Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Jede Regierung muß zweitens für die Vollziehung dieser Bestim- Endlich muß jede Regierung das letztere in seiner socialen Bedeutung In diesen Momenten ist nun der Maßstab gegeben, nach welchem Denn in der That ist nicht bloß das Volksschulwesen jedes Landes Ueberblickt man nun die Staaten von Europa und seine großen Jede Regierung muß zweitens für die Vollziehung dieſer Beſtim- Endlich muß jede Regierung das letztere in ſeiner ſocialen Bedeutung In dieſen Momenten iſt nun der Maßſtab gegeben, nach welchem Denn in der That iſt nicht bloß das Volksſchulweſen jedes Landes Ueberblickt man nun die Staaten von Europa und ſeine großen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0108" n="80"/> <p>Jede Regierung muß zweitens für die Vollziehung dieſer Beſtim-<lb/> mungen ihres Schulrechts einen <hi rendition="#g">Organismus</hi> ſchaffen, der ein dop-<lb/> pelter iſt. Einerſeits muß derſelbe das Recht vollziehen, alſo nur ein<lb/> eigentlicher Verwaltungsorganismus ſein. Andererſeits muß er in der<lb/> Organiſation der <hi rendition="#g">Lehranſtalten</hi> beſtehen, namentlich das <hi rendition="#g">Lehrer-<lb/> weſen</hi> als einen Theil der Verwaltung enthalten. In beiden liegt<lb/> der Ausdruck des <hi rendition="#g">pädagogiſchen</hi> Princips des Volksſchulweſens.</p><lb/> <p>Endlich muß jede Regierung das letztere in ſeiner ſocialen Bedeutung<lb/> auffaſſen, und in dieſem Sinn einerſeits principiell die Lehrordnung, ander-<lb/> ſeits, als formellen Ausdruck derſelben, das Klaſſenſyſtem ordnen. Beides<lb/> zuſammen bildet das <hi rendition="#g">ſociale</hi> Element im Charakter des Volksſchulweſens.</p><lb/> <p>In dieſen Momenten iſt nun der Maßſtab gegeben, nach welchem<lb/> die Höhe und der Werth jedes Volksſchulweſens gemeſſen werden kann.<lb/> Jedes Volksſchulweſen eines Landes beſtimmt ſich nach Schulrecht,<lb/> Schulorganismus und Umfang und Ordnung des Unterrichts. Auf<lb/> dieſe Grundverhältniſſe führt am Ende jede über die bloße Darſtellung<lb/> der gegebenen Zuſtände hinausgehende Betrachtung zurück. Und in<lb/> ihnen liegt auch das, was wir die <hi rendition="#g">Vergleichung</hi>, ja endlich das,<lb/> was wir die <hi rendition="#g">Geſchichte</hi> des Volksſchulweſens nennen.</p><lb/> <p>Denn in der That iſt nicht bloß das Volksſchulweſen jedes Landes<lb/> von dem aller andern oft weſentlich verſchieden, ſondern man kann<lb/> jetzt im wiſſenſchaftlichen Sinn ſagen, daß jedes Volk <hi rendition="#g">ſeinen</hi> Charakter<lb/> des Volksſchulweſens hat. Es iſt eine der wichtigſten, aber auch der<lb/> ſchwierigſten Aufgaben, dieſen Charakter zu beſtimmen. Dennoch kann<lb/> ſie nicht erlaſſen werden.</p><lb/> <p>Ueberblickt man nun die Staaten von Europa und ſeine großen<lb/> Verwaltungszuſtände, ſo zeigt es ſich auch hier, daß das Verwaltungs-<lb/> recht des Volksſchulweſens ſo gut wie das ganze übrige Verwaltungs-<lb/> recht die drei europäiſchen Grundformen hat, denen wir allenthalben<lb/> begegnen, die deutſche, die franzöſiſche und die engliſche. Das Weſen<lb/> des deutſchen beſteht darin, daß es von der Wiſſenſchaft erzeugt iſt,<lb/> welche in den Geſetzgebungen der einzelnen deutſchen Staaten ihren<lb/> Ausdruck gefunden hat. Das Weſen des franzöſiſchen beruht auf der<lb/> rein adminiſtrativen Organiſation, neben der ſich vermöge ihrer großen<lb/> Unvollkommenheit ein freies Elementarunterrichtsweſen ſelbſtändig und<lb/> faſt unbeaufſichtigt gebildet hat. Das Weſen der engliſchen geht aus<lb/> der völligen Abweſenheit jeder allgemeinen Verwaltungsthätigkeit und<lb/> dem Ueberlaſſenſein der Elementarbildung an die Einzelnen hervor.