Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Beginn einer weiteren Entwicklung, deren Schicksal auch für das übrige Als nämlich mit der Auflösung der ständischen Ordnung der Staat Während nämlich einerseits die Cameralien in die eigentliche Finanz- Beginn einer weiteren Entwicklung, deren Schickſal auch für das übrige Als nämlich mit der Auflöſung der ſtändiſchen Ordnung der Staat Während nämlich einerſeits die Cameralien in die eigentliche Finanz- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0292" n="264"/> Beginn einer weiteren Entwicklung, deren Schickſal auch für das übrige<lb/> Bildungsweſen von nicht geringem Intereſſe iſt.</p><lb/> <p>Als nämlich mit der Auflöſung der ſtändiſchen Ordnung der Staat<lb/> aus ſeinem faſt privatrechtlich formulirten Gegenſatze zu der Geſellſchaft<lb/> hinaustritt und zum Organismus der Gemeinſchaft wird, verſchwindet<lb/> gleichſam von ſelbſt der Gedanke, daß er als Privatſubjekt einen wirth-<lb/> ſchaftlichen Beruf, Erwerb und Beſitz haben und mithin Unterneh-<lb/> mungen betreiben ſolle, wie ein Einzelner. Gerade das aber war die<lb/> Grundlage der Cameralwiſſenſchaft und Bildung geweſen. Sie ver-<lb/> ſchwanden daher in ihrer alten Form; und an ihre Stelle trat nun<lb/> ein weſentlich anderer Standpunkt mit einer anderen Aufgabe.</p><lb/> <p>Während nämlich einerſeits die Cameralien in die eigentliche Finanz-<lb/> verwaltung übergehen, entwickelt ſich der Gedanke der <hi rendition="#g">Verwaltung</hi><lb/> der Volkswirthſchaft, die Idee der Volkswirthſchaftspflege. Dieſe Idee<lb/> fordert von dem Staate in ſeinem Verhältniß zur Volkswirthſchaft ein<lb/> Doppeltes. Einerſeits ſoll derſelbe die Einzelnen nun auch in der Volks-<lb/> wirthſchaft gegen wirthſchaftliche und weiter gehende Gefahren ſchützen,<lb/> die in gewiſſen Unternehmungen liegen, andererſeits ſoll er das Seinige<lb/> thun, um die Produktion zu fördern, und zwar beides in Beziehung<lb/> auf beſtimmte einzelne Arten von Unternehmungen. Die Verwaltung,<lb/> noch im Anfange dieſes Jahrhunderts nur zu ſehr bereit, jeden Theil<lb/> des öffentlichen Lebens unter ihre Vormundſchaft im Sinne der eu-<lb/> dämoniſtiſchen Theorien aufzunehmen, gab ihrerſeits ſelbſt Anlaß zu jener<lb/> Forderung. Bis dahin hatten die alten ſtändiſchen Körperſchaften eine<lb/> gewiſſe Polizei, ſowie eine gewiſſe Unterſtützung der gewerblichen Pro-<lb/> duktion übernommen. Jetzt hören ſie auf; zum Theil wie in Frankreich<lb/> vollſtändig, zum Theil dem Weſen nach wie in Deutſchland. Dieſelbe<lb/> Geſetzgebung, welche auf dieſe Weiſe den Zünften und Innungen ihre<lb/> Funktion der Volkswirthſchaftspflege nahm, war damit auch berufen,<lb/> ſich an ihre Stelle zu ſetzen. Das Mittel dafür lag nahe. Sie mußte<lb/> nunmehr eine öffentliche Fachbildung an die Stelle der zünftigen ſetzen,<lb/> theils als Schutz, theils als Bedingung der Förderung der höheren<lb/> volkswirthſchaftlichen Intereſſen. So entſtand die zweite Geſtalt der<lb/> Forderung nach einer öffentlichen wirthſchaftlichen Fachbildung und der<lb/> der Anſtalten ſelbſt. Es bilden ſich allmählig, meiſt ganz unabhängig<lb/> von einander, ſtaatliche Lehranſtalten, die eigens zum Zweck der<lb/> wirthſchaftlichen Fachbildung aufgeſtellt werden. Dieſelben theilen ſich<lb/> nach Zweck und Entſtehungsgrund in zwei Hauptarten. In der erſten<lb/> Art zeugt das ſicherheitspolizeiliche und zum Theil wirthſchaftlich polizei-<lb/> liche Element vor; in der zweiten dagegen die eigentliche Pflege der<lb/> Volkswirthſchaft. Es iſt klar, daß erſt hiemit die wirthſchaftliche Fach-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0292]
Beginn einer weiteren Entwicklung, deren Schickſal auch für das übrige
Bildungsweſen von nicht geringem Intereſſe iſt.
