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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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ein Prüfungssystem anschließt, in einer Weise anerkannt, wie es nie-
mals in der Geschichte da war. Daher gibt es keine Volksbildung,
die mit der deutschen in ihren Grundzügen und ihrem Bestande ver-
glichen werden könnte. Alle Mängel, die sie hat, liegen nicht in ihr,
sondern in den andern Elementen des deutschen Volksgeistes.

Wir stellen sie daher mit den Elementen ihrer Geschichte an die
Spitze aller Darstellung des positiven Volksschulwesens.

Die Geschichte des Volksschulrechts in Deutschland ist neben der
der Berufsbildungsanstalten nur sehr wenig bearbeitet; vielleicht eben
weil sie noch so jung ist. Die großen Grundzüge derselben aber sind
trotzdem leicht zu bestimmen. Sie zeigen uns, wie die Volksschule als
Bürgerschule neben den ständischen Berufsschulen zuerst selbständig ent-
steht, wie sie dann im achtzehnten Jahrhundert zu einer Aufgabe der
Verwaltung als kulturpolizeiliches Institut wird, wie sich aber die
Selbstverwaltung der Gemeinde in ihr erhält, wie sie aus den stän-
dischen Körperschaften der Berufsschulen die Selbstthätigkeit und das
Recht der Lehrkörper aufnimmt, wie sie die Gemeinschaft mit dem
Privatunterricht durch die gemeinschaftliche Lehrerbildung aufrecht hält
und endlich den höchsten Standpunkt erreicht, indem sie in den Ver-
fassungen als organische Aufgabe der höchsten Staatsverwaltungen grund-
gesetzlich anerkannt wird; in allen diesen Zeiten immer ihre große har-
monische sociale Mission mit gleicher ethischer Hingebung erfüllend,
zur Ehre und zum Segen des deutschen Volkes.

I. Das Volksschulwesen beginnt, wie es seine Natur fordert, in
der Wiege der staatsbürgerlichen Gesellschaft, der Stadtgemeinde. Die
Landgemeinde, die Heimath der ständischen Herrschaft, kennt dasselbe
noch nicht. Aber auch in der Stadtgemeinde ist sie noch im siebzehnten
und zum Theil achtzehnten Jahrhundert Glied des gesammten Bildungs-
wesens der niederen Klasse. Ein Uebergang zu dem Gebiet der stän-
dischen Berufsbildung in den gelehrten Schulen findet noch nicht statt.
Dagegen steht die gesammte Volksbildung unter der kirchlichen Ver-
waltung, und diese wird noch im Westphälischen Frieden als dafür
naturgemäß berechtigt und berufen anerkannt. (Justizpolizeiordnung,
Art. V. 31. XIII. 4. 25. VII. 1. auf Grundlage des C. 1. 3. 5. de
magistris.
)

Erst mit dem achtzehnten Jahrhundert wird anerkannt, daß die
elementare Bildung eine Bedingung der gesammten Wohlfahrt des
Staats sei, und daher einen Gegenstand der neu entstehenden "Polizei"
und "Polizeiwissenschaft" bilde. Die staatliche Verwaltung, ihren Gegen-
satz zu der ständischen immer bestimmter entwickelnd, wendet sich daher
auch dem Volksschulwesen zu, und die junge Verwaltungslehre sowohl

ein Prüfungsſyſtem anſchließt, in einer Weiſe anerkannt, wie es nie-
mals in der Geſchichte da war. Daher gibt es keine Volksbildung,
die mit der deutſchen in ihren Grundzügen und ihrem Beſtande ver-
glichen werden könnte. Alle Mängel, die ſie hat, liegen nicht in ihr,
ſondern in den andern Elementen des deutſchen Volksgeiſtes.

Wir ſtellen ſie daher mit den Elementen ihrer Geſchichte an die
Spitze aller Darſtellung des poſitiven Volksſchulweſens.

Die Geſchichte des Volksſchulrechts in Deutſchland iſt neben der
der Berufsbildungsanſtalten nur ſehr wenig bearbeitet; vielleicht eben
weil ſie noch ſo jung iſt. Die großen Grundzüge derſelben aber ſind
trotzdem leicht zu beſtimmen. Sie zeigen uns, wie die Volksſchule als
Bürgerſchule neben den ſtändiſchen Berufsſchulen zuerſt ſelbſtändig ent-
ſteht, wie ſie dann im achtzehnten Jahrhundert zu einer Aufgabe der
Verwaltung als kulturpolizeiliches Inſtitut wird, wie ſich aber die
Selbſtverwaltung der Gemeinde in ihr erhält, wie ſie aus den ſtän-
diſchen Körperſchaften der Berufsſchulen die Selbſtthätigkeit und das
Recht der Lehrkörper aufnimmt, wie ſie die Gemeinſchaft mit dem
Privatunterricht durch die gemeinſchaftliche Lehrerbildung aufrecht hält
und endlich den höchſten Standpunkt erreicht, indem ſie in den Ver-
faſſungen als organiſche Aufgabe der höchſten Staatsverwaltungen grund-
geſetzlich anerkannt wird; in allen dieſen Zeiten immer ihre große har-
moniſche ſociale Miſſion mit gleicher ethiſcher Hingebung erfüllend,
zur Ehre und zum Segen des deutſchen Volkes.

