sich wesentlich auf die didaktische Seite der Sache und speciell auf die zweite Aufgabe der Gymnasialfrage, das Verhältniß der humanistischen Bildung zur Stellung der Gymnasien. Diese Literatur ist in ziemlicher Vollständigkeit aufgeführt bei Palmer "Gelehrtenschulwesen," in Schmid, Encyclopädie, und bei Bauer "Gymnasien" ebendas. Es läßt sich dabei kaum verkennen, daß alle diese Arbeiten, und so auch die neuesten von Rümelin und Thaulow darum unzureichend sind, weil sie eben nur vom Gymnasium sprechen, ohne die Beurtheilung desselben ein organisches System des gesammten Bildungswesens zum Grunde zu legen. Es fehlt daher durchgehend die Betonung und Untersuchung des Verhältnisses zur allgemeinen Bildung, und die -- gerade für diese ausgezeichneten Fachmänner recht schwierige -- Erkenntniß, daß Deutsch- lands Gymnasialwesen Gefahr läuft, sich zu pedantisch auf das reine Vorbildungswesen zu beschränken. Der Gedanke, daß der junge selb- ständige Mann sich nicht für ein Fachstudium an der Universität bilde, sondern nur überhaupt die Elemente einer größeren Weltanschauung im Gymnasium ohne eigentliche berufsmäßige Lebensaufgabe gewinne und grundsätzlich mit dem Gymnasium abschließe, ist der deutschen Gymnasialliteratur verloren gegangen. Ihr fehlt daher auch die Ver- gleichung sowohl mit England und seinen Colleges, als mit Holland und der Schweiz und ihren Athenäen, ja sogar vielfach mit den Lyceen Frankreichs; der größere Blick ist nicht ausgebildet; die Gränze ist das deutsche Leben und das ist bei all seinem Reichthum denn doch nicht das Leben der Welt. Speciell aber die Verwaltungslehre darf bei dieser Auffassung um so weniger stehen bleiben, als der historische Gang der großen Gymnasialfrage die Nichtbeachtung einerseits des positiven Rechts der Gymnasien, und andrerseits ihrer Geschichte in dem oben ange- deuteten Sinne erzeugt hat. Wir müssen es als einen direkten Mangel in der Gymnasialliteratur bezeichnen, daß sie mitten in ihrer großen Gründlichkeit die eigentliche Thatsache übersieht, daß die bisherige Ver- waltungslehre, und daß speciell die Rechtsgeschichte von dem Gymnasial- wesen nichts wissen. In den sogenannten Polizeiwissenschaften findet sich allerdings, wie wir auch unsererseits constatiren müssen, gar kein Verständniß für die Sache; in den meisten wird sie nicht einmal mit ihrem Namen erwähnt, und es ist daher ganz natürlich, daß sich selbst die schönen neuen Arbeiten von Schmid einfach darauf be- schränken, das bestehende Recht ohne weitere Entwicklung allgemeiner Gesichtspunkte statistisch anzuführen. Dennoch gibt es wenig Gebiete, in denen die wissenschaftliche Auffassung mit der positiven des Verwal- tungsrechts so eng Hand in Hand gehen sollten. Denn es darf nie verkannt werden, daß die pädagogischen und methodologischen
ſich weſentlich auf die didaktiſche Seite der Sache und ſpeciell auf die zweite Aufgabe der Gymnaſialfrage, das Verhältniß der humaniſtiſchen Bildung zur Stellung der Gymnaſien. Dieſe Literatur iſt in ziemlicher Vollſtändigkeit aufgeführt bei Palmer „Gelehrtenſchulweſen,“ in Schmid, Encyclopädie, und bei Bauer „Gymnaſien“ ebendaſ. Es läßt ſich dabei kaum verkennen, daß alle dieſe Arbeiten, und ſo auch die neueſten von Rümelin und Thaulow darum unzureichend ſind, weil ſie eben nur vom Gymnaſium ſprechen, ohne die Beurtheilung deſſelben ein organiſches Syſtem des geſammten Bildungsweſens zum Grunde zu legen. Es fehlt daher durchgehend die Betonung und Unterſuchung des Verhältniſſes zur allgemeinen Bildung, und die — gerade für dieſe ausgezeichneten Fachmänner recht ſchwierige — Erkenntniß, daß Deutſch- lands Gymnaſialweſen Gefahr läuft, ſich zu pedantiſch auf das reine Vorbildungsweſen zu beſchränken. Der Gedanke, daß der junge ſelb- ſtändige Mann ſich nicht für ein Fachſtudium an der Univerſität bilde, ſondern nur überhaupt die Elemente einer größeren Weltanſchauung im Gymnaſium ohne eigentliche berufsmäßige Lebensaufgabe gewinne und grundſätzlich mit dem Gymnaſium abſchließe, iſt der deutſchen Gymnaſialliteratur verloren gegangen. Ihr fehlt daher auch die Ver- gleichung ſowohl mit England und ſeinen Colleges, als mit Holland und der Schweiz und ihren Athenäen, ja ſogar vielfach mit den Lyceen Frankreichs; der größere Blick iſt nicht ausgebildet; die Gränze iſt das deutſche Leben und das iſt bei all ſeinem Reichthum denn doch nicht das Leben der Welt. Speciell aber die Verwaltungslehre darf bei dieſer Auffaſſung um ſo weniger ſtehen bleiben, als der hiſtoriſche Gang der großen Gymnaſialfrage die Nichtbeachtung einerſeits des poſitiven Rechts der Gymnaſien, und andrerſeits ihrer Geſchichte in dem oben ange- deuteten Sinne erzeugt hat. Wir müſſen es als einen direkten Mangel in der Gymnaſialliteratur bezeichnen, daß ſie mitten in ihrer großen Gründlichkeit die eigentliche Thatſache überſieht, daß die bisherige Ver- waltungslehre, und daß ſpeciell die Rechtsgeſchichte von dem Gymnaſial- weſen nichts wiſſen. In den ſogenannten Polizeiwiſſenſchaften findet ſich allerdings, wie wir auch unſererſeits conſtatiren müſſen, gar kein Verſtändniß für die Sache; in den meiſten wird ſie nicht einmal mit ihrem Namen erwähnt, und es iſt daher ganz natürlich, daß ſich ſelbſt die ſchönen neuen Arbeiten von Schmid einfach darauf be- ſchränken, das beſtehende Recht ohne weitere Entwicklung allgemeiner Geſichtspunkte ſtatiſtiſch anzuführen. Dennoch gibt es wenig Gebiete, in denen die wiſſenſchaftliche Auffaſſung mit der poſitiven des Verwal- tungsrechts ſo eng Hand in Hand gehen ſollten. Denn es darf nie verkannt werden, daß die pädagogiſchen und methodologiſchen
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ſich weſentlich auf die didaktiſche Seite der Sache und ſpeciell auf die
zweite Aufgabe der Gymnaſialfrage, das Verhältniß der humaniſtiſchen
Bildung zur Stellung der Gymnaſien. Dieſe Literatur iſt in ziemlicher
Vollſtändigkeit aufgeführt bei Palmer „Gelehrtenſchulweſen,“ in Schmid,
Encyclopädie, und bei Bauer „Gymnaſien“ ebendaſ. Es läßt ſich
dabei kaum verkennen, daß alle dieſe Arbeiten, und ſo auch die neueſten
von Rümelin und Thaulow darum unzureichend ſind, weil ſie eben
nur vom Gymnaſium ſprechen, ohne die Beurtheilung deſſelben ein
organiſches Syſtem des geſammten Bildungsweſens zum Grunde zu
legen. Es fehlt daher durchgehend die Betonung und Unterſuchung
des Verhältniſſes zur allgemeinen Bildung, und die — gerade für dieſe
ausgezeichneten Fachmänner recht ſchwierige — Erkenntniß, daß Deutſch-
lands Gymnaſialweſen Gefahr läuft, ſich zu pedantiſch auf das reine
Vorbildungsweſen zu beſchränken. Der Gedanke, daß der junge ſelb-
ſtändige Mann ſich nicht für ein Fachſtudium an der Univerſität bilde,
ſondern nur überhaupt die Elemente einer größeren Weltanſchauung
im Gymnaſium ohne eigentliche berufsmäßige Lebensaufgabe gewinne
und grundſätzlich mit dem Gymnaſium abſchließe, iſt der deutſchen
Gymnaſialliteratur verloren gegangen. Ihr fehlt daher auch die Ver-
gleichung ſowohl mit England und ſeinen Colleges, als mit Holland
und der Schweiz und ihren Athenäen, ja ſogar vielfach mit den Lyceen
Frankreichs; der größere Blick iſt nicht ausgebildet; die Gränze iſt das
deutſche Leben und das iſt bei all ſeinem Reichthum denn doch nicht
das Leben der Welt. Speciell aber die Verwaltungslehre darf bei dieſer
Auffaſſung um ſo weniger ſtehen bleiben, als der hiſtoriſche Gang der
großen Gymnaſialfrage die Nichtbeachtung einerſeits des poſitiven Rechts
der Gymnaſien, und andrerſeits ihrer Geſchichte in dem oben ange-
deuteten Sinne erzeugt hat. Wir müſſen es als einen direkten Mangel
in der Gymnaſialliteratur bezeichnen, daß ſie mitten in ihrer großen
Gründlichkeit die eigentliche Thatſache überſieht, daß die bisherige Ver-
waltungslehre, und daß ſpeciell die Rechtsgeſchichte von dem Gymnaſial-
weſen nichts wiſſen. In den ſogenannten Polizeiwiſſenſchaften findet
ſich allerdings, wie wir auch unſererſeits conſtatiren müſſen, gar
kein Verſtändniß für die Sache; in den meiſten wird ſie nicht einmal
mit ihrem Namen erwähnt, und es iſt daher ganz natürlich, daß
ſich ſelbſt die ſchönen neuen Arbeiten von Schmid einfach darauf be-
ſchränken, das beſtehende Recht ohne weitere Entwicklung allgemeiner
Geſichtspunkte ſtatiſtiſch anzuführen. Dennoch gibt es wenig Gebiete,
in denen die wiſſenſchaftliche Auffaſſung mit der poſitiven des Verwal-
tungsrechts ſo eng Hand in Hand gehen ſollten. Denn es darf
nie verkannt werden, daß die pädagogiſchen und methodologiſchen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/234>, abgerufen am 22.11.2024.
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