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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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strengsten Staatsaufsicht, ist wie das Lyceum selbst ein Pensionat
mit bourses, aber genügt auch der Zahl nach nicht. Es besteht in
der That nur Eine Anstalt, und zwar in Paris. Ueber die höchst
mangelhafte Lehrerbildung, namentlich Bücheler S. 477 ff. Am
entscheidendsten ist doch wohl, daß zwischen der Lehrerbildung für die
classische (lettres) und realistische (sciences) Abtheilung gar kein Unter-
schied besteht. Erst 1847 ward eine Professur für die Pädagogik
gegründet. Daher besteht das zweite System in der Agregation
(Supplirung der ordentlichen Lehrer). Das ursprüngliche Princip der-
selben war, daß die Suppleanten-Stellen (agreges) durch öffentlichen
Concurs erworben werden konnten, so daß die Vorbildung in der
Ecole normale nicht nothwendig war (Decret vom 17. März 1808).
Durch Verordnung vom 10. April 1852 dagegen einfache Besetzung
durch die Behörde nach vorläufiger Prüfung, die sich jetzt streng an
die Fächer hält, in welchen der Agrege bestellt wird. Die Agrega-
tion
hat dadurch ihren Charakter der wissenschaftlichen Freiheit ver-
loren, welche sie bisher zu einem der wichtigsten Faktoren der Vorbil-
dung machte, um so mehr, als die Verordnung vom 17. August 1853
das Institut der maeitres correpetiteurs eingeführt hat, den englischen
tutors nachgebildet, nur mit dem Unterschiede, daß die erstern die
persönlichen Wächter der einzelnen Zöglinge sind, in und außerhalb
der Lehre, mit amtlicher Stellung, Gehalt und Ernennung durch den
Unterrichtsminister. Da sie zuletzt die Zurichtung der Zöglinge für die
Prüfungen haben, und nebenbei vom Proviseur jeden Augenblick
suspendirt werden können, so ist damit das System der völligen
Abhängigkeit der geistigen Bildung in den Lyceen recht vollständig.
Die Stellung der Lehrer selbst ist mithin die eines ganz gewöhnlichen
Beamteten, mit festem Gehalt und einer Tantieme an den Pensionats-
geldern; seit 1852 Verbot, Pensionäre bei sich zu haben.

5) Prüfungssystem. Vielfache Abänderungen eben durch die
allmählige Einführung des Bifurcationssystems. Grundlage ist die Ueber-
gangsprüfung für die Divisions- und die doppelte Maturitätsprüfung,
je mit einer Prüfungscommission für die lettres und für die sciences.
Doch ist die Innehaltung des Curses nicht obligatorisch. Das Zeug-
niß ist ein baccalaureat es lettres und ein baccalaureat es sciences.
Bücheler a. a. O. S. 470. Etwas anders bei Jourdain a. a. O.
S. 37--47. Uebrigens ist das maßgebende Gesetz die Instruction
generale
vom 15. November 1854.

II. Colleges communaux. Die Colleges communaux sind im
französischen Bildungssystem eine nicht uninteressante Erscheinung. Sie
beruhen zunächst darauf, daß der Staat sich nicht für fähig erkannte,

ſtrengſten Staatsaufſicht, iſt wie das Lyceum ſelbſt ein Penſionat
mit bourses, aber genügt auch der Zahl nach nicht. Es beſteht in
der That nur Eine Anſtalt, und zwar in Paris. Ueber die höchſt
mangelhafte Lehrerbildung, namentlich Bücheler S. 477 ff. Am
entſcheidendſten iſt doch wohl, daß zwiſchen der Lehrerbildung für die
claſſiſche (lettres) und realiſtiſche (sciences) Abtheilung gar kein Unter-
ſchied beſteht. Erſt 1847 ward eine Profeſſur für die Pädagogik
gegründet. Daher beſteht das zweite Syſtem in der Agrégation
(Supplirung der ordentlichen Lehrer). Das urſprüngliche Princip der-
ſelben war, daß die Suppleanten-Stellen (agrégés) durch öffentlichen
Concurs erworben werden konnten, ſo daß die Vorbildung in der
École normale nicht nothwendig war (Decret vom 17. März 1808).
Durch Verordnung vom 10. April 1852 dagegen einfache Beſetzung
durch die Behörde nach vorläufiger Prüfung, die ſich jetzt ſtreng an
die Fächer hält, in welchen der Agrégé beſtellt wird. Die Agréga-
tion
hat dadurch ihren Charakter der wiſſenſchaftlichen Freiheit ver-
loren, welche ſie bisher zu einem der wichtigſten Faktoren der Vorbil-
dung machte, um ſo mehr, als die Verordnung vom 17. Auguſt 1853
das Inſtitut der maîtres corrépétiteurs eingeführt hat, den engliſchen
tutors nachgebildet, nur mit dem Unterſchiede, daß die erſtern die
perſönlichen Wächter der einzelnen Zöglinge ſind, in und außerhalb
der Lehre, mit amtlicher Stellung, Gehalt und Ernennung durch den
Unterrichtsminiſter. Da ſie zuletzt die Zurichtung der Zöglinge für die
Prüfungen haben, und nebenbei vom Proviseur jeden Augenblick
ſuspendirt werden können, ſo iſt damit das Syſtem der völligen
Abhängigkeit der geiſtigen Bildung in den Lyceen recht vollſtändig.
Die Stellung der Lehrer ſelbſt iſt mithin die eines ganz gewöhnlichen
Beamteten, mit feſtem Gehalt und einer Tantième an den Penſionats-
geldern; ſeit 1852 Verbot, Penſionäre bei ſich zu haben.