I. Das Volksſchulweſen beginnt, wie es ſeine Natur fordert, in
der Wiege der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, der Stadtgemeinde. Die
Landgemeinde, die Heimath der ſtändiſchen Herrſchaft, kennt daſſelbe
noch nicht. Aber auch in der Stadtgemeinde iſt ſie noch im ſiebzehnten
und zum Theil achtzehnten Jahrhundert Glied des geſammten Bildungs-
weſens der niederen Klaſſe. Ein Uebergang zu dem Gebiet der ſtän-
diſchen Berufsbildung in den gelehrten Schulen findet noch nicht ſtatt.
Dagegen ſteht die geſammte Volksbildung unter der kirchlichen Ver-
waltung, und dieſe wird noch im Weſtphäliſchen Frieden als dafür
naturgemäß berechtigt und berufen anerkannt. (Juſtizpolizeiordnung,
Art. V. 31. XIII. 4. 25. VII. 1. auf Grundlage des C. 1. 3. 5. de
magistris.
)

Erſt mit dem achtzehnten Jahrhundert wird anerkannt, daß die
elementare Bildung eine Bedingung der geſammten Wohlfahrt des
Staats ſei, und daher einen Gegenſtand der neu entſtehenden „Polizei“
und „Polizeiwiſſenſchaft“ bilde. Die ſtaatliche Verwaltung, ihren Gegen-
ſatz zu der ſtändiſchen immer beſtimmter entwickelnd, wendet ſich daher
auch dem Volksſchulweſen zu, und die junge Verwaltungslehre ſowohl

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[82/0110] ein Prüfungsſyſtem anſchließt, in einer Weiſe anerkannt, wie es nie- mals in der Geſchichte da war. Daher gibt es keine Volksbildung, die mit der deutſchen in ihren Grundzügen und ihrem Beſtande ver- glichen werden könnte. Alle Mängel, die ſie hat, liegen nicht in ihr, ſondern in den andern Elementen des deutſchen Volksgeiſtes. Wir ſtellen ſie daher mit den Elementen ihrer Geſchichte an die Spitze aller Darſtellung des poſitiven Volksſchulweſens. Die Geſchichte des Volksſchulrechts in Deutſchland iſt neben der der Berufsbildungsanſtalten nur ſehr wenig bearbeitet; vielleicht eben weil ſie noch ſo jung iſt. Die großen Grundzüge derſelben aber ſind trotzdem leicht zu beſtimmen. Sie zeigen uns, wie die Volksſchule als Bürgerſchule neben den ſtändiſchen Berufsſchulen zuerſt ſelbſtändig ent- ſteht, wie ſie dann im achtzehnten Jahrhundert zu einer Aufgabe der Verwaltung als kulturpolizeiliches Inſtitut wird, wie ſich aber die Selbſtverwaltung der Gemeinde in ihr erhält, wie ſie aus den ſtän- diſchen Körperſchaften der Berufsſchulen die Selbſtthätigkeit und das Recht der Lehrkörper aufnimmt, wie ſie die Gemeinſchaft mit dem Privatunterricht durch die gemeinſchaftliche Lehrerbildung aufrecht hält und endlich den höchſten Standpunkt erreicht, indem ſie in den Ver- faſſungen als organiſche Aufgabe der höchſten Staatsverwaltungen grund- geſetzlich anerkannt wird; in allen dieſen Zeiten immer ihre große har- moniſche ſociale Miſſion mit gleicher ethiſcher Hingebung erfüllend, zur Ehre und zum Segen des deutſchen Volkes. I. Das Volksſchulweſen beginnt, wie es ſeine Natur fordert, in der Wiege der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, der Stadtgemeinde. Die Landgemeinde, die Heimath der ſtändiſchen Herrſchaft, kennt daſſelbe noch nicht. Aber auch in der Stadtgemeinde iſt ſie noch im ſiebzehnten und zum Theil achtzehnten Jahrhundert Glied des geſammten Bildungs- weſens der niederen Klaſſe. Ein Uebergang zu dem Gebiet der ſtän- diſchen Berufsbildung in den gelehrten Schulen findet noch nicht ſtatt. Dagegen ſteht die geſammte Volksbildung unter der kirchlichen Ver- waltung, und dieſe wird noch im Weſtphäliſchen Frieden als dafür naturgemäß berechtigt und berufen anerkannt. (Juſtizpolizeiordnung, Art. V. 31. XIII. 4. 25. VII. 1. auf Grundlage des C. 1. 3. 5. de magistris.) Erſt mit dem achtzehnten Jahrhundert wird anerkannt, daß die elementare Bildung eine Bedingung der geſammten Wohlfahrt des Staats ſei, und daher einen Gegenſtand der neu entſtehenden „Polizei“ und „Polizeiwiſſenſchaft“ bilde. Die ſtaatliche Verwaltung, ihren Gegen- ſatz zu der ſtändiſchen immer beſtimmter entwickelnd, wendet ſich daher auch dem Volksſchulweſen zu, und die junge Verwaltungslehre ſowohl

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/110>, abgerufen am 23.11.2024.