern ſie in das ſelbſtthätige Bildungsweſen des Volkes
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wird, wie wir hoffen, ſich dadurch in der Lage finden, auch ihrerſeits
wieder eine ſolche Geſammtauffaſſung für ihre Beſtrebungen wieder
zur Geltung zu bringen, um nicht bloß an Tiefe im Einzelnen, ſondern
auch an Beherrſchung des Ganzen die frühere Literatur zu übertreffen.
Vielleicht nun, daß dieſe Anſicht durch die ſtrenge Unterſcheidung des
öffentlichen Rechts der Bildung von ſeinem Gegenſtande, der Bildung
ſelbſt, die wir im Folgenden durchzuführen haben, ſeine nähere Be-
gründung und Begränzung auf ihr richtiges Maß auch in den Augen
pädagogiſcher Fachmänner finden dürfte.
II.
Das öffentliche Bildungsweſen.
I. Begriff des Bildungsrechts.
Indem wir nun das öffentliche Bildungsweſen und ſein Recht
dem Bildungsweſen an ſich gegenüberſtellen, oder das Verwaltungsrecht
der Pädagogik und ihrem Syſtem, wird es nothwendig, dem erſteren ſein
eigenthümliches Gebiet, ſeinen Inhalt und ſein Ziel in möglichſt klarer
Weiſe zu überweiſen; denn nur durch dieſe Trennung iſt eine ſelbſtändige
Verwaltungslehre des Bildungsweſens denkbar.
Zu dem Ende muß davon ausgegangen werden, daß wie geſagt
das Bildungsweſen nicht erſt durch den Staat entſteht, ſondern daß es
ſich auch ohne alles Zuthun deſſelben im Leben des Volkes von ſelber
erzeugt. Denn das iſt ſeine Natur, als ein organiſches Element des
Geſammtlebens, ſich durch ſeine eigene Kraft Daſein und Geltung zu ver-
ſchaffen. Das was wir das öffentliche Bildungsweſen nennen, ent-
ſteht deßhalb erſt dadurch, daß der Staat zu dem Bildungsweſen über-
haupt hinzutritt, und die in ſeiner Natur liegenden Principien,
Forderungen und Kräfte auf das Bildungsweſen anwendet. Während
daher das Bildungsweſen an ſich durch die Natur der Bildung ſich er-
klärt, wird das öffentliche Recht deſſelben nur durch das Weſen
des Staats verſtändlich. Ohne den Begriff des letzteren kann man
daher ſehr wohl die Pädagogik und das Bildungsweſen eines Volkes,
wenn es ſich von ſelbſt erzeugt, nicht aber dasjenige kennen lernen,
was wir die Verwaltung des geiſtigen Lebens nennen. Dieſe Ver-
waltung des geiſtigen Lebens eines Volkes oder das öffentliche Bildungs-
weſen iſt demnach die in aller Verwaltung thätige Staatsidee, in
ſofern ſie in das ſelbſtthätige Bildungsweſen des Volkes
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/40>, abgerufen am 03.03.2025.
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