dieses Rechts auch formell in das Gebiet der öffentlichen Verwaltung des Bildungswesens aufzunehmen.
In dieser neuen Rechtsordnung des wirthschaftlichen Berufsbildungs- wesens zeigt sich nun sein tiefer Unterschied von dem gelehrten. Der wirthschaftliche Beruf behält den Charakter des individuellen. Es gibt daher keine Pflicht zur wirthschaftlichen Vor- oder Fachbildung; die wirthschaftliche Bildung bleibt principiell frei. Von dieser Freiheit gibt es schon im Anfange Ausnahmen, die sich freilich nur noch auf die An- stellung der fachmäßig Gebildeten als Staatsbeamtete und auf große einzelne Erwerbsformen beziehen, bei denen die Sicherheitspolizei zur Sprache kommt. Allmählig aber entsteht die Frage, ob die Freiheit der Vorbildung, die mehr und mehr gleichen Rang mit der Handwerks- bildung in den einzelnen Handwerken einnimmt, namentlich nach Ein- führung der Gewerbefreiheit, auch jetzt noch eine allgemein geltende sein solle; und das ist der Inhalt der Gewerbeschulfrage, die wir unten zu beleuchten haben. Im Großen und Ganzen aber erhält sich der Gedanke dieser Freiheit der wirthschaftlichen Berufsbildung, und aus ihr geht nun auch die Gestalt der öffentlichen Verwaltung derselben hervor. Da sie und so weit sie eine freie ist, kann der Staat sie nicht als Staatsaufgabe anerkennen; da sie aber zugleich eine organisch noth- wendige ist, muß sie demnach eine allgemeine sein. Die Vereinigung beider Grundsätze besteht nun darin, daß die Anerkennung des letzteren als Forderung an die Selbstverwaltungskörper erscheint, durch Herstellung von wirthschaftlichen Bildungsanstalten denen, welche sie be- nützen wollen, das Mittel der Bildung zu geben. Wiederum kann das offenbar nur für die Vorbildungsanstalten gefordert werden, da die Fachbildungsanstalten wenigstens zum Theil für einen bestimmten öffentlichen Beruf vorbereiten. Die letzteren werden daher zum Theil vom Staate übernommen oder hergestellt. So bilden sich hier Staats- anstalten neben Privat- und Körperschaftsanstalten zwar mit gleicher Bestimmung, aber mit sehr verschiedenen Rechten und verschiedener öffentlicher Stellung; und es wird mit langsamer, aber sicher fort- schreitender Entwicklung aus dem Zusammenwirken dieser Elemente ein vollständiges wirthschaftliches Berufsbildungssystem, dessen Vollendung jetzt noch ein letztes Glied fordert, um seine ganze organische Stellung zu erfüllen.
Dieß Glied nun besteht in dem Verhältniß desselben zur gelehrten Bildung. Es ist um so entscheidender, darüber zu einer bestimmten Anschauung zu gelangen, als man gerade diese so hochwich- tige Seite meistens gar nicht beachtet.
Mit dem Auftreten der staatsbürgerlichen Gesellschaft nämlich
dieſes Rechts auch formell in das Gebiet der öffentlichen Verwaltung des Bildungsweſens aufzunehmen.
In dieſer neuen Rechtsordnung des wirthſchaftlichen Berufsbildungs- weſens zeigt ſich nun ſein tiefer Unterſchied von dem gelehrten. Der wirthſchaftliche Beruf behält den Charakter des individuellen. Es gibt daher keine Pflicht zur wirthſchaftlichen Vor- oder Fachbildung; die wirthſchaftliche Bildung bleibt principiell frei. Von dieſer Freiheit gibt es ſchon im Anfange Ausnahmen, die ſich freilich nur noch auf die An- ſtellung der fachmäßig Gebildeten als Staatsbeamtete und auf große einzelne Erwerbsformen beziehen, bei denen die Sicherheitspolizei zur Sprache kommt. Allmählig aber entſteht die Frage, ob die Freiheit der Vorbildung, die mehr und mehr gleichen Rang mit der Handwerks- bildung in den einzelnen Handwerken einnimmt, namentlich nach Ein- führung der Gewerbefreiheit, auch jetzt noch eine allgemein geltende ſein ſolle; und das iſt der Inhalt der Gewerbeſchulfrage, die wir unten zu beleuchten haben. Im Großen und Ganzen aber erhält ſich der Gedanke dieſer Freiheit der wirthſchaftlichen Berufsbildung, und aus ihr geht nun auch die Geſtalt der öffentlichen Verwaltung derſelben hervor. Da ſie und ſo weit ſie eine freie iſt, kann der Staat ſie nicht als Staatsaufgabe anerkennen; da ſie aber zugleich eine organiſch noth- wendige iſt, muß ſie demnach eine allgemeine ſein. Die Vereinigung beider Grundſätze beſteht nun darin, daß die Anerkennung des letzteren als Forderung an die Selbſtverwaltungskörper erſcheint, durch Herſtellung von wirthſchaftlichen Bildungsanſtalten denen, welche ſie be- nützen wollen, das Mittel der Bildung zu geben. Wiederum kann das offenbar nur für die Vorbildungsanſtalten gefordert werden, da die Fachbildungsanſtalten wenigſtens zum Theil für einen beſtimmten öffentlichen Beruf vorbereiten. Die letzteren werden daher zum Theil vom Staate übernommen oder hergeſtellt. So bilden ſich hier Staats- anſtalten neben Privat- und Körperſchaftsanſtalten zwar mit gleicher Beſtimmung, aber mit ſehr verſchiedenen Rechten und verſchiedener öffentlicher Stellung; und es wird mit langſamer, aber ſicher fort- ſchreitender Entwicklung aus dem Zuſammenwirken dieſer Elemente ein vollſtändiges wirthſchaftliches Berufsbildungsſyſtem, deſſen Vollendung jetzt noch ein letztes Glied fordert, um ſeine ganze organiſche Stellung zu erfüllen.
