Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern nur als die öffentlich rechtliche Formulirung desselben angesehen
werden. Die Polizei hat an sich das Recht zu Polizeiverfügungen,
und keine Gesetzgebung der Welt hat es der Polizei jemals bestritten
oder verweigert.

Die Competenz zum Erlaß der Polizeiverfügung überhaupt --
noch ohne Beziehung auf das Polizeistrafrecht -- ist eben deßhalb durch
die Natur der Funktion jedes einzelnen Organes gegeben, auch ohne
daß sie bestimmt ausgesprochen oder formulirt wäre. Jedes Organ
der Verwaltung hat die, für die Sicherung seiner speziellen
Funktion nothwendige Beschränkung der Thätigkeit des Einzelnen durch
Gebot und Verbot zu bestimmen. Es gehören daher zum allgemeinsten
Begriffe der Polizeiverfügungen auch diejenigen Anordnungen irgend
einer Behörde, welche sich auf ihren speziellen Dienstverkehr mit dem
Einzelnen beziehen. (Bureaudienstvorschriften etc.) Indessen versteht man
unter Polizeiverfügungen im eigentlichen Sinne doch nur diejenigen,
welche das Verhalten des Einzelnen und seiner Thätigkeit zum öffent-
lichen Verkehr
betreffen. Und hier kann es kein Zweifel sein, daß
die Competenz zu solchen Verfügungen nur denjenigen Organen zusteht,
welche für die Sicherheit eben dieses öffentlichen Verkehrs zu sorgen
haben. Diese nun sind entweder staatliche Organe, oder Organe der
Selbstverwaltung, also wesentlich Gemeindeorgane. Die Natur der Sache
bringt es mit sich, daß die staatlichen Organe die allgemeine Sicherheit,
die Gemeindeorgane die örtliche aufrecht halten. Die Gränze zwischen
beiden Begriffen ist daher auch im Grunde die Gränze zwischen der Com-
petenz der staatlichen und der Gemeindebehörde. Und es folgt daraus,
daß grundsätzlich die Gemeindeordnungen die Grundlage der Competenz
zum Erlaß von Polizeiverfügungen enthalten; während eine solche Com-
petenz für Vereine nur ausnahmsweise bei solchen Erwerbsgesellschaften
eintritt, die mit dem öffentlichen Verkehr zu thun haben, wie Eisen-
bahngesellschaften u. a. Dagegen haben die Regierungen fast durchgehend
den Grundsatz festgehalten, daß diejenigen ortspolizeilichen Vorschriften,
welche sich zugleich auf allgemeine Verkehrsverhältnisse beziehen, einer
höheren amtlichen Bestätigung bedürfen, was in Bayern, Württemberg,
Baden ausdrücklich vorgeschrieben ist, während in andern Staaten die
Natur der Sache das Gesetz ersetzen muß.

Das Recht solcher Verfügungen ist nun dem Principe nach sehr
einfach. Da jede Verfügung einen Willensakt der vollziehenden Gewalt
enthält, so fordert dieselbe zunächst den staatsbürgerlichen Gehorsam.
Der Einzelne ist nicht zum Widerstande berechtigt. Er hat selbst die Com-
petenz der betreffenden Behörde nicht zu untersuchen; wohl aber hat er
das Recht, zu fordern, daß die Verfügung als Wille und Vorschrift

ſondern nur als die öffentlich rechtliche Formulirung deſſelben angeſehen
werden. Die Polizei hat an ſich das Recht zu Polizeiverfügungen,
und keine Geſetzgebung der Welt hat es der Polizei jemals beſtritten
oder verweigert.

Die Competenz zum Erlaß der Polizeiverfügung überhaupt —
noch ohne Beziehung auf das Polizeiſtrafrecht — iſt eben deßhalb durch
die Natur der Funktion jedes einzelnen Organes gegeben, auch ohne
daß ſie beſtimmt ausgeſprochen oder formulirt wäre. Jedes Organ
der Verwaltung hat die, für die Sicherung ſeiner ſpeziellen
Funktion nothwendige Beſchränkung der Thätigkeit des Einzelnen durch
Gebot und Verbot zu beſtimmen. Es gehören daher zum allgemeinſten
Begriffe der Polizeiverfügungen auch diejenigen Anordnungen irgend
einer Behörde, welche ſich auf ihren ſpeziellen Dienſtverkehr mit dem
Einzelnen beziehen. (Bureaudienſtvorſchriften ꝛc.) Indeſſen verſteht man
unter Polizeiverfügungen im eigentlichen Sinne doch nur diejenigen,
welche das Verhalten des Einzelnen und ſeiner Thätigkeit zum öffent-
lichen Verkehr
betreffen. Und hier kann es kein Zweifel ſein, daß
die Competenz zu ſolchen Verfügungen nur denjenigen Organen zuſteht,
welche für die Sicherheit eben dieſes öffentlichen Verkehrs zu ſorgen
haben. Dieſe nun ſind entweder ſtaatliche Organe, oder Organe der
Selbſtverwaltung, alſo weſentlich Gemeindeorgane. Die Natur der Sache
bringt es mit ſich, daß die ſtaatlichen Organe die allgemeine Sicherheit,
die Gemeindeorgane die örtliche aufrecht halten. Die Gränze zwiſchen
beiden Begriffen iſt daher auch im Grunde die Gränze zwiſchen der Com-
petenz der ſtaatlichen und der Gemeindebehörde. Und es folgt daraus,
daß grundſätzlich die Gemeindeordnungen die Grundlage der Competenz
zum Erlaß von Polizeiverfügungen enthalten; während eine ſolche Com-
petenz für Vereine nur ausnahmsweiſe bei ſolchen Erwerbsgeſellſchaften
eintritt, die mit dem öffentlichen Verkehr zu thun haben, wie Eiſen-
bahngeſellſchaften u. a. Dagegen haben die Regierungen faſt durchgehend
den Grundſatz feſtgehalten, daß diejenigen ortspolizeilichen Vorſchriften,
welche ſich zugleich auf allgemeine Verkehrsverhältniſſe beziehen, einer
höheren amtlichen Beſtätigung bedürfen, was in Bayern, Württemberg,
Baden ausdrücklich vorgeſchrieben iſt, während in andern Staaten die
Natur der Sache das Geſetz erſetzen muß.

