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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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werthvoll durch die Beziehung auf den Revised Code von 1859 und
1863; dabei gute historische Darstellung. Kurz und brauchbar ein
Artikel in Schmids Encyclopädie (Art. Großbritannien):

5) Frankreichs Volksschulwesen und die Instruction primaire.

Neben Deutschland und England ist nun der Charakter des Volks-
schulwesens in Frankreich ein nicht minder bestimmter als in jenen
Ländern. In Frankreich ist die Volksschule principiell und praktisch
eine amtliche Anstalt, mit strengster amtlicher Leitung, während
der freie Elementarunterricht sich daneben fast ohne Aufsicht wie in
England bewegt. Das Volksschulwesen gibt daher hier ein ganz anderes
Bild als in jenen Ländern.

Der Grund dieser Erscheinung ist nun unzweifelhaft mit dem so-
cialen Inhalt der französischen Revolution verbunden.

Die Revolution hat, wie wir an einer andern Stelle gezeigt,
alle ständischen Unterschiede rechtlich vernichtet, und das Volk als Ein
social homogenes Ganze anerkannt. Die naturgemäße Folge davon
war, daß dem entsprechend auch das Bildungswesen des Volkes gleich-
falls als ein Ganzes betrachtet wurde. Frankreichs Gesetzgebung hat
daher zuerst in Europa den Volksunterricht systematisch als einen Theil
des Bildungswesens eingereiht, durch die Universite dasselbe in die-
selben Ordnungen der Verwaltung hineingebracht wie die höchsten Bil-
dungsanstalten, und die Pflicht des Staats grundgesetzlich anerkannt,
für die Volksbildung alter Klassen zu sorgen. Den Ausdruck dieser
Verhältnisse bilden schon die formalen Abstufungen der instruction pri-
maire, secondaire
und superieure, die Akademien als Bildungs- oder
Unterrichtsprovinzen, die ganz gleichmäßig die Volksschule, die gelehrten
Anstalten wie die Facultäten verwalten und die Aufstellung des ersten
eigentlichen Ministeriums des Unterrichts. So entsprach die Ordnung des
Volksschulwesens formell der Ordnung der staatsbürgerlichen Gesellschaft.

Allein indem auch die Revolution Frankreichs es natürlich nicht
vermochte, innerhalb jener Gesellschaftsordnung den Klassenunterschied
der Besitzenden und Nichtbesitzenden zu beseitigen, vermochte sie es auch
nicht, die Consequenzen dieses Unterschiedes für Art und Umfang des
Elementarunterrichts zu überwinden. Diese Consequenzen bestanden hier
wie immer darin, daß die Besitzenden sich selbst den Elementarunter-
richt für ihre Kinder verschafften, während derselbe für die Kinder der
Nichtbesitzenden durch den Staat geschaffen werden mußte. So erzeugten
sich gleich anfangs mit der organischen Einheit des gesammten Bil-
dungswesens in der Universite zwei Grundformen des Elementar-

werthvoll durch die Beziehung auf den Revised Code von 1859 und
1863; dabei gute hiſtoriſche Darſtellung. Kurz und brauchbar ein
Artikel in Schmids Encyclopädie (Art. Großbritannien):

5) Frankreichs Volksſchulweſen und die Instruction primaire.

Neben Deutſchland und England iſt nun der Charakter des Volks-
ſchulweſens in Frankreich ein nicht minder beſtimmter als in jenen
Ländern. In Frankreich iſt die Volksſchule principiell und praktiſch
eine amtliche Anſtalt, mit ſtrengſter amtlicher Leitung, während
der freie Elementarunterricht ſich daneben faſt ohne Aufſicht wie in
England bewegt. Das Volksſchulweſen gibt daher hier ein ganz anderes
Bild als in jenen Ländern.

Der Grund dieſer Erſcheinung iſt nun unzweifelhaft mit dem ſo-
cialen Inhalt der franzöſiſchen Revolution verbunden.

Die Revolution hat, wie wir an einer andern Stelle gezeigt,
alle ſtändiſchen Unterſchiede rechtlich vernichtet, und das Volk als Ein
ſocial homogenes Ganze anerkannt. Die naturgemäße Folge davon
war, daß dem entſprechend auch das Bildungsweſen des Volkes gleich-
falls als ein Ganzes betrachtet wurde. Frankreichs Geſetzgebung hat
daher zuerſt in Europa den Volksunterricht ſyſtematiſch als einen Theil
des Bildungsweſens eingereiht, durch die Université daſſelbe in die-
ſelben Ordnungen der Verwaltung hineingebracht wie die höchſten Bil-
dungsanſtalten, und die Pflicht des Staats grundgeſetzlich anerkannt,
für die Volksbildung alter Klaſſen zu ſorgen. Den Ausdruck dieſer
Verhältniſſe bilden ſchon die formalen Abſtufungen der instruction pri-
maire, secondaire
und supérieure, die Akademien als Bildungs- oder
Unterrichtsprovinzen, die ganz gleichmäßig die Volksſchule, die gelehrten
Anſtalten wie die Facultäten verwalten und die Aufſtellung des erſten
eigentlichen Miniſteriums des Unterrichts. So entſprach die Ordnung des
Volksſchulweſens formell der Ordnung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft.