5) Prüfungsſyſtem. Vielfache Abänderungen eben durch die
allmählige Einführung des Bifurcationsſyſtems. Grundlage iſt die Ueber-
gangsprüfung für die Diviſions- und die doppelte Maturitätsprüfung,
je mit einer Prüfungscommiſſion für die lettres und für die sciences.
Doch iſt die Innehaltung des Curſes nicht obligatoriſch. Das Zeug-
niß iſt ein baccalauréat ès lettres und ein baccalauréat ès sciences.
Bücheler a. a. O. S. 470. Etwas anders bei Jourdain a. a. O.
S. 37—47. Uebrigens iſt das maßgebende Geſetz die Instruction
générale
vom 15. November 1854.

II. Collèges communaux. Die Collèges communaux ſind im
franzöſiſchen Bildungsſyſtem eine nicht unintereſſante Erſcheinung. Sie
beruhen zunächſt darauf, daß der Staat ſich nicht für fähig erkannte,

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[303/0331] ſtrengſten Staatsaufſicht, iſt wie das Lyceum ſelbſt ein Penſionat mit bourses, aber genügt auch der Zahl nach nicht. Es beſteht in der That nur Eine Anſtalt, und zwar in Paris. Ueber die höchſt mangelhafte Lehrerbildung, namentlich Bücheler S. 477 ff. Am entſcheidendſten iſt doch wohl, daß zwiſchen der Lehrerbildung für die claſſiſche (lettres) und realiſtiſche (sciences) Abtheilung gar kein Unter- ſchied beſteht. Erſt 1847 ward eine Profeſſur für die Pädagogik gegründet. Daher beſteht das zweite Syſtem in der Agrégation (Supplirung der ordentlichen Lehrer). Das urſprüngliche Princip der- ſelben war, daß die Suppleanten-Stellen (agrégés) durch öffentlichen Concurs erworben werden konnten, ſo daß die Vorbildung in der École normale nicht nothwendig war (Decret vom 17. März 1808). Durch Verordnung vom 10. April 1852 dagegen einfache Beſetzung durch die Behörde nach vorläufiger Prüfung, die ſich jetzt ſtreng an die Fächer hält, in welchen der Agrégé beſtellt wird. Die Agréga- tion hat dadurch ihren Charakter der wiſſenſchaftlichen Freiheit ver- loren, welche ſie bisher zu einem der wichtigſten Faktoren der Vorbil- dung machte, um ſo mehr, als die Verordnung vom 17. Auguſt 1853 das Inſtitut der maîtres corrépétiteurs eingeführt hat, den engliſchen tutors nachgebildet, nur mit dem Unterſchiede, daß die erſtern die perſönlichen Wächter der einzelnen Zöglinge ſind, in und außerhalb der Lehre, mit amtlicher Stellung, Gehalt und Ernennung durch den Unterrichtsminiſter. Da ſie zuletzt die Zurichtung der Zöglinge für die Prüfungen haben, und nebenbei vom Proviseur jeden Augenblick ſuspendirt werden können, ſo iſt damit das Syſtem der völligen Abhängigkeit der geiſtigen Bildung in den Lyceen recht vollſtändig. Die Stellung der Lehrer ſelbſt iſt mithin die eines ganz gewöhnlichen Beamteten, mit feſtem Gehalt und einer Tantième an den Penſionats- geldern; ſeit 1852 Verbot, Penſionäre bei ſich zu haben. 5) Prüfungsſyſtem. Vielfache Abänderungen eben durch die allmählige Einführung des Bifurcationsſyſtems. Grundlage iſt die Ueber- gangsprüfung für die Diviſions- und die doppelte Maturitätsprüfung, je mit einer Prüfungscommiſſion für die lettres und für die sciences. Doch iſt die Innehaltung des Curſes nicht obligatoriſch. Das Zeug- niß iſt ein baccalauréat ès lettres und ein baccalauréat ès sciences. Bücheler a. a. O. S. 470. Etwas anders bei Jourdain a. a. O. S. 37—47. Uebrigens iſt das maßgebende Geſetz die Instruction générale vom 15. November 1854. II. Collèges communaux. Die Collèges communaux ſind im franzöſiſchen Bildungsſyſtem eine nicht unintereſſante Erſcheinung. Sie beruhen zunächſt darauf, daß der Staat ſich nicht für fähig erkannte,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/331>, abgerufen am 23.11.2024.