seiner eigenen Werkstatt erzeugen dann den (kunstgeschichtlichen) Begriff der Schule, der aber mit dem öffentlichen Recht und der Verwaltung noch nichts zu thun hat und sich auch als kunsthistorischer Begriff dauernd in den folgenden Epochen erhält.
Das zweite Stadium dagegen beginnt mit der Zeit, wo mit dem Siege des Königthums die Fürsten den Glanz der Krone auch in der positiven Forderung der Kunst nach allen Richtungen zu befördern suchen. Das Streben nach diesem Ziel erzeugt zwei Erscheinungen, die für die Geschichte der Kunstbildung wichtiger werden, als für die der Kunst selbst. Einerseits gehen aus demselben die großen Kunstsammlungen und Kunstanstalten (Gallerien, Museum, Theater, Musikconser- vatorien etc.) hervor, welche gleich von Anfang an den seit jener Zeit immer mehr ausgebildeten Charakter von öffentlichen Anstalten für die allgemeine Bildung haben; anderseits aber schließen sich an diese An- stalten die ersten noch unorganischen Versuche einer formellen Kunst- bildung an, welche dann in den großen Reichsakademien ihre feste Organisation und öffentliche Gestalt empfangen. Das 18. Jahrhundert ist die Zeit dieser Entwicklung, die sich in Deutschland an das fran- zösische Muster anschließt, jedoch fast allgemein ohne die Vorzüge des letzteren.
Das dritte Stadium gehört unserm Jahrhundert an. Sein Charakter beruht auf einer, wenigstens für Deutschland ganz neuen Auffassung. Die industrielle Epoche, die mit der französischen Revolution den Rhein überschreitet, erzeugt zuerst die Vorstellung von dem wirthschaftlichen Werthe der Kunst überhaupt, dann die Erkenntniß, daß die reine Kunst am Ende die einzig dauernde Grundlage der gewerblichen Kunst sei. Die Kunstbildung tritt damit in die Reihe der großen Aufgaben der Verwaltung hinein und wird zu einem öffentlich rechtlichen Theile des Bildungswesens, obgleich die Theorie sich noch immer nicht daran ge- wöhnen kann, es als solches systematisch zu behandeln. Naturgemäß war es dabei, daß sich diese neu organisirte Kunstbildung einerseits an die großen Sammlungen anschloß und anderseits eine Organisation empfing, deren Hauptpunkte denn doch am Ende sich nach der wissen- schaftlichen Bildung richteten, während sie zu gleicher Zeit, namentlich in den Zeichenschulen, sich dem rein gewerblichen Bildungswesen anschloß. Dabei blieb natürlich der Privatthätigkeit stets das meiste überlassen; wo aber die Verwaltung auftrat, führte sie auch hier so weit möglich den Unterschied zwischen Vorbildung und Fachbildung durch, und so hat jeder Zweig der Kunst seine eigene Berufsbildung empfangen, die zwar, wie es ihre Natur mit sich bringt, nur eine örtliche ist, die aber, und darin liegt die hohe Bedeutung für das gesammte Bildungswesen,
ſeiner eigenen Werkſtatt erzeugen dann den (kunſtgeſchichtlichen) Begriff der Schule, der aber mit dem öffentlichen Recht und der Verwaltung noch nichts zu thun hat und ſich auch als kunſthiſtoriſcher Begriff dauernd in den folgenden Epochen erhält.
Das zweite Stadium dagegen beginnt mit der Zeit, wo mit dem Siege des Königthums die Fürſten den Glanz der Krone auch in der poſitiven Forderung der Kunſt nach allen Richtungen zu befördern ſuchen. Das Streben nach dieſem Ziel erzeugt zwei Erſcheinungen, die für die Geſchichte der Kunſtbildung wichtiger werden, als für die der Kunſt ſelbſt. Einerſeits gehen aus demſelben die großen Kunſtſammlungen und Kunſtanſtalten (Gallerien, Muſeum, Theater, Muſikconſer- vatorien ꝛc.) hervor, welche gleich von Anfang an den ſeit jener Zeit immer mehr ausgebildeten Charakter von öffentlichen Anſtalten für die allgemeine Bildung haben; anderſeits aber ſchließen ſich an dieſe An- ſtalten die erſten noch unorganiſchen Verſuche einer formellen Kunſt- bildung an, welche dann in den großen Reichsakademien ihre feſte Organiſation und öffentliche Geſtalt empfangen. Das 18. Jahrhundert iſt die Zeit dieſer Entwicklung, die ſich in Deutſchland an das fran- zöſiſche Muſter anſchließt, jedoch faſt allgemein ohne die Vorzüge des letzteren.