Allein indem auch die Revolution Frankreichs es natürlich nicht
vermochte, innerhalb jener Geſellſchaftsordnung den Klaſſenunterſchied
der Beſitzenden und Nichtbeſitzenden zu beſeitigen, vermochte ſie es auch
nicht, die Conſequenzen dieſes Unterſchiedes für Art und Umfang des
Elementarunterrichts zu überwinden. Dieſe Conſequenzen beſtanden hier
wie immer darin, daß die Beſitzenden ſich ſelbſt den Elementarunter-
richt für ihre Kinder verſchafften, während derſelbe für die Kinder der
Nichtbeſitzenden durch den Staat geſchaffen werden mußte. So erzeugten
ſich gleich anfangs mit der organiſchen Einheit des geſammten Bil-
dungsweſens in der Université zwei Grundformen des Elementar-

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[100/0128] werthvoll durch die Beziehung auf den Revised Code von 1859 und 1863; dabei gute hiſtoriſche Darſtellung. Kurz und brauchbar ein Artikel in Schmids Encyclopädie (Art. Großbritannien): 5) Frankreichs Volksſchulweſen und die Instruction primaire. Neben Deutſchland und England iſt nun der Charakter des Volks- ſchulweſens in Frankreich ein nicht minder beſtimmter als in jenen Ländern. In Frankreich iſt die Volksſchule principiell und praktiſch eine amtliche Anſtalt, mit ſtrengſter amtlicher Leitung, während der freie Elementarunterricht ſich daneben faſt ohne Aufſicht wie in England bewegt. Das Volksſchulweſen gibt daher hier ein ganz anderes Bild als in jenen Ländern. Der Grund dieſer Erſcheinung iſt nun unzweifelhaft mit dem ſo- cialen Inhalt der franzöſiſchen Revolution verbunden. Die Revolution hat, wie wir an einer andern Stelle gezeigt, alle ſtändiſchen Unterſchiede rechtlich vernichtet, und das Volk als Ein ſocial homogenes Ganze anerkannt. Die naturgemäße Folge davon war, daß dem entſprechend auch das Bildungsweſen des Volkes gleich- falls als ein Ganzes betrachtet wurde. Frankreichs Geſetzgebung hat daher zuerſt in Europa den Volksunterricht ſyſtematiſch als einen Theil des Bildungsweſens eingereiht, durch die Université daſſelbe in die- ſelben Ordnungen der Verwaltung hineingebracht wie die höchſten Bil- dungsanſtalten, und die Pflicht des Staats grundgeſetzlich anerkannt, für die Volksbildung alter Klaſſen zu ſorgen. Den Ausdruck dieſer Verhältniſſe bilden ſchon die formalen Abſtufungen der instruction pri- maire, secondaire und supérieure, die Akademien als Bildungs- oder Unterrichtsprovinzen, die ganz gleichmäßig die Volksſchule, die gelehrten Anſtalten wie die Facultäten verwalten und die Aufſtellung des erſten eigentlichen Miniſteriums des Unterrichts. So entſprach die Ordnung des Volksſchulweſens formell der Ordnung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Allein indem auch die Revolution Frankreichs es natürlich nicht vermochte, innerhalb jener Geſellſchaftsordnung den Klaſſenunterſchied der Beſitzenden und Nichtbeſitzenden zu beſeitigen, vermochte ſie es auch nicht, die Conſequenzen dieſes Unterſchiedes für Art und Umfang des Elementarunterrichts zu überwinden. Dieſe Conſequenzen beſtanden hier wie immer darin, daß die Beſitzenden ſich ſelbſt den Elementarunter- richt für ihre Kinder verſchafften, während derſelbe für die Kinder der Nichtbeſitzenden durch den Staat geſchaffen werden mußte. So erzeugten ſich gleich anfangs mit der organiſchen Einheit des geſammten Bil- dungsweſens in der Université zwei Grundformen des Elementar-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/128>, abgerufen am 25.12.2024.