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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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der allgemeinen Ordnungsstrafe das leitende ist, und daß die
spezielle Anwendung der letztern bei dem Mangel eines Strafgesetzbuches
ganz dem Friedensrichter überlassen ist, wo die Bußen (fines) mit einem
Statute verbunden sind, den Gemeindebehörden dagegen, wo diese das
Recht der bye-laws durch die Genehmigung (to incorporate) ihrer
Statuten empfangen haben. Weder Gneist noch Fischel, der ge-
schmackvolle Compilator aus dem Gneist'schen Werk, noch Homers-
ham
haben darüber etwas Genaueres; auch dürfte das Obige im Wesent-
lichen den Sachverhalt erschöpfen.

Dem Grundcharakter nach gleich, der Form nach verschieden ist
das Recht Hollands. Holland hat nämlich zuerst allerdings den Code
Penal
in einfacher Uebersetzung angenommen (1810) und daher auch
das Polizeistrafrecht des Art. 471. Allein die Gemeinde und ihre
Selbstverwaltung war von jeher viel zu kräftig, als daß man ihr das
Recht auf Erlaß von Gemeindeordnungen, selbst mit Polizeistrafen, je-
mals hätte nehmen können. Grundsatz bleibt daher und ist gegenwärtig,
daß der Gemeinderath das Recht hat, die Uebertretungen seiner Ver-
ordnungen, soweit kein Gesetz oder Provinzialbeschluß dem vorgesehen
hat, mit Geldbuße von 1 bis 25 fl. oder Gefängniß von 1 bis 3 Ta-
gen zu bedrohen. (Gemeentewet vom 29. Juni 1851, Art. 161--178.
Van plaatzelike Verordeningen, nebst den genauen Vorschriften über
die Formen derselben.) Doch kann der königliche Commissarius solche
Verordnungen sistiren; der Bürgermeister hat deßhalb die Pflicht, die-
selbe stets dem Commissär mitzutheilen. (Gem. Wet. §. 187.) Die
Frage nach Erlaß eines selbständigen Polizeistrafgesetzbuchs ist übrigens
schon seit Jahren in Holland angeregt, und hat eine eigene Literatur her-
vorgerufen, ohne daß man jedoch bisher zu einem Beschluß gelangt wäre.
(De Bosch-Kemper, Nederlandsche Staatsregt en Staatsbestur.
Neueste Ausgabe 1866, §. 338 ff.) Bis dahin gilt der allgemeine
Grundsatz des Gemeindegesetzes (28. Juli 1850) Art. 190: "Die Gemeinde-
polizei beruht auf den örtlichen Verordnungen und Befehlen, welche die
Gemeinde nach dem Gemeindegesetz selbst beschließt."


Dieß nun sind die Umrisse und Grundlagen, des gegenwärtigen
Polizei- oder Verwaltungsstrafrechts. Man sieht, daß alle Elemente
einer Aufnahme in die Wissenschaft und einer selbständigen Behandlung
vorhanden sind; allein ihre Erfüllung erhalten sie trotzdem erst durch das-
jenige, was wir nun als das Polizeiverfahren genauer darzulegen
haben, und das gleichfalls noch einer wissenschaftlichen Behandlung ent-
behrt -- hoffentlich nicht auf lange Zeit.

Stein, die Verwaltungslehre. IV. 4

der allgemeinen Ordnungsſtrafe das leitende iſt, und daß die
ſpezielle Anwendung der letztern bei dem Mangel eines Strafgeſetzbuches
ganz dem Friedensrichter überlaſſen iſt, wo die Bußen (fines) mit einem
Statute verbunden ſind, den Gemeindebehörden dagegen, wo dieſe das
Recht der bye-laws durch die Genehmigung (to incorporate) ihrer
Statuten empfangen haben. Weder Gneiſt noch Fiſchel, der ge-
ſchmackvolle Compilator aus dem Gneiſt’ſchen Werk, noch Homers-
ham
haben darüber etwas Genaueres; auch dürfte das Obige im Weſent-
lichen den Sachverhalt erſchöpfen.

Dem Grundcharakter nach gleich, der Form nach verſchieden iſt
das Recht Hollands. Holland hat nämlich zuerſt allerdings den Code
Pénal
in einfacher Ueberſetzung angenommen (1810) und daher auch
das Polizeiſtrafrecht des Art. 471. Allein die Gemeinde und ihre
Selbſtverwaltung war von jeher viel zu kräftig, als daß man ihr das
Recht auf Erlaß von Gemeindeordnungen, ſelbſt mit Polizeiſtrafen, je-
mals hätte nehmen können. Grundſatz bleibt daher und iſt gegenwärtig,
daß der Gemeinderath das Recht hat, die Uebertretungen ſeiner Ver-
ordnungen, ſoweit kein Geſetz oder Provinzialbeſchluß dem vorgeſehen
hat, mit Geldbuße von 1 bis 25 fl. oder Gefängniß von 1 bis 3 Ta-
gen zu bedrohen. (Gemeentewet vom 29. Juni 1851, Art. 161—178.
Van plaatzelike Verordeningen, nebſt den genauen Vorſchriften über
die Formen derſelben.) Doch kann der königliche Commiſſarius ſolche
Verordnungen ſiſtiren; der Bürgermeiſter hat deßhalb die Pflicht, die-
ſelbe ſtets dem Commiſſär mitzutheilen. (Gem. Wet. §. 187.) Die
Frage nach Erlaß eines ſelbſtändigen Polizeiſtrafgeſetzbuchs iſt übrigens
ſchon ſeit Jahren in Holland angeregt, und hat eine eigene Literatur her-
vorgerufen, ohne daß man jedoch bisher zu einem Beſchluß gelangt wäre.
(De Bosch-Kemper, Nederlandsche Staatsregt en Staatsbestur.
Neueſte Ausgabe 1866, §. 338 ff.) Bis dahin gilt der allgemeine
Grundſatz des Gemeindegeſetzes (28. Juli 1850) Art. 190: „Die Gemeinde-
polizei beruht auf den örtlichen Verordnungen und Befehlen, welche die
Gemeinde nach dem Gemeindegeſetz ſelbſt beſchließt.“


