Neben diesem Begriff der Bildung und seinem Inhalt ist jedoch der des Bildungswesens ein specifischer, von jenem nothwendig zu trennen- der, wenn man überhaupt zu einem Begriffe und Bilde der Verwaltung der geistigen Welt gelangen will.
Das Bildungswesen beruht nämlich zunächst darauf, daß jede Bildung eines Einzelnen stets das Ergebniß der bildenden Arbeit aller andern ist. Daß niemand ganz die Quelle und der Urheber seiner Bildung ist und sein kann, steht fest. Allein der Proceß, durch welchen die Gemeinschaft diese Bildung des Einzelnen erzeugt, ist nun eben da- durch kein einfacher und gleichartiger, daß die Bildung selbst in den oben bezeichneten drei Grundformen auftritt. Jede dieser Grundformen hat ihre Bedingungen, ihre Gesetze, ihren Inhalt und ihren Zweck. Jede derselben fordert daher auch ihre specifische Arbeit. Wie der Be- griff der Bildung, so theilt sich mithin auch der Proceß, durch den sie erworben wird, in seine selbständigen Gebiete; jedes dieser Gebiete sucht und findet die Kräfte, welche die in ihm liegenden Aufgaben zu lösen im Stande und bereit ist; und die damit gegebene Gestalt der bildenden Thätigkeit, in der auf diese Weise das große Gesetz der Theilung der Arbeit auch hier zur Geltung gelangt, nennen wir das Bildungswesen.
Im Anfange aller Geschichte werden nun allerdings stets jene Ge- biete so eng zusammenfallen, daß man sie äußerlich gar nicht zu trennen vermag. Mit der fortschreitenden Gesittung jedoch scheiden sie sich. In- dem sie sich scheiden, wird jede einzelne ihrer Aufgaben so bedeutsam, daß sie allmählig eigene Organe erzeugt und fordert, welche den Bildungs- proceß ihres eigenthümlichen Gebietes zu ihrer besondern Aufgabe machen. So entsteht das, was wir das System des Bildungswesens nennen. Dieß System des Bildungswesens ist seinerseits der Ausdruck und das Ziel der Gesittung. Dasselbe wird nicht etwa erst vom Staate gesetzt und gebildet, sondern es erzeugt sich vielmehr durch die inwohnende Kraft des geistigen Lebens und seiner Bedürfnisse wie die obigen elementaren Grundbegriffe, durch das Wesen der Bildung selbst. Es ist nicht so sehr das Erzeugniß, sondern vielmehr das sich selbst erzeugende Object der Ver- waltung der geistigen Welt. Erst an ihm wird das, was der Staat seiner- seits für die Bildung leistet, gleichsam sein Maß erhalten. Denn alle Höhe des wirklichen Bildungswesens wird sich stets bestimmen nach dem Grade, in welchem die wirkliche Bildungsthätigkeit einer Zeit und eines Volkes alle diese verschiedenen Formen zur Entwicklung gebracht hat.
III. Das Bildungsweſen und ſein Syſtem.
Neben dieſem Begriff der Bildung und ſeinem Inhalt iſt jedoch der des Bildungsweſens ein ſpecifiſcher, von jenem nothwendig zu trennen- der, wenn man überhaupt zu einem Begriffe und Bilde der Verwaltung der geiſtigen Welt gelangen will.
Das Bildungsweſen beruht nämlich zunächſt darauf, daß jede Bildung eines Einzelnen ſtets das Ergebniß der bildenden Arbeit aller andern iſt. Daß niemand ganz die Quelle und der Urheber ſeiner Bildung iſt und ſein kann, ſteht feſt. Allein der Proceß, durch welchen die Gemeinſchaft dieſe Bildung des Einzelnen erzeugt, iſt nun eben da- durch kein einfacher und gleichartiger, daß die Bildung ſelbſt in den oben bezeichneten drei Grundformen auftritt. Jede dieſer Grundformen hat ihre Bedingungen, ihre Geſetze, ihren Inhalt und ihren Zweck. Jede derſelben fordert daher auch ihre ſpecifiſche Arbeit. Wie der Be- griff der Bildung, ſo theilt ſich mithin auch der Proceß, durch den ſie erworben wird, in ſeine ſelbſtändigen Gebiete; jedes dieſer Gebiete ſucht und findet die Kräfte, welche die in ihm liegenden Aufgaben zu löſen im Stande und bereit iſt; und die damit gegebene Geſtalt der bildenden Thätigkeit, in der auf dieſe Weiſe das große Geſetz der Theilung der Arbeit auch hier zur Geltung gelangt, nennen wir das Bildungsweſen.
