Wahlrecht, aber ohne Lehrerberuf, eine Universität der Gelehrten Frankreichs, aber nicht der Studirenden. Und damit denn im fran- zösischen Leben noch einem mächtigen germanischen Elemente auch in der Lehre sein Ausdruck werde, ließ er das für seine französische Uni- versite ganz anomale College de France bestehen, die einzige Anstalt, in der noch eine freie geistige, dem deutschen Leben ähnliche Be- wegung stattfinden möge. Alles übrige war in Lycees und Facultes nach den geographischen Academies mit dem Recteur und dem Prefet an der Spitze streng bureaukratisch geordnet, wie wir es früher bereits dargestellt haben. Das war und ist die Napoleonische Universite.
Hier zuerst entstand die weitere große Frage, wie sich dann die wirthschaftliche Berufsbildung daneben gestalten werde. Dabei nun darf man nicht vergessen, daß es damals auch noch keine selbständige deutsche wirthschaftliche Berufsbildung gab. Napoleon hatte daher in den socialen Zuständen keinen Anlaß, sich ihrer anzunehmen, und in Deutschland kein Vorbild, dem er sich hätte anschließen können. Er ließ sie daher einfach ganz aus seinem Systeme weg. Es schien vollkommen zu genügen, wenn die stärkere Betonung der sogenannten exakten Wissenschaften in den Lycees die allgemeinste wirthschaftliche Vorbildung darbot. Von Sonntagsschulen konnte bei dem Zustande des Elementarunterrichts ohnehin keine Rede sein, und Gewerbeschulen hätten nur durch Autonomie der Gemeindebehörden errichtet werden können; es blieb daher nur übrig für gewisse unabweisbare technische Bedürfnisse des Staatsdienstes eine Specialbildung herzustellen. Das geschah namentlich in der Ecole des ponts et chaussees, und dann in einem dem französischen Leben eigenthümlichen Anschluß an die mili- tärische Fachbildung in der Ecole polytechnique und den Ecoles militaires. Alles übrige ward dem Individuum überlassen, und da es dem In- dividuum überlassen war, so geschah eben gar nichts. Das gesammte französische Berufsbildungssystem Napoleons ward eine bureaukratisch geordnete gelehrte Berufsbildung.
Dieses System hat nun bis zum zweiten Napoleon ausschließlich geherrscht. Nur einmal ist es in der Zwischenzeit unter dem Ministe- rium Guizot erschüttert worden, aber nur für die Elementarbildung. Die gelehrte Bildung blieb sich gleich, und die wirthschaftliche hatte keine andere Vertretung als die oben erwähnte der sehr vereinzelten Fach- schulen. Von einer allgemein wirthschaftlichen Berufsbildung war gar keine Rede.
Unterdessen arbeitete Deutschland in seiner neuen Entwicklung ruhig und rastlos vorwärts. Seine gelehrte Berufsbildung stand ohne- hin auf fester Basis; das was es zu thun hatte, war vor allen Dingen
Wahlrecht, aber ohne Lehrerberuf, eine Univerſität der Gelehrten Frankreichs, aber nicht der Studirenden. Und damit denn im fran- zöſiſchen Leben noch einem mächtigen germaniſchen Elemente auch in der Lehre ſein Ausdruck werde, ließ er das für ſeine franzöſiſche Uni- versité ganz anomale Collège de France beſtehen, die einzige Anſtalt, in der noch eine freie geiſtige, dem deutſchen Leben ähnliche Be- wegung ſtattfinden möge. Alles übrige war in Lycées und Facultés nach den geographiſchen Académies mit dem Recteur und dem Préfet an der Spitze ſtreng bureaukratiſch geordnet, wie wir es früher bereits dargeſtellt haben. Das war und iſt die Napoleoniſche Université.
Hier zuerſt entſtand die weitere große Frage, wie ſich dann die wirthſchaftliche Berufsbildung daneben geſtalten werde. Dabei nun darf man nicht vergeſſen, daß es damals auch noch keine ſelbſtändige deutſche wirthſchaftliche Berufsbildung gab. Napoleon hatte daher in den ſocialen Zuſtänden keinen Anlaß, ſich ihrer anzunehmen, und in Deutſchland kein Vorbild, dem er ſich hätte anſchließen können. Er ließ ſie daher einfach ganz aus ſeinem Syſteme weg. Es ſchien vollkommen zu genügen, wenn die ſtärkere Betonung der ſogenannten exakten Wiſſenſchaften in den Lycées die allgemeinſte wirthſchaftliche Vorbildung darbot. Von Sonntagsſchulen konnte bei dem Zuſtande des Elementarunterrichts ohnehin keine Rede ſein, und Gewerbeſchulen hätten nur durch Autonomie der Gemeindebehörden errichtet werden können; es blieb daher nur übrig für gewiſſe unabweisbare techniſche Bedürfniſſe des Staatsdienſtes eine Specialbildung herzuſtellen. Das geſchah namentlich in der École des ponts et chaussées, und dann in einem dem franzöſiſchen Leben eigenthümlichen Anſchluß an die mili- täriſche Fachbildung in der École polytechnique und den Écoles militaires. Alles übrige ward dem Individuum überlaſſen, und da es dem In- dividuum überlaſſen war, ſo geſchah eben gar nichts. Das geſammte franzöſiſche Berufsbildungsſyſtem Napoleons ward eine bureaukratiſch geordnete gelehrte Berufsbildung.
