Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.diese Theilnahme der Selbstverwaltung an dem Schulwesen ohne Un- Wir bemerken dieß ausdrücklich, da durch die Erweiterung des dieſe Theilnahme der Selbſtverwaltung an dem Schulweſen ohne Un- Wir bemerken dieß ausdrücklich, da durch die Erweiterung des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0135" n="107"/> dieſe Theilnahme der Selbſtverwaltung an dem Schulweſen <hi rendition="#g">ohne</hi> Un-<lb/> terſchied der öffentlichen und freien Schulen zu bekämpfen und zu be-<lb/> ſeitigen. Es iſt daher die Aufhebung der Principien dieſes Geſetzes und<lb/> die Einführung des rein bureaukratiſchen, gegen die niederen Klaſſen<lb/> unbeſchränkten, gegen die beſitzenden und religiöſen Körperſchaften da-<lb/> gegen geſetzlich machtloſen Syſtems der Inſpektorate zugleich eine Maß-<lb/> regel großer <hi rendition="#g">rein ſocialer</hi> Bedenken und Gefahren, die Niemand<lb/> überſehen ſollte, der über dieſe Dinge redet. Es wäre hohe Zeit, den<lb/> eingeſchlagenen Weg zu verlaſſen und durch die Herſtellung eines dem<lb/> deutſchen Schulweſen entſprechenden Syſtems jenen Gefahren vorzubeugen.</p><lb/> <p>Wir bemerken dieß ausdrücklich, da durch die Erweiterung des<lb/> Syſtems der Volksſchule, namentlich durch die Verſuche der Einführung<lb/> des Klaſſenſyſtems nicht allein geholfen werden kann. Schon das Ge-<lb/> ſetz von 1833 hatte nämlich die Unterſcheidung der <hi rendition="#aq">Instruction primaire<lb/><hi rendition="#i">élementaire</hi></hi> und <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">supérieure</hi></hi> gemacht; die letztere ſollte die Elemente der<lb/> Naturgeſchichte, der Geſchichte, der Geographie und der Geometrie ent-<lb/> halten, und je nach Bedürfniß (als höhere Volksſchule) eingeführt wer-<lb/> den (Art. 1). Es iſt eine <hi rendition="#g">ſehr</hi> ernſte Thatſache, daß dieſe höheren<lb/> Klaſſen der Volksſchule durch das Geſetz von 1850 direkt <hi rendition="#g">unterdrückt</hi><lb/> ſind; nur daß dagegen den Gemeinden die Erlaubniß gegeben wird,<lb/> an ihrer Stelle <hi rendition="#g">Specialſchulen</hi> (<hi rendition="#aq">Écoles speciales, intermédiaires,<lb/> professionelles</hi>) und etwa noch Sonntagsſchulen als <hi rendition="#aq">Écoles d’apprentis</hi><lb/> zu errichten. Der weſentliche Unterſchied dieſer Beſtimmung von dem<lb/> Guizot’ſchen Geſetz beſteht darin, daß das letztere die höhere Volksſchule<lb/> zu einem <hi rendition="#g">organiſchen</hi> Theile der Volksbildung machte, und damit<lb/> die Vermittlung zwiſchen den geſellſchaftlichen Klaſſen, den Uebergang<lb/> von der niedern zur höhern, in das <hi rendition="#g">Syſtem</hi> des Volksunterrichts auf-<lb/> nahm, während die Gegenſtände der höheren Schulklaſſen den Charakter<lb/> allgemeiner geiſtiger Bildung behalten; der Hauch des freieren geiſtigen<lb/> Lebens, der die höheren Geſellſchaftsklaſſen hebt und trägt, ward durch<lb/> Geſchichte und Geographie, durch Naturgeſchichte und Geometrie in die<lb/> Volksſchule übertragen und für die Geſammtbildung des Volkes ſo ein<lb/> edlerer Boden gewonnen. Das Napoleoniſche Geſetz von 1850 dagegen<lb/> beſchränkt dieſe höheren Klaſſen zuerſt auf diejenigen Kinder, <hi rendition="#aq">„que leur<lb/> vocation (!) commerciale, industrielle, <hi rendition="#i">entraine au déla</hi> de l’enseigne-<lb/> ment primaire“</hi> — die formelle geſetzliche Anerkennung des Klaſſen-<lb/> unterſchiedes in der Geſellſchaft. Dann aber erſcheinen <hi rendition="#g">dieſe</hi> höheren<lb/> Volksſchulklaſſen in der That auch als einfache Gewerbeſchulen, alſo<lb/> nicht als ein Theil der Volks-, ſondern vielmehr ſchon der gewerblichen<lb/> Berufsbildung, als Uebergang zu den <hi rendition="#aq">Écoles industrielles</hi> (ſ. unten),<lb/> die von den höheren geiſtigen Elementen der Bildung ferne gehalten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0135]
