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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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das Princip des Guizot'schen Gesetzes von 1833. Erst die Februar-
Revolution vernichtete vollständig, zum tiefen Bedauern der intelligenten
Klasse, die freisinnige Ordnung des Guizot'schen Gesetzes. Um nämlich
dem entgegen die einzelne Ortsschule der centralen Herrschaft zu unter-
werfen, ward durch die Verordnung von 1850 das ganze System der
Comite locaux aufgehoben, und das System der Inspecteurs d'arron-
dissements
für die Volksschule mit fast unbegränztem Recht als chef
de service
eingeführt (Art. 20) mit genauem Reglement von 1850
über die Ernennung jedes Inspecteurs. Nur das Comite d'arrondisse-
ment
blieb in der neuen, gleichfalls durch die Verordnung von 1850
eingeführten Form der delegues cantonaux bestehen, von dem Robert
(Dict. de la Politique) mit Recht sagt: "ils sont restes dans un etat
d'inertie complete."
So ist die ganze Volksschule nunmehr der Ge-
meindethätigkeit entzogen, die Selbstverwaltung in derselben zu einem
bloßen Schein gemacht und durch die völlige Herrschaft des behördlichen
Elements der Rest der Selbständigkeit des Volksschulwesens zu Grunde
gegangen. "Dans les ecoles communales tout emane et releve des
pouvoirs publics: composition du personel, methode, enseignement."

(Rendu, bei Block l. c.)

3) Dem entsprechend ist mit dem letzten Gesetze die Bildung eines
selbständigen Lehrerstandes in Frankreich unmöglich geworden. Der
Gang der französischen Gesetzgebung zeigt, daß die Verwaltung mit
richtigem Gefühl die Grundlage des letztern in der Anstellung des
Lehrers erkannt hat. Daher ist auch gerade auf diesem Punkt ein lang-
samer Uebergang von der durch die Revolution hergestellten Freiheit zu
der gegenwärtigen vollständigen Abhängigkeit des einzelnen Lehrers leicht
erkennbar. Die Gesetze der Revolution (D. 27 Brum. a. III) lassen den
Lehrer noch durch eine Jury aus der Gemeinde wählen; das Gesetz
vom 1. Mai 1802 schon durch den Maire in Gemeinschaft mit dem
Conseil municipal, die Verordnung vom 29. Februar 1816 durch den
Recteur, jedoch mit Vorschlag von Seiten des Kantons; die Verord-
nung vom 21. April 1828 durch den Bischof, das Gesetz von 1833
Wahl durch das Comite d'arrondissement auf Vorschlag des Conseil
municipal;
Ernennung durch den Minister. Von da an beginnt,
unter Vorbereitung durch das System der Inspektion, der Rückschritt.
Das Gesetz vom 15. März 1830 läßt noch die Präsentation durch den
Gemeinderath zu, mit Ernennung durch den Minister; die Verordnung
vom 9. März 1852 dagegen läßt nur eine Präsentationsliste (liste d'ad-
missibilite
) des Conseil departemental, als leere Form, der Ernennung
durch den Recteur voraufgehen, bis endlich, nach völliger Organisirung
der Inspection de l'instruction primaire, das Gesetz vom 14. Juni 1854

das Princip des Guizot’ſchen Geſetzes von 1833. Erſt die Februar-
Revolution vernichtete vollſtändig, zum tiefen Bedauern der intelligenten
Klaſſe, die freiſinnige Ordnung des Guizot’ſchen Geſetzes. Um nämlich
dem entgegen die einzelne Ortsſchule der centralen Herrſchaft zu unter-
werfen, ward durch die Verordnung von 1850 das ganze Syſtem der
Comité locaux aufgehoben, und das Syſtem der Inspecteurs d’arron-
dissements
für die Volksſchule mit faſt unbegränztem Recht als chef
de service
eingeführt (Art. 20) mit genauem Reglement von 1850
über die Ernennung jedes Inſpecteurs. Nur das Comité d’arrondisse-
ment
blieb in der neuen, gleichfalls durch die Verordnung von 1850
eingeführten Form der délégués cantonaux beſtehen, von dem Robert
(Dict. de la Politique) mit Recht ſagt: „ils sont restés dans un état
d’inertie complète.“
So iſt die ganze Volksſchule nunmehr der Ge-
meindethätigkeit entzogen, die Selbſtverwaltung in derſelben zu einem
bloßen Schein gemacht und durch die völlige Herrſchaft des behördlichen
Elements der Reſt der Selbſtändigkeit des Volksſchulweſens zu Grunde
gegangen. „Dans les écoles communales tout émane et relève des
pouvoirs publics: composition du personel, méthode, enseignement.“

(Rendu, bei Block l. c.)