<lb/> Deutſchland zeigt uns daher, was die <hi rendition="#g">Wiſſenſchaft</hi>, Frankreich was<lb/> die <hi rendition="#g">Staatsverwaltung</hi>, England was die <hi rendition="#g">individuelle Kraft</hi><lb/> vermag. Der Sieg, den Deutſchland auf dieſem Gebiete täglich erringt,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0108]
Jede Regierung muß zweitens für die Vollziehung dieſer Beſtim-
mungen ihres Schulrechts einen Organismus ſchaffen, der ein dop-
pelter iſt. Einerſeits muß derſelbe das Recht vollziehen, alſo nur ein
eigentlicher Verwaltungsorganismus ſein. Andererſeits muß er in der
Organiſation der Lehranſtalten beſtehen, namentlich das Lehrer-
weſen als einen Theil der Verwaltung enthalten. In beiden liegt
der Ausdruck des pädagogiſchen Princips des Volksſchulweſens.
Endlich muß jede Regierung das letztere in ſeiner ſocialen Bedeutung
auffaſſen, und in dieſem Sinn einerſeits principiell die Lehrordnung, ander-
ſeits, als formellen Ausdruck derſelben, das Klaſſenſyſtem ordnen. Beides
zuſammen bildet das ſociale Element im Charakter des Volksſchulweſens.
In dieſen Momenten iſt nun der Maßſtab gegeben, nach welchem
die Höhe und der Werth jedes Volksſchulweſens gemeſſen werden kann.
Jedes Volksſchulweſen eines Landes beſtimmt ſich nach Schulrecht,
Schulorganismus und Umfang und Ordnung des Unterrichts. Auf
dieſe Grundverhältniſſe führt am Ende jede über die bloße Darſtellung
der gegebenen Zuſtände hinausgehende Betrachtung zurück. Und in
ihnen liegt auch das, was wir die Vergleichung, ja endlich das,
was wir die Geſchichte des Volksſchulweſens nennen.
Denn in der That iſt nicht bloß das Volksſchulweſen jedes Landes
von dem aller andern oft weſentlich verſchieden, ſondern man kann
jetzt im wiſſenſchaftlichen Sinn ſagen, daß jedes Volk ſeinen Charakter
des Volksſchulweſens hat. Es iſt eine der wichtigſten, aber auch der
ſchwierigſten Aufgaben, dieſen Charakter zu beſtimmen. Dennoch kann
ſie nicht erlaſſen werden.
Ueberblickt man nun die Staaten von Europa und ſeine großen
Verwaltungszuſtände, ſo zeigt es ſich auch hier, daß das Verwaltungs-
recht des Volksſchulweſens ſo gut wie das ganze übrige Verwaltungs-
recht die drei europäiſchen Grundformen hat, denen wir allenthalben
begegnen, die deutſche, die franzöſiſche und die engliſche. Das Weſen
des deutſchen beſteht darin, daß es von der Wiſſenſchaft erzeugt iſt,
welche in den Geſetzgebungen der einzelnen deutſchen Staaten ihren
Ausdruck gefunden hat. Das Weſen des franzöſiſchen beruht auf der
rein adminiſtrativen Organiſation, neben der ſich vermöge ihrer großen
Unvollkommenheit ein freies Elementarunterrichtsweſen ſelbſtändig und
faſt unbeaufſichtigt gebildet hat. Das Weſen der engliſchen geht aus
der völligen Abweſenheit jeder allgemeinen Verwaltungsthätigkeit und
dem Ueberlaſſenſein der Elementarbildung an die Einzelnen hervor.
Deutſchland zeigt uns daher, was die Wiſſenſchaft, Frankreich was
die Staatsverwaltung, England was die individuelle Kraft
vermag. Der Sieg, den Deutſchland auf dieſem Gebiete täglich erringt,
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