örtlichen Bedürfnisse der Schule ist. Auf diesen Grundlagen baut Italien an seinem Volksschulwesen, das offenbar, wenn die angegebenen Ge- danken durchgeführt werden, ein sehr wohlgeordnetes und segensreiches werden kann, da es die französische Bureaukratie nur so weit mit ihren Formen in sich aufgenommen hat, als sie der Lehrfreiheit nicht hinder- lich ist. Von der Herrschaft der Geistlichkeit ist gar keine Rede mehr. Die neuesten eben so reichhaltigen, als wie es scheint ehrlichen Nach- richten in der Statistica del Regno d'Italia Istruzione publica e pri- vata 1866. 4. Frühere Angaben bei Brachelli, Staaten Europas, S. 537. Die erwähnte Statistica gesteht selbst, daß hier noch viel zu wünschen übrig bleiben wird.
III. Die Schweiz endlich hat in ihren französischen Kantonen das französische System aufgenommen. Doch müssen wir uns bei mangeln- den genaueren Angaben über das Recht des Schulwesens auf die von Brachelli angegebenen statistischen Daten beschränken.
Besonderer Theil. Das System des Volksschulrechts.
Das System des Volksschulwesens zeigt nun die Anwendung der im Charakter des letztern liegenden Grundsätze in den einzelnen orga- nischen Verhältnissen der Volksschule. Da diese ihrem Wesen nach gleich und daher, wenn auch mit dem verschiedensten Rechte, bei allen Volks- schulen vorhanden sind, so sind sie die Grundlagen der Vergleichung für alle einzelnen Bestimmungen des Volksschulrechts, während der Cha- rakter dasselbe als ein Ganzes auffaßt.
Die Grundlagen dieses Systems sind die Organisation (der Verwaltung), das eigentliche Schulrecht (als die Gesammtheit der Bestimmungen, durch welche das Princip der Schulpflicht für Verwal- tung und Individuum zum Ausdruck gelangt), das Lehrerwesen (als Grundlage der besondern Funktion) und die Lehrordnung (als Aus- druck der socialen Auffassung des Elementarunterrichts).
Jede einzelne Bestimmung dieses Systems muß nun ihrerseits als Ausdruck des Charakters des Schulwesens aufgefaßt und von dem Standpunkt desselben zur Vergleichung gebracht werden. Man wird dabei die öffentliche Schule von der Privatschule stets deßhalb scheiden müssen, weil nur in der ersteren Princip und Thätigkeit der Verwal- tung vollständig zu Tage tritt, während der Regel nach die letztere,
Stein, die Verwaltungslehre. V. 8
örtlichen Bedürfniſſe der Schule iſt. Auf dieſen Grundlagen baut Italien an ſeinem Volksſchulweſen, das offenbar, wenn die angegebenen Ge- danken durchgeführt werden, ein ſehr wohlgeordnetes und ſegensreiches werden kann, da es die franzöſiſche Bureaukratie nur ſo weit mit ihren Formen in ſich aufgenommen hat, als ſie der Lehrfreiheit nicht hinder- lich iſt. Von der Herrſchaft der Geiſtlichkeit iſt gar keine Rede mehr. Die neueſten eben ſo reichhaltigen, als wie es ſcheint ehrlichen Nach- richten in der Statistica del Regno d’Italia Istruzione publica e pri- vata 1866. 4. Frühere Angaben bei Brachelli, Staaten Europas, S. 537. Die erwähnte Statistica geſteht ſelbſt, daß hier noch viel zu wünſchen übrig bleiben wird.
III. Die Schweiz endlich hat in ihren franzöſiſchen Kantonen das franzöſiſche Syſtem aufgenommen. Doch müſſen wir uns bei mangeln- den genaueren Angaben über das Recht des Schulweſens auf die von Brachelli angegebenen ſtatiſtiſchen Daten beſchränken.
Beſonderer Theil. Das Syſtem des Volksſchulrechts.