3) Dem entſprechend iſt mit dem letzten Geſetze die Bildung eines
ſelbſtändigen Lehrerſtandes in Frankreich unmöglich geworden. Der
Gang der franzöſiſchen Geſetzgebung zeigt, daß die Verwaltung mit
richtigem Gefühl die Grundlage des letztern in der Anſtellung des
Lehrers erkannt hat. Daher iſt auch gerade auf dieſem Punkt ein lang-
ſamer Uebergang von der durch die Revolution hergeſtellten Freiheit zu
der gegenwärtigen vollſtändigen Abhängigkeit des einzelnen Lehrers leicht
erkennbar. Die Geſetze der Revolution (D. 27 Brum. a. III) laſſen den
Lehrer noch durch eine Jury aus der Gemeinde wählen; das Geſetz
vom 1. Mai 1802 ſchon durch den Maire in Gemeinſchaft mit dem
Conseil municipal, die Verordnung vom 29. Februar 1816 durch den
Recteur, jedoch mit Vorſchlag von Seiten des Kantons; die Verord-
nung vom 21. April 1828 durch den Biſchof, das Geſetz von 1833
Wahl durch das Comité d’arrondissement auf Vorſchlag des Conseil
municipal;
Ernennung durch den Miniſter. Von da an beginnt,
unter Vorbereitung durch das Syſtem der Inſpektion, der Rückſchritt.
Das Geſetz vom 15. März 1830 läßt noch die Präſentation durch den
Gemeinderath zu, mit Ernennung durch den Miniſter; die Verordnung
vom 9. März 1852 dagegen läßt nur eine Präſentationsliſte (liste d’ad-
missibilité
) des Conseil départemental, als leere Form, der Ernennung
durch den Recteur voraufgehen, bis endlich, nach völliger Organiſirung
der Inspection de l’instruction primaire, das Geſetz vom 14. Juni 1854

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[104/0132] das Princip des Guizot’ſchen Geſetzes von 1833. Erſt die Februar- Revolution vernichtete vollſtändig, zum tiefen Bedauern der intelligenten Klaſſe, die freiſinnige Ordnung des Guizot’ſchen Geſetzes. Um nämlich dem entgegen die einzelne Ortsſchule der centralen Herrſchaft zu unter- werfen, ward durch die Verordnung von 1850 das ganze Syſtem der Comité locaux aufgehoben, und das Syſtem der Inspecteurs d’arron- dissements für die Volksſchule mit faſt unbegränztem Recht als chef de service eingeführt (Art. 20) mit genauem Reglement von 1850 über die Ernennung jedes Inſpecteurs. Nur das Comité d’arrondisse- ment blieb in der neuen, gleichfalls durch die Verordnung von 1850 eingeführten Form der délégués cantonaux beſtehen, von dem Robert (Dict. de la Politique) mit Recht ſagt: „ils sont restés dans un état d’inertie complète.“ So iſt die ganze Volksſchule nunmehr der Ge- meindethätigkeit entzogen, die Selbſtverwaltung in derſelben zu einem bloßen Schein gemacht und durch die völlige Herrſchaft des behördlichen Elements der Reſt der Selbſtändigkeit des Volksſchulweſens zu Grunde gegangen. „Dans les écoles communales tout émane et relève des pouvoirs publics: composition du personel, méthode, enseignement.“ (Rendu, bei Block l. c.) 3) Dem entſprechend iſt mit dem letzten Geſetze die Bildung eines ſelbſtändigen Lehrerſtandes in Frankreich unmöglich geworden. Der Gang der franzöſiſchen Geſetzgebung zeigt, daß die Verwaltung mit richtigem Gefühl die Grundlage des letztern in der Anſtellung des Lehrers erkannt hat. Daher iſt auch gerade auf dieſem Punkt ein lang- ſamer Uebergang von der durch die Revolution hergeſtellten Freiheit zu der gegenwärtigen vollſtändigen Abhängigkeit des einzelnen Lehrers leicht erkennbar. Die Geſetze der Revolution (D. 27 Brum. a. III) laſſen den Lehrer noch durch eine Jury aus der Gemeinde wählen; das Geſetz vom 1. Mai 1802 ſchon durch den Maire in Gemeinſchaft mit dem Conseil municipal, die Verordnung vom 29. Februar 1816 durch den Recteur, jedoch mit Vorſchlag von Seiten des Kantons; die Verord- nung vom 21. April 1828 durch den Biſchof, das Geſetz von 1833 Wahl durch das Comité d’arrondissement auf Vorſchlag des Conseil municipal; Ernennung durch den Miniſter. Von da an beginnt, unter Vorbereitung durch das Syſtem der Inſpektion, der Rückſchritt. Das Geſetz vom 15. März 1830 läßt noch die Präſentation durch den Gemeinderath zu, mit Ernennung durch den Miniſter; die Verordnung vom 9. März 1852 dagegen läßt nur eine Präſentationsliſte (liste d’ad- missibilité) des Conseil départemental, als leere Form, der Ernennung durch den Recteur voraufgehen, bis endlich, nach völliger Organiſirung der Inspection de l’instruction primaire, das Geſetz vom 14. Juni 1854

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/132>, abgerufen am 27.11.2024.