Im Anfange aller Geſchichte werden nun allerdings ſtets jene Ge- biete ſo eng zuſammenfallen, daß man ſie äußerlich gar nicht zu trennen vermag. Mit der fortſchreitenden Geſittung jedoch ſcheiden ſie ſich. In- dem ſie ſich ſcheiden, wird jede einzelne ihrer Aufgaben ſo bedeutſam, daß ſie allmählig eigene Organe erzeugt und fordert, welche den Bildungs- proceß ihres eigenthümlichen Gebietes zu ihrer beſondern Aufgabe machen. So entſteht das, was wir das Syſtem des Bildungsweſens nennen. Dieß Syſtem des Bildungsweſens iſt ſeinerſeits der Ausdruck und das Ziel der Geſittung. Daſſelbe wird nicht etwa erſt vom Staate geſetzt und gebildet, ſondern es erzeugt ſich vielmehr durch die inwohnende Kraft des geiſtigen Lebens und ſeiner Bedürfniſſe wie die obigen elementaren Grundbegriffe, durch das Weſen der Bildung ſelbſt. Es iſt nicht ſo ſehr das Erzeugniß, ſondern vielmehr das ſich ſelbſt erzeugende Object der Ver- waltung der geiſtigen Welt. Erſt an ihm wird das, was der Staat ſeiner- ſeits für die Bildung leiſtet, gleichſam ſein Maß erhalten. Denn alle Höhe des wirklichen Bildungsweſens wird ſich ſtets beſtimmen nach dem Grade, in welchem die wirkliche Bildungsthätigkeit einer Zeit und eines Volkes alle dieſe verſchiedenen Formen zur Entwicklung gebracht hat.
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III. Das Bildungsweſen und ſein Syſtem.
Neben dieſem Begriff der Bildung und ſeinem Inhalt iſt jedoch der
des Bildungsweſens ein ſpecifiſcher, von jenem nothwendig zu trennen-
der, wenn man überhaupt zu einem Begriffe und Bilde der Verwaltung
der geiſtigen Welt gelangen will.
Das Bildungsweſen beruht nämlich zunächſt darauf, daß jede
Bildung eines Einzelnen ſtets das Ergebniß der bildenden Arbeit aller
andern iſt. Daß niemand ganz die Quelle und der Urheber ſeiner
Bildung iſt und ſein kann, ſteht feſt. Allein der Proceß, durch welchen
die Gemeinſchaft dieſe Bildung des Einzelnen erzeugt, iſt nun eben da-
durch kein einfacher und gleichartiger, daß die Bildung ſelbſt in den
oben bezeichneten drei Grundformen auftritt. Jede dieſer Grundformen
hat ihre Bedingungen, ihre Geſetze, ihren Inhalt und ihren Zweck.
Jede derſelben fordert daher auch ihre ſpecifiſche Arbeit. Wie der Be-
griff der Bildung, ſo theilt ſich mithin auch der Proceß, durch den ſie
erworben wird, in ſeine ſelbſtändigen Gebiete; jedes dieſer Gebiete
ſucht und findet die Kräfte, welche die in ihm liegenden Aufgaben zu
löſen im Stande und bereit iſt; und die damit gegebene Geſtalt der
bildenden Thätigkeit, in der auf dieſe Weiſe das große Geſetz der
Theilung der Arbeit auch hier zur Geltung gelangt, nennen wir das
Bildungsweſen.
Im Anfange aller Geſchichte werden nun allerdings ſtets jene Ge-
biete ſo eng zuſammenfallen, daß man ſie äußerlich gar nicht zu trennen
vermag. Mit der fortſchreitenden Geſittung jedoch ſcheiden ſie ſich. In-
dem ſie ſich ſcheiden, wird jede einzelne ihrer Aufgaben ſo bedeutſam,
daß ſie allmählig eigene Organe erzeugt und fordert, welche den Bildungs-
proceß ihres eigenthümlichen Gebietes zu ihrer beſondern Aufgabe machen.
So entſteht das, was wir das Syſtem des Bildungsweſens nennen.
Dieß Syſtem des Bildungsweſens iſt ſeinerſeits der Ausdruck und das
Ziel der Geſittung. Daſſelbe wird nicht etwa erſt vom Staate geſetzt und
gebildet, ſondern es erzeugt ſich vielmehr durch die inwohnende Kraft
des geiſtigen Lebens und ſeiner Bedürfniſſe wie die obigen elementaren
Grundbegriffe, durch das Weſen der Bildung ſelbſt. Es iſt nicht ſo ſehr
das Erzeugniß, ſondern vielmehr das ſich ſelbſt erzeugende Object der Ver-
waltung der geiſtigen Welt. Erſt an ihm wird das, was der Staat ſeiner-
ſeits für die Bildung leiſtet, gleichſam ſein Maß erhalten. Denn alle
Höhe des wirklichen Bildungsweſens wird ſich ſtets beſtimmen nach dem
Grade, in welchem die wirkliche Bildungsthätigkeit einer Zeit und eines
Volkes alle dieſe verſchiedenen Formen zur Entwicklung gebracht hat.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/36>, abgerufen am 03.03.2025.
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