für die Verwaltungslehre als die bestimmte äußere Gestalt und Ordnung der Bildungszweige, Organe und Anstalten, vermöge deren eben die Verwaltung und nicht mehr der Einzelne, jene bil- dende Thätigkeit als eine Aufgabe der Gemeinschaft gegen sich selbst vollzieht. Erst in der Verwaltungslehre gewinnt mithin die Bildung ihre feste Gestalt; und in dieser objektiven Kristallisirung des Bil- dungswesens durch das Verwaltungsrecht liegt eigentlich der Werth und die formell höchst wichtige Aufgabe der Verwaltungslehre gegen- über der abstracten Wissenschaft der Bildung.
Es hat nun einen großen Werth, sich über dieß Verhältniß klar zu sein. Denn es ergibt sich daraus, daß das Bildungswesen auf diese Weise erst durch die Verwaltungslehre und ihr Recht eine praktische Wissenschaft wird. Die Thätigkeiten und Anstalten des Staats sind am Ende der große Organismus, der die allgemeinen Principien der Bildungslehre verwirklichen soll; und dieser Orga- nismus bringt nun seine Grenzen, seine Forderungen, seine Natur in die abstrakten Wünsche und Bestrebungen der Pädagogik und Methodologie hinein; alles Gute und Schlimme, Fortschritt und Rückschritt werden erst wirklich durch das, was der Staat zum geltenden Bildungsrecht erhebt; was für die Bildung wirklich ge- schieht, geschieht erst durch die Verwaltung. Ohne eine selbständige Verwaltungslehre des Bildungswesens wird daher jede Bearbeitung des letzteren entweder unpraktisch oder werthlos.
Nun ist es bis auf die neueste Zeit so gewesen, daß die päda- gogischen Arbeiten eben diese praktische Seite des Bildungswesens, sein öffentliches Recht, entweder gar nicht, oder in ganz unter- geordneter Weise behandelt haben. Sie sind daher auch zu keinem festen System gekommen und eine wahre systematische Vergleichung ist dadurch unthunlich geworden. Die Aufgabe des Folgenden ist es nun, womöglich die festen Elemente des öffentlichen Rechts und damit der Vergleichung des wirklich vorhandenen Bildungswesens in der Weise aufzustellen, daß die beiden Zwecke, welche die Ver- waltungslehre hat, dadurch angebahnt werden; einerseits, daß die Natur der großen öffentlich rechtlichen Institutionen für das Bil- dungswesen und sein Recht in ihrem innern Zusammenhange mit
für die Verwaltungslehre als die beſtimmte äußere Geſtalt und Ordnung der Bildungszweige, Organe und Anſtalten, vermöge deren eben die Verwaltung und nicht mehr der Einzelne, jene bil- dende Thätigkeit als eine Aufgabe der Gemeinſchaft gegen ſich ſelbſt vollzieht. Erſt in der Verwaltungslehre gewinnt mithin die Bildung ihre feſte Geſtalt; und in dieſer objektiven Kriſtalliſirung des Bil- dungsweſens durch das Verwaltungsrecht liegt eigentlich der Werth und die formell höchſt wichtige Aufgabe der Verwaltungslehre gegen- über der abſtracten Wiſſenſchaft der Bildung.
Es hat nun einen großen Werth, ſich über dieß Verhältniß klar zu ſein. Denn es ergibt ſich daraus, daß das Bildungsweſen auf dieſe Weiſe erſt durch die Verwaltungslehre und ihr Recht eine praktiſche Wiſſenſchaft wird. Die Thätigkeiten und Anſtalten des Staats ſind am Ende der große Organismus, der die allgemeinen Principien der Bildungslehre verwirklichen ſoll; und dieſer Orga- nismus bringt nun ſeine Grenzen, ſeine Forderungen, ſeine Natur in die abſtrakten Wünſche und Beſtrebungen der Pädagogik und Methodologie hinein; alles Gute und Schlimme, Fortſchritt und Rückſchritt werden erſt wirklich durch das, was der Staat zum geltenden Bildungsrecht erhebt; was für die Bildung wirklich ge- ſchieht, geſchieht erſt durch die Verwaltung. Ohne eine ſelbſtändige Verwaltungslehre des Bildungsweſens wird daher jede Bearbeitung des letzteren entweder unpraktiſch oder werthlos.