Dieß Glied nun beſteht in dem Verhältniß deſſelben zur gelehrten Bildung. Es iſt um ſo entſcheidender, darüber zu einer beſtimmten Anſchauung zu gelangen, als man gerade dieſe ſo hochwich- tige Seite meiſtens gar nicht beachtet.
Mit dem Auftreten der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft nämlich
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[244/0272]
dieſes Rechts auch formell in das Gebiet der öffentlichen Verwaltung
des Bildungsweſens aufzunehmen.
In dieſer neuen Rechtsordnung des wirthſchaftlichen Berufsbildungs-
weſens zeigt ſich nun ſein tiefer Unterſchied von dem gelehrten. Der
wirthſchaftliche Beruf behält den Charakter des individuellen. Es gibt
daher keine Pflicht zur wirthſchaftlichen Vor- oder Fachbildung; die
wirthſchaftliche Bildung bleibt principiell frei. Von dieſer Freiheit gibt
es ſchon im Anfange Ausnahmen, die ſich freilich nur noch auf die An-
ſtellung der fachmäßig Gebildeten als Staatsbeamtete und auf große
einzelne Erwerbsformen beziehen, bei denen die Sicherheitspolizei zur
Sprache kommt. Allmählig aber entſteht die Frage, ob die Freiheit
der Vorbildung, die mehr und mehr gleichen Rang mit der Handwerks-
bildung in den einzelnen Handwerken einnimmt, namentlich nach Ein-
führung der Gewerbefreiheit, auch jetzt noch eine allgemein geltende
ſein ſolle; und das iſt der Inhalt der Gewerbeſchulfrage, die wir
unten zu beleuchten haben. Im Großen und Ganzen aber erhält ſich
der Gedanke dieſer Freiheit der wirthſchaftlichen Berufsbildung, und
aus ihr geht nun auch die Geſtalt der öffentlichen Verwaltung derſelben
hervor. Da ſie und ſo weit ſie eine freie iſt, kann der Staat ſie nicht
als Staatsaufgabe anerkennen; da ſie aber zugleich eine organiſch noth-
wendige iſt, muß ſie demnach eine allgemeine ſein. Die Vereinigung
beider Grundſätze beſteht nun darin, daß die Anerkennung des letzteren
als Forderung an die Selbſtverwaltungskörper erſcheint, durch
Herſtellung von wirthſchaftlichen Bildungsanſtalten denen, welche ſie be-
nützen wollen, das Mittel der Bildung zu geben. Wiederum kann
das offenbar nur für die Vorbildungsanſtalten gefordert werden, da
die Fachbildungsanſtalten wenigſtens zum Theil für einen beſtimmten
öffentlichen Beruf vorbereiten. Die letzteren werden daher zum Theil
vom Staate übernommen oder hergeſtellt. So bilden ſich hier Staats-
anſtalten neben Privat- und Körperſchaftsanſtalten zwar mit gleicher
Beſtimmung, aber mit ſehr verſchiedenen Rechten und verſchiedener
öffentlicher Stellung; und es wird mit langſamer, aber ſicher fort-
ſchreitender Entwicklung aus dem Zuſammenwirken dieſer Elemente ein
vollſtändiges wirthſchaftliches Berufsbildungsſyſtem, deſſen
Vollendung jetzt noch ein letztes Glied fordert, um ſeine ganze organiſche
Stellung zu erfüllen.
Dieß Glied nun beſteht in dem Verhältniß deſſelben zur
gelehrten Bildung. Es iſt um ſo entſcheidender, darüber zu einer
beſtimmten Anſchauung zu gelangen, als man gerade dieſe ſo hochwich-
tige Seite meiſtens gar nicht beachtet.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/272>, abgerufen am 16.02.2025.
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