Dieß nun ſind die Umriſſe und Grundlagen, des gegenwärtigen
Polizei- oder Verwaltungsſtrafrechts. Man ſieht, daß alle Elemente
einer Aufnahme in die Wiſſenſchaft und einer ſelbſtändigen Behandlung
vorhanden ſind; allein ihre Erfüllung erhalten ſie trotzdem erſt durch das-
jenige, was wir nun als das Polizeiverfahren genauer darzulegen
haben, und das gleichfalls noch einer wiſſenſchaftlichen Behandlung ent-
behrt — hoffentlich nicht auf lange Zeit.

Stein, die Verwaltungslehre. IV. 4
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[49/0071] der allgemeinen Ordnungsſtrafe das leitende iſt, und daß die ſpezielle Anwendung der letztern bei dem Mangel eines Strafgeſetzbuches ganz dem Friedensrichter überlaſſen iſt, wo die Bußen (fines) mit einem Statute verbunden ſind, den Gemeindebehörden dagegen, wo dieſe das Recht der bye-laws durch die Genehmigung (to incorporate) ihrer Statuten empfangen haben. Weder Gneiſt noch Fiſchel, der ge- ſchmackvolle Compilator aus dem Gneiſt’ſchen Werk, noch Homers- ham haben darüber etwas Genaueres; auch dürfte das Obige im Weſent- lichen den Sachverhalt erſchöpfen. Dem Grundcharakter nach gleich, der Form nach verſchieden iſt das Recht Hollands. Holland hat nämlich zuerſt allerdings den Code Pénal in einfacher Ueberſetzung angenommen (1810) und daher auch das Polizeiſtrafrecht des Art. 471. Allein die Gemeinde und ihre Selbſtverwaltung war von jeher viel zu kräftig, als daß man ihr das Recht auf Erlaß von Gemeindeordnungen, ſelbſt mit Polizeiſtrafen, je- mals hätte nehmen können. Grundſatz bleibt daher und iſt gegenwärtig, daß der Gemeinderath das Recht hat, die Uebertretungen ſeiner Ver- ordnungen, ſoweit kein Geſetz oder Provinzialbeſchluß dem vorgeſehen hat, mit Geldbuße von 1 bis 25 fl. oder Gefängniß von 1 bis 3 Ta- gen zu bedrohen. (Gemeentewet vom 29. Juni 1851, Art. 161—178. Van plaatzelike Verordeningen, nebſt den genauen Vorſchriften über die Formen derſelben.) Doch kann der königliche Commiſſarius ſolche Verordnungen ſiſtiren; der Bürgermeiſter hat deßhalb die Pflicht, die- ſelbe ſtets dem Commiſſär mitzutheilen. (Gem. Wet. §. 187.) Die Frage nach Erlaß eines ſelbſtändigen Polizeiſtrafgeſetzbuchs iſt übrigens ſchon ſeit Jahren in Holland angeregt, und hat eine eigene Literatur her- vorgerufen, ohne daß man jedoch bisher zu einem Beſchluß gelangt wäre. (De Bosch-Kemper, Nederlandsche Staatsregt en Staatsbestur. Neueſte Ausgabe 1866, §. 338 ff.) Bis dahin gilt der allgemeine Grundſatz des Gemeindegeſetzes (28. Juli 1850) Art. 190: „Die Gemeinde- polizei beruht auf den örtlichen Verordnungen und Befehlen, welche die Gemeinde nach dem Gemeindegeſetz ſelbſt beſchließt.“ Dieß nun ſind die Umriſſe und Grundlagen, des gegenwärtigen Polizei- oder Verwaltungsſtrafrechts. Man ſieht, daß alle Elemente einer Aufnahme in die Wiſſenſchaft und einer ſelbſtändigen Behandlung vorhanden ſind; allein ihre Erfüllung erhalten ſie trotzdem erſt durch das- jenige, was wir nun als das Polizeiverfahren genauer darzulegen haben, und das gleichfalls noch einer wiſſenſchaftlichen Behandlung ent- behrt — hoffentlich nicht auf lange Zeit. Stein, die Verwaltungslehre. IV. 4

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/71>, abgerufen am 26.11.2024.