Dieſes Syſtem hat nun bis zum zweiten Napoleon ausſchließlich geherrſcht. Nur einmal iſt es in der Zwiſchenzeit unter dem Miniſte- rium Guizot erſchüttert worden, aber nur für die Elementarbildung. Die gelehrte Bildung blieb ſich gleich, und die wirthſchaftliche hatte keine andere Vertretung als die oben erwähnte der ſehr vereinzelten Fach- ſchulen. Von einer allgemein wirthſchaftlichen Berufsbildung war gar keine Rede.
Unterdeſſen arbeitete Deutſchland in ſeiner neuen Entwicklung ruhig und raſtlos vorwärts. Seine gelehrte Berufsbildung ſtand ohne- hin auf feſter Baſis; das was es zu thun hatte, war vor allen Dingen
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Frankreichs, aber nicht der Studirenden. Und damit denn im fran-
zöſiſchen Leben noch einem mächtigen germaniſchen Elemente auch in
der Lehre ſein Ausdruck werde, ließ er das für ſeine franzöſiſche Uni-
versité ganz anomale Collège de France beſtehen, die einzige Anſtalt,
in der noch eine freie geiſtige, dem deutſchen Leben ähnliche Be-
wegung ſtattfinden möge. Alles übrige war in Lycées und Facultés
nach den geographiſchen Académies mit dem Recteur und dem Préfet an
der Spitze ſtreng bureaukratiſch geordnet, wie wir es früher bereits
dargeſtellt haben. Das war und iſt die Napoleoniſche Université.
Hier zuerſt entſtand die weitere große Frage, wie ſich dann die
wirthſchaftliche Berufsbildung daneben geſtalten werde. Dabei nun
darf man nicht vergeſſen, daß es damals auch noch keine ſelbſtändige
deutſche wirthſchaftliche Berufsbildung gab. Napoleon hatte daher in
den ſocialen Zuſtänden keinen Anlaß, ſich ihrer anzunehmen, und in
Deutſchland kein Vorbild, dem er ſich hätte anſchließen können. Er
ließ ſie daher einfach ganz aus ſeinem Syſteme weg. Es ſchien
vollkommen zu genügen, wenn die ſtärkere Betonung der ſogenannten
exakten Wiſſenſchaften in den Lycées die allgemeinſte wirthſchaftliche
Vorbildung darbot. Von Sonntagsſchulen konnte bei dem Zuſtande
des Elementarunterrichts ohnehin keine Rede ſein, und Gewerbeſchulen
hätten nur durch Autonomie der Gemeindebehörden errichtet werden
können; es blieb daher nur übrig für gewiſſe unabweisbare techniſche
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geſchah namentlich in der École des ponts et chaussées, und dann in
einem dem franzöſiſchen Leben eigenthümlichen Anſchluß an die mili-
täriſche Fachbildung in der École polytechnique und den Écoles militaires.
Alles übrige ward dem Individuum überlaſſen, und da es dem In-
dividuum überlaſſen war, ſo geſchah eben gar nichts. Das geſammte
franzöſiſche Berufsbildungsſyſtem Napoleons ward eine bureaukratiſch
geordnete gelehrte Berufsbildung.
Dieſes Syſtem hat nun bis zum zweiten Napoleon ausſchließlich
geherrſcht. Nur einmal iſt es in der Zwiſchenzeit unter dem Miniſte-
rium Guizot erſchüttert worden, aber nur für die Elementarbildung. Die
gelehrte Bildung blieb ſich gleich, und die wirthſchaftliche hatte keine
andere Vertretung als die oben erwähnte der ſehr vereinzelten Fach-
ſchulen. Von einer allgemein wirthſchaftlichen Berufsbildung war gar
keine Rede.
Unterdeſſen arbeitete Deutſchland in ſeiner neuen Entwicklung
ruhig und raſtlos vorwärts. Seine gelehrte Berufsbildung ſtand ohne-
hin auf feſter Baſis; das was es zu thun hatte, war vor allen Dingen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/318>, abgerufen am 17.07.2024.
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