Das Recht ſolcher Verfügungen iſt nun dem Principe nach ſehr
einfach. Da jede Verfügung einen Willensakt der vollziehenden Gewalt
enthält, ſo fordert dieſelbe zunächſt den ſtaatsbürgerlichen Gehorſam.
Der Einzelne iſt nicht zum Widerſtande berechtigt. Er hat ſelbſt die Com-
petenz der betreffenden Behörde nicht zu unterſuchen; wohl aber hat er
das Recht, zu fordern, daß die Verfügung als Wille und Vorſchrift

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0054" n="32"/>
&#x017F;ondern nur als die öffentlich rechtliche Formulirung de&#x017F;&#x017F;elben ange&#x017F;ehen<lb/>
werden. Die Polizei hat <hi rendition="#g">an &#x017F;ich</hi> das Recht zu Polizeiverfügungen,<lb/>
und <hi rendition="#g">keine</hi> Ge&#x017F;etzgebung der Welt hat es der Polizei jemals be&#x017F;tritten<lb/>
oder verweigert.</p><lb/>
                  <p>Die <hi rendition="#g">Competenz</hi> zum Erlaß der Polizeiverfügung überhaupt &#x2014;<lb/>
noch <hi rendition="#g">ohne</hi> Beziehung auf das Polizei&#x017F;trafrecht &#x2014; i&#x017F;t eben deßhalb durch<lb/>
die Natur der Funktion jedes einzelnen Organes gegeben, auch <hi rendition="#g">ohne</hi><lb/>
daß &#x017F;ie be&#x017F;timmt ausge&#x017F;prochen oder formulirt wäre. <hi rendition="#g">Jedes</hi> Organ<lb/>
der Verwaltung hat die, für die <hi rendition="#g">Sicherung &#x017F;einer &#x017F;peziellen</hi><lb/>
Funktion nothwendige Be&#x017F;chränkung der Thätigkeit des Einzelnen durch<lb/>
Gebot und Verbot zu be&#x017F;timmen. Es gehören daher zum allgemein&#x017F;ten<lb/>
Begriffe der Polizeiverfügungen auch diejenigen Anordnungen irgend<lb/>
einer Behörde, welche &#x017F;ich auf ihren &#x017F;peziellen <hi rendition="#g">Dien&#x017F;tverkehr</hi> mit dem<lb/>
Einzelnen beziehen. (Bureaudien&#x017F;tvor&#x017F;chriften &#xA75B;c.) Inde&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;teht man<lb/>
unter Polizeiverfügungen im eigentlichen Sinne doch nur diejenigen,<lb/>
welche das Verhalten des Einzelnen und &#x017F;einer Thätigkeit zum <hi rendition="#g">öffent-<lb/>
lichen Verkehr</hi> betreffen. Und hier kann es kein Zweifel &#x017F;ein, daß<lb/>
die Competenz zu &#x017F;olchen Verfügungen nur denjenigen Organen zu&#x017F;teht,<lb/>
welche für die Sicherheit eben die&#x017F;es öffentlichen Verkehrs zu &#x017F;orgen<lb/>
haben. Die&#x017F;e nun &#x017F;ind entweder &#x017F;taatliche Organe, oder Organe der<lb/>
Selb&#x017F;tverwaltung, al&#x017F;o we&#x017F;entlich Gemeindeorgane. Die Natur der Sache<lb/>
bringt es mit &#x017F;ich, daß die &#x017F;taatlichen Organe die allgemeine Sicherheit,<lb/>
die Gemeindeorgane die örtliche aufrecht halten. Die <hi rendition="#g">Gränze</hi> zwi&#x017F;chen<lb/>
beiden Begriffen i&#x017F;t daher auch im Grunde die Gränze zwi&#x017F;chen der Com-<lb/>
petenz der &#x017F;taatlichen und der Gemeindebehörde. Und es folgt daraus,<lb/>
daß grund&#x017F;ätzlich die Gemeindeordnungen die Grundlage der Competenz<lb/>