Das dritte Stadium gehört unſerm Jahrhundert an. Sein Charakter beruht auf einer, wenigſtens für Deutſchland ganz neuen Auffaſſung. Die induſtrielle Epoche, die mit der franzöſiſchen Revolution den Rhein überſchreitet, erzeugt zuerſt die Vorſtellung von dem wirthſchaftlichen Werthe der Kunſt überhaupt, dann die Erkenntniß, daß die reine Kunſt am Ende die einzig dauernde Grundlage der gewerblichen Kunſt ſei. Die Kunſtbildung tritt damit in die Reihe der großen Aufgaben der Verwaltung hinein und wird zu einem öffentlich rechtlichen Theile des Bildungsweſens, obgleich die Theorie ſich noch immer nicht daran ge- wöhnen kann, es als ſolches ſyſtematiſch zu behandeln. Naturgemäß war es dabei, daß ſich dieſe neu organiſirte Kunſtbildung einerſeits an die großen Sammlungen anſchloß und anderſeits eine Organiſation empfing, deren Hauptpunkte denn doch am Ende ſich nach der wiſſen- ſchaftlichen Bildung richteten, während ſie zu gleicher Zeit, namentlich in den Zeichenſchulen, ſich dem rein gewerblichen Bildungsweſen anſchloß. Dabei blieb natürlich der Privatthätigkeit ſtets das meiſte überlaſſen; wo aber die Verwaltung auftrat, führte ſie auch hier ſo weit möglich den Unterſchied zwiſchen Vorbildung und Fachbildung durch, und ſo hat jeder Zweig der Kunſt ſeine eigene Berufsbildung empfangen, die zwar, wie es ihre Natur mit ſich bringt, nur eine örtliche iſt, die aber, und darin liegt die hohe Bedeutung für das geſammte Bildungsweſen,
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ſeiner eigenen Werkſtatt erzeugen dann den (kunſtgeſchichtlichen) Begriff
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in den folgenden Epochen erhält.
Das zweite Stadium dagegen beginnt mit der Zeit, wo mit dem
Siege des Königthums die Fürſten den Glanz der Krone auch in der
poſitiven Forderung der Kunſt nach allen Richtungen zu befördern ſuchen.
Das Streben nach dieſem Ziel erzeugt zwei Erſcheinungen, die für die
Geſchichte der Kunſtbildung wichtiger werden, als für die der Kunſt
ſelbſt. Einerſeits gehen aus demſelben die großen Kunſtſammlungen
und Kunſtanſtalten (Gallerien, Muſeum, Theater, Muſikconſer-
vatorien ꝛc.) hervor, welche gleich von Anfang an den ſeit jener Zeit
immer mehr ausgebildeten Charakter von öffentlichen Anſtalten für die
allgemeine Bildung haben; anderſeits aber ſchließen ſich an dieſe An-
ſtalten die erſten noch unorganiſchen Verſuche einer formellen Kunſt-
bildung an, welche dann in den großen Reichsakademien ihre feſte
Organiſation und öffentliche Geſtalt empfangen. Das 18. Jahrhundert
iſt die Zeit dieſer Entwicklung, die ſich in Deutſchland an das fran-
zöſiſche Muſter anſchließt, jedoch faſt allgemein ohne die Vorzüge des
letzteren.
Das dritte Stadium gehört unſerm Jahrhundert an. Sein Charakter
beruht auf einer, wenigſtens für Deutſchland ganz neuen Auffaſſung.
Die induſtrielle Epoche, die mit der franzöſiſchen Revolution den Rhein
überſchreitet, erzeugt zuerſt die Vorſtellung von dem wirthſchaftlichen
Werthe der Kunſt überhaupt, dann die Erkenntniß, daß die reine Kunſt
am Ende die einzig dauernde Grundlage der gewerblichen Kunſt ſei.
Die Kunſtbildung tritt damit in die Reihe der großen Aufgaben der
Verwaltung hinein und wird zu einem öffentlich rechtlichen Theile des
Bildungsweſens, obgleich die Theorie ſich noch immer nicht daran ge-
wöhnen kann, es als ſolches ſyſtematiſch zu behandeln. Naturgemäß
war es dabei, daß ſich dieſe neu organiſirte Kunſtbildung einerſeits an
die großen Sammlungen anſchloß und anderſeits eine Organiſation
empfing, deren Hauptpunkte denn doch am Ende ſich nach der wiſſen-
ſchaftlichen Bildung richteten, während ſie zu gleicher Zeit, namentlich
in den Zeichenſchulen, ſich dem rein gewerblichen Bildungsweſen anſchloß.
Dabei blieb natürlich der Privatthätigkeit ſtets das meiſte überlaſſen;
wo aber die Verwaltung auftrat, führte ſie auch hier ſo weit möglich
den Unterſchied zwiſchen Vorbildung und Fachbildung durch, und ſo
hat jeder Zweig der Kunſt ſeine eigene Berufsbildung empfangen, die
zwar, wie es ihre Natur mit ſich bringt, nur eine örtliche iſt, die aber,
und darin liegt die hohe Bedeutung für das geſammte Bildungsweſen,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/311>, abgerufen am 17.07.2024.
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