Nun iſt es bis auf die neueſte Zeit ſo geweſen, daß die päda- gogiſchen Arbeiten eben dieſe praktiſche Seite des Bildungsweſens, ſein öffentliches Recht, entweder gar nicht, oder in ganz unter- geordneter Weiſe behandelt haben. Sie ſind daher auch zu keinem feſten Syſtem gekommen und eine wahre ſyſtematiſche Vergleichung iſt dadurch unthunlich geworden. Die Aufgabe des Folgenden iſt es nun, womöglich die feſten Elemente des öffentlichen Rechts und damit der Vergleichung des wirklich vorhandenen Bildungsweſens in der Weiſe aufzuſtellen, daß die beiden Zwecke, welche die Ver- waltungslehre hat, dadurch angebahnt werden; einerſeits, daß die Natur der großen öffentlich rechtlichen Inſtitutionen für das Bil- dungsweſen und ſein Recht in ihrem innern Zuſammenhange mit
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[XX/0026]
für die Verwaltungslehre als die beſtimmte äußere Geſtalt und
Ordnung der Bildungszweige, Organe und Anſtalten, vermöge
deren eben die Verwaltung und nicht mehr der Einzelne, jene bil-
dende Thätigkeit als eine Aufgabe der Gemeinſchaft gegen ſich ſelbſt
vollzieht. Erſt in der Verwaltungslehre gewinnt mithin die Bildung
ihre feſte Geſtalt; und in dieſer objektiven Kriſtalliſirung des Bil-
dungsweſens durch das Verwaltungsrecht liegt eigentlich der Werth
und die formell höchſt wichtige Aufgabe der Verwaltungslehre gegen-
über der abſtracten Wiſſenſchaft der Bildung.
Es hat nun einen großen Werth, ſich über dieß Verhältniß
klar zu ſein. Denn es ergibt ſich daraus, daß das Bildungsweſen
auf dieſe Weiſe erſt durch die Verwaltungslehre und ihr Recht eine
praktiſche Wiſſenſchaft wird. Die Thätigkeiten und Anſtalten des
Staats ſind am Ende der große Organismus, der die allgemeinen
Principien der Bildungslehre verwirklichen ſoll; und dieſer Orga-
nismus bringt nun ſeine Grenzen, ſeine Forderungen, ſeine Natur
in die abſtrakten Wünſche und Beſtrebungen der Pädagogik und
Methodologie hinein; alles Gute und Schlimme, Fortſchritt und
Rückſchritt werden erſt wirklich durch das, was der Staat zum
geltenden Bildungsrecht erhebt; was für die Bildung wirklich ge-
ſchieht, geſchieht erſt durch die Verwaltung. Ohne eine ſelbſtändige
Verwaltungslehre des Bildungsweſens wird daher jede Bearbeitung
des letzteren entweder unpraktiſch oder werthlos.
Nun iſt es bis auf die neueſte Zeit ſo geweſen, daß die päda-
gogiſchen Arbeiten eben dieſe praktiſche Seite des Bildungsweſens,
ſein öffentliches Recht, entweder gar nicht, oder in ganz unter-
geordneter Weiſe behandelt haben. Sie ſind daher auch zu keinem
feſten Syſtem gekommen und eine wahre ſyſtematiſche Vergleichung
iſt dadurch unthunlich geworden. Die Aufgabe des Folgenden iſt
es nun, womöglich die feſten Elemente des öffentlichen Rechts und
damit der Vergleichung des wirklich vorhandenen Bildungsweſens
in der Weiſe aufzuſtellen, daß die beiden Zwecke, welche die Ver-
waltungslehre hat, dadurch angebahnt werden; einerſeits, daß die
Natur der großen öffentlich rechtlichen Inſtitutionen für das Bil-
dungsweſen und ſein Recht in ihrem innern Zuſammenhange mit
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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