dieſe Theilnahme der Selbſtverwaltung an dem Schulweſen ohne Un-
terſchied der öffentlichen und freien Schulen zu bekämpfen und zu be-
ſeitigen. Es iſt daher die Aufhebung der Principien dieſes Geſetzes und
die Einführung des rein bureaukratiſchen, gegen die niederen Klaſſen
unbeſchränkten, gegen die beſitzenden und religiöſen Körperſchaften da-
gegen geſetzlich machtloſen Syſtems der Inſpektorate zugleich eine Maß-
regel großer rein ſocialer Bedenken und Gefahren, die Niemand
überſehen ſollte, der über dieſe Dinge redet. Es wäre hohe Zeit, den
eingeſchlagenen Weg zu verlaſſen und durch die Herſtellung eines dem
deutſchen Schulweſen entſprechenden Syſtems jenen Gefahren vorzubeugen.
Wir bemerken dieß ausdrücklich, da durch die Erweiterung des
Syſtems der Volksſchule, namentlich durch die Verſuche der Einführung
des Klaſſenſyſtems nicht allein geholfen werden kann. Schon das Ge-
ſetz von 1833 hatte nämlich die Unterſcheidung der Instruction primaire
élementaire und supérieure gemacht; die letztere ſollte die Elemente der
Naturgeſchichte, der Geſchichte, der Geographie und der Geometrie ent-
halten, und je nach Bedürfniß (als höhere Volksſchule) eingeführt wer-
den (Art. 1). Es iſt eine ſehr ernſte Thatſache, daß dieſe höheren
Klaſſen der Volksſchule durch das Geſetz von 1850 direkt unterdrückt
ſind; nur daß dagegen den Gemeinden die Erlaubniß gegeben wird,
an ihrer Stelle Specialſchulen (Écoles speciales, intermédiaires,
professionelles) und etwa noch Sonntagsſchulen als Écoles d’apprentis
zu errichten. Der weſentliche Unterſchied dieſer Beſtimmung von dem
Guizot’ſchen Geſetz beſteht darin, daß das letztere die höhere Volksſchule
zu einem organiſchen Theile der Volksbildung machte, und damit
die Vermittlung zwiſchen den geſellſchaftlichen Klaſſen, den Uebergang
von der niedern zur höhern, in das Syſtem des Volksunterrichts auf-
nahm, während die Gegenſtände der höheren Schulklaſſen den Charakter
allgemeiner geiſtiger Bildung behalten; der Hauch des freieren geiſtigen
Lebens, der die höheren Geſellſchaftsklaſſen hebt und trägt, ward durch
Geſchichte und Geographie, durch Naturgeſchichte und Geometrie in die
Volksſchule übertragen und für die Geſammtbildung des Volkes ſo ein
edlerer Boden gewonnen. Das Napoleoniſche Geſetz von 1850 dagegen
beſchränkt dieſe höheren Klaſſen zuerſt auf diejenigen Kinder, „que leur
vocation (!) commerciale, industrielle, entraine au déla de l’enseigne-
ment primaire“ — die formelle geſetzliche Anerkennung des Klaſſen-
unterſchiedes in der Geſellſchaft. Dann aber erſcheinen dieſe höheren
Volksſchulklaſſen in der That auch als einfache Gewerbeſchulen, alſo
nicht als ein Theil der Volks-, ſondern vielmehr ſchon der gewerblichen
Berufsbildung, als Uebergang zu den Écoles industrielles (ſ. unten),
die von den höheren geiſtigen Elementen der Bildung ferne gehalten
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