Das Syſtem des Volksſchulweſens zeigt nun die Anwendung der im Charakter des letztern liegenden Grundſätze in den einzelnen orga- niſchen Verhältniſſen der Volksſchule. Da dieſe ihrem Weſen nach gleich und daher, wenn auch mit dem verſchiedenſten Rechte, bei allen Volks- ſchulen vorhanden ſind, ſo ſind ſie die Grundlagen der Vergleichung für alle einzelnen Beſtimmungen des Volksſchulrechts, während der Cha- rakter daſſelbe als ein Ganzes auffaßt.
Die Grundlagen dieſes Syſtems ſind die Organiſation (der Verwaltung), das eigentliche Schulrecht (als die Geſammtheit der Beſtimmungen, durch welche das Princip der Schulpflicht für Verwal- tung und Individuum zum Ausdruck gelangt), das Lehrerweſen (als Grundlage der beſondern Funktion) und die Lehrordnung (als Aus- druck der ſocialen Auffaſſung des Elementarunterrichts).
Jede einzelne Beſtimmung dieſes Syſtems muß nun ihrerſeits als Ausdruck des Charakters des Schulweſens aufgefaßt und von dem Standpunkt deſſelben zur Vergleichung gebracht werden. Man wird dabei die öffentliche Schule von der Privatſchule ſtets deßhalb ſcheiden müſſen, weil nur in der erſteren Princip und Thätigkeit der Verwal- tung vollſtändig zu Tage tritt, während der Regel nach die letztere,
Stein, die Verwaltungslehre. V. 8
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werden kann, da es die franzöſiſche Bureaukratie nur ſo weit mit ihren
Formen in ſich aufgenommen hat, als ſie der Lehrfreiheit nicht hinder-
lich iſt. Von der Herrſchaft der Geiſtlichkeit iſt gar keine Rede mehr.
Die neueſten eben ſo reichhaltigen, als wie es ſcheint ehrlichen Nach-
richten in der Statistica del Regno d’Italia Istruzione publica e pri-
vata 1866. 4. Frühere Angaben bei Brachelli, Staaten Europas,
S. 537. Die erwähnte Statistica geſteht ſelbſt, daß hier noch viel zu
wünſchen übrig bleiben wird.
III. Die Schweiz endlich hat in ihren franzöſiſchen Kantonen das
franzöſiſche Syſtem aufgenommen. Doch müſſen wir uns bei mangeln-
den genaueren Angaben über das Recht des Schulweſens auf die von
Brachelli angegebenen ſtatiſtiſchen Daten beſchränken.
Beſonderer Theil.
Das Syſtem des Volksſchulrechts.
Das Syſtem des Volksſchulweſens zeigt nun die Anwendung der
im Charakter des letztern liegenden Grundſätze in den einzelnen orga-
niſchen Verhältniſſen der Volksſchule. Da dieſe ihrem Weſen nach gleich
und daher, wenn auch mit dem verſchiedenſten Rechte, bei allen Volks-
ſchulen vorhanden ſind, ſo ſind ſie die Grundlagen der Vergleichung für
alle einzelnen Beſtimmungen des Volksſchulrechts, während der Cha-
rakter daſſelbe als ein Ganzes auffaßt.
Die Grundlagen dieſes Syſtems ſind die Organiſation (der
Verwaltung), das eigentliche Schulrecht (als die Geſammtheit der
Beſtimmungen, durch welche das Princip der Schulpflicht für Verwal-
tung und Individuum zum Ausdruck gelangt), das Lehrerweſen (als
Grundlage der beſondern Funktion) und die Lehrordnung (als Aus-
druck der ſocialen Auffaſſung des Elementarunterrichts).
Jede einzelne Beſtimmung dieſes Syſtems muß nun ihrerſeits als
Ausdruck des Charakters des Schulweſens aufgefaßt und von dem
Standpunkt deſſelben zur Vergleichung gebracht werden. Man wird
dabei die öffentliche Schule von der Privatſchule ſtets deßhalb ſcheiden
müſſen, weil nur in der erſteren Princip und Thätigkeit der Verwal-
tung vollſtändig zu Tage tritt, während der Regel nach die letztere,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/141>, abgerufen am 03.03.2025.
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