Als nämlich mit der Auflöſung der ſtändiſchen Ordnung der Staat
aus ſeinem faſt privatrechtlich formulirten Gegenſatze zu der Geſellſchaft
hinaustritt und zum Organismus der Gemeinſchaft wird, verſchwindet
gleichſam von ſelbſt der Gedanke, daß er als Privatſubjekt einen wirth-
ſchaftlichen Beruf, Erwerb und Beſitz haben und mithin Unterneh-
mungen betreiben ſolle, wie ein Einzelner. Gerade das aber war die
Grundlage der Cameralwiſſenſchaft und Bildung geweſen. Sie ver-
ſchwanden daher in ihrer alten Form; und an ihre Stelle trat nun
ein weſentlich anderer Standpunkt mit einer anderen Aufgabe.
Während nämlich einerſeits die Cameralien in die eigentliche Finanz-
verwaltung übergehen, entwickelt ſich der Gedanke der Verwaltung
der Volkswirthſchaft, die Idee der Volkswirthſchaftspflege. Dieſe Idee
fordert von dem Staate in ſeinem Verhältniß zur Volkswirthſchaft ein
Doppeltes. Einerſeits ſoll derſelbe die Einzelnen nun auch in der Volks-
wirthſchaft gegen wirthſchaftliche und weiter gehende Gefahren ſchützen,
die in gewiſſen Unternehmungen liegen, andererſeits ſoll er das Seinige
thun, um die Produktion zu fördern, und zwar beides in Beziehung
auf beſtimmte einzelne Arten von Unternehmungen. Die Verwaltung,
noch im Anfange dieſes Jahrhunderts nur zu ſehr bereit, jeden Theil
des öffentlichen Lebens unter ihre Vormundſchaft im Sinne der eu-
dämoniſtiſchen Theorien aufzunehmen, gab ihrerſeits ſelbſt Anlaß zu jener
Forderung. Bis dahin hatten die alten ſtändiſchen Körperſchaften eine
gewiſſe Polizei, ſowie eine gewiſſe Unterſtützung der gewerblichen Pro-
duktion übernommen. Jetzt hören ſie auf; zum Theil wie in Frankreich
vollſtändig, zum Theil dem Weſen nach wie in Deutſchland. Dieſelbe
Geſetzgebung, welche auf dieſe Weiſe den Zünften und Innungen ihre
Funktion der Volkswirthſchaftspflege nahm, war damit auch berufen,
ſich an ihre Stelle zu ſetzen. Das Mittel dafür lag nahe. Sie mußte
nunmehr eine öffentliche Fachbildung an die Stelle der zünftigen ſetzen,
theils als Schutz, theils als Bedingung der Förderung der höheren
volkswirthſchaftlichen Intereſſen. So entſtand die zweite Geſtalt der
Forderung nach einer öffentlichen wirthſchaftlichen Fachbildung und der
der Anſtalten ſelbſt. Es bilden ſich allmählig, meiſt ganz unabhängig
von einander, ſtaatliche Lehranſtalten, die eigens zum Zweck der
wirthſchaftlichen Fachbildung aufgeſtellt werden. Dieſelben theilen ſich
nach Zweck und Entſtehungsgrund in zwei Hauptarten. In der erſten
Art zeugt das ſicherheitspolizeiliche und zum Theil wirthſchaftlich polizei-
liche Element vor; in der zweiten dagegen die eigentliche Pflege der
Volkswirthſchaft. Es iſt klar, daß erſt hiemit die wirthſchaftliche Fach-
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