3) An diese Prüfungen schließt sich nun die dritte Kategorie, die Dienstprüfung. Eine Dienstprüfung gibt es in der ständischen Zeit überhaupt nicht, da jede Prüfung den Einzelnen unmittelbar in die Körperschaft aufnimmt. Erst da, wo sich der Staat mit seiner Ver- waltung von der ständischen Ordnung trennt, kommt der Gedanke zur Geltung, daß die Berufserfüllung statt einer ständischen eine staats- bürgerliche Pflicht enthalte, und daß daher der Staat nunmehr nicht bloß die theoretische, sondern auch die praktische Fähigkeit des Betreffen- den zu constatiren habe. Ganz nahe lag das in den Gebieten, wo der Beruf als Amt erschien, oder wo der Staat für seine wirthschaftlichen Aufgaben einer tüchtigen technischen Bildung bedurfte. Hier nun ge- nügte die auf rein wissenschaftliche Gegenstände bezogene Berufsprüfung nicht, sondern die Verwaltung forderte außerdem eine praktische und zwar meistens nach einer gewissen Zeit des praktischen Dienstes, deren Gegenstand dann naturgemäß wesentlich die Kenntniß praktischer Ver- hältnisse sein mußte. Diese, den Berufsprüfungen folgenden Prüfungen nennen wir kurz die Dienstprüfungen. Sie bilden das dritte Glied im Systeme der Prüfungen; zwischen ihnen und der Berufsprüfung liegen meist mehrere Jahre und die Prüfungsorgane sind dabei die höhern Behörden selbst. Auch hier wird die Prüfungsordnung gesetzlich fest- gestellt und natürlich speciell auf den einzelnen Beruf berechnet. Diese Dienstprüfungen sind nun zum Theil sehr einfach, zum Theil (wie na- mentlich bei dem Gymnasiallehrerstand in Oesterreich) höchst verwickelt; sie stehen zum Theil ganz selbständig, ohne eine Vorbildung da (wie bei einzelnen technischen Gebieten: Post, Eisenbahnen etc.), zum Theil und zwar allenthalben bei der gelehrten Fachbildung haben sie die Studien- und Berufsprüfungen zur Voraussetzung, in den meisten Fällen auch bei der höheren Technik. Bei der niederen Technik, wie bei einzelnen Gewerben, sind sie der Rest der alten ständischen Zunftprüfung. Es liegt in der Natur aller dieser Prüfungen, daß sie mit dem Verwal- tungssysteme aufs Engste zusammenhängen und daher die verschiedensten Formen annehmen. Wir sind nicht im Stande, nach dem uns vor- liegenden Material schon jetzt ein vollständiges Bild derselben zu geben.
An dieses weitverzweigte System der Prüfungen schließt sich nun das, was wir das Recht der Prüfungen nennen.
Das Recht der Prüfungen besteht nun in denjenigen Bestim- mungen, nach denen die bestandene Prüfung die rechtliche Bedingung für die Berufsthätigkeit des Einzelnen ist. Dieß Recht ist natür- lich weder ein einfaches, noch auch ein gleiches in den verschiedenen Ländern Europas. Dennoch sind seine Grundlagen im Wesentlichen dieselben. Man kann sie im Allgemeinen auf drei Bestimmungen zurück-
3) An dieſe Prüfungen ſchließt ſich nun die dritte Kategorie, die Dienſtprüfung. Eine Dienſtprüfung gibt es in der ſtändiſchen Zeit überhaupt nicht, da jede Prüfung den Einzelnen unmittelbar in die Körperſchaft aufnimmt. Erſt da, wo ſich der Staat mit ſeiner Ver- waltung von der ſtändiſchen Ordnung trennt, kommt der Gedanke zur Geltung, daß die Berufserfüllung ſtatt einer ſtändiſchen eine ſtaats- bürgerliche Pflicht enthalte, und daß daher der Staat nunmehr nicht bloß die theoretiſche, ſondern auch die praktiſche Fähigkeit des Betreffen- den zu conſtatiren habe. Ganz nahe lag das in den Gebieten, wo der Beruf als Amt erſchien, oder wo der Staat für ſeine wirthſchaftlichen Aufgaben einer tüchtigen techniſchen Bildung bedurfte. Hier nun ge- nügte die auf rein wiſſenſchaftliche Gegenſtände bezogene Berufsprüfung nicht, ſondern die Verwaltung forderte außerdem eine praktiſche und zwar meiſtens nach einer gewiſſen Zeit des praktiſchen Dienſtes, deren Gegenſtand dann naturgemäß weſentlich die Kenntniß praktiſcher Ver- hältniſſe ſein mußte. Dieſe, den Berufsprüfungen folgenden Prüfungen nennen wir kurz die Dienſtprüfungen. Sie bilden das dritte Glied im Syſteme der Prüfungen; zwiſchen ihnen und der Berufsprüfung liegen meiſt mehrere Jahre und die Prüfungsorgane ſind dabei die höhern Behörden ſelbſt. Auch hier wird die Prüfungsordnung geſetzlich feſt- geſtellt und natürlich ſpeciell auf den einzelnen Beruf berechnet. Dieſe Dienſtprüfungen ſind nun zum Theil ſehr einfach, zum Theil (wie na- mentlich bei dem Gymnaſiallehrerſtand in Oeſterreich) höchſt verwickelt; ſie ſtehen zum Theil ganz ſelbſtändig, ohne eine Vorbildung da (wie bei einzelnen techniſchen Gebieten: Poſt, Eiſenbahnen ꝛc.), zum Theil und zwar allenthalben bei der gelehrten Fachbildung haben ſie die Studien- und Berufsprüfungen zur Vorausſetzung, in den meiſten Fällen auch bei der höheren Technik. Bei der niederen Technik, wie bei einzelnen Gewerben, ſind ſie der Reſt der alten ſtändiſchen Zunftprüfung. Es liegt in der Natur aller dieſer Prüfungen, daß ſie mit dem Verwal- tungsſyſteme aufs Engſte zuſammenhängen und daher die verſchiedenſten Formen annehmen. Wir ſind nicht im Stande, nach dem uns vor- liegenden Material ſchon jetzt ein vollſtändiges Bild derſelben zu geben.
An dieſes weitverzweigte Syſtem der Prüfungen ſchließt ſich nun das, was wir das Recht der Prüfungen nennen.
Das Recht der Prüfungen beſteht nun in denjenigen Beſtim- mungen, nach denen die beſtandene Prüfung die rechtliche Bedingung für die Berufsthätigkeit des Einzelnen iſt. Dieß Recht iſt natür- lich weder ein einfaches, noch auch ein gleiches in den verſchiedenen Ländern Europas. Dennoch ſind ſeine Grundlagen im Weſentlichen dieſelben. Man kann ſie im Allgemeinen auf drei Beſtimmungen zurück-
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3) An dieſe Prüfungen ſchließt ſich nun die dritte Kategorie, die
Dienſtprüfung. Eine Dienſtprüfung gibt es in der ſtändiſchen Zeit
überhaupt nicht, da jede Prüfung den Einzelnen unmittelbar in die
Körperſchaft aufnimmt. Erſt da, wo ſich der Staat mit ſeiner Ver-
waltung von der ſtändiſchen Ordnung trennt, kommt der Gedanke zur
Geltung, daß die Berufserfüllung ſtatt einer ſtändiſchen eine ſtaats-
bürgerliche Pflicht enthalte, und daß daher der Staat nunmehr nicht
bloß die theoretiſche, ſondern auch die praktiſche Fähigkeit des Betreffen-
den zu conſtatiren habe. Ganz nahe lag das in den Gebieten, wo der
Beruf als Amt erſchien, oder wo der Staat für ſeine wirthſchaftlichen
Aufgaben einer tüchtigen techniſchen Bildung bedurfte. Hier nun ge-
nügte die auf rein wiſſenſchaftliche Gegenſtände bezogene Berufsprüfung
nicht, ſondern die Verwaltung forderte außerdem eine praktiſche und
zwar meiſtens nach einer gewiſſen Zeit des praktiſchen Dienſtes, deren
Gegenſtand dann naturgemäß weſentlich die Kenntniß praktiſcher Ver-
hältniſſe ſein mußte. Dieſe, den Berufsprüfungen folgenden Prüfungen
nennen wir kurz die Dienſtprüfungen. Sie bilden das dritte Glied
im Syſteme der Prüfungen; zwiſchen ihnen und der Berufsprüfung liegen
meiſt mehrere Jahre und die Prüfungsorgane ſind dabei die höhern
Behörden ſelbſt. Auch hier wird die Prüfungsordnung geſetzlich feſt-
geſtellt und natürlich ſpeciell auf den einzelnen Beruf berechnet. Dieſe
Dienſtprüfungen ſind nun zum Theil ſehr einfach, zum Theil (wie na-
mentlich bei dem Gymnaſiallehrerſtand in Oeſterreich) höchſt verwickelt;
ſie ſtehen zum Theil ganz ſelbſtändig, ohne eine Vorbildung da (wie
bei einzelnen techniſchen Gebieten: Poſt, Eiſenbahnen ꝛc.), zum Theil und
zwar allenthalben bei der gelehrten Fachbildung haben ſie die Studien-
und Berufsprüfungen zur Vorausſetzung, in den meiſten Fällen auch
bei der höheren Technik. Bei der niederen Technik, wie bei einzelnen
Gewerben, ſind ſie der Reſt der alten ſtändiſchen Zunftprüfung. Es
liegt in der Natur aller dieſer Prüfungen, daß ſie mit dem Verwal-
tungsſyſteme aufs Engſte zuſammenhängen und daher die verſchiedenſten
Formen annehmen. Wir ſind nicht im Stande, nach dem uns vor-
liegenden Material ſchon jetzt ein vollſtändiges Bild derſelben zu geben.
An dieſes weitverzweigte Syſtem der Prüfungen ſchließt ſich nun
das, was wir das Recht der Prüfungen nennen.
Das Recht der Prüfungen beſteht nun in denjenigen Beſtim-
mungen, nach denen die beſtandene Prüfung die rechtliche Bedingung
für die Berufsthätigkeit des Einzelnen iſt. Dieß Recht iſt natür-
lich weder ein einfaches, noch auch ein gleiches in den verſchiedenen
Ländern Europas. Dennoch ſind ſeine Grundlagen im Weſentlichen
dieſelben. Man kann ſie im Allgemeinen auf drei Beſtimmungen zurück-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/208>, abgerufen am 16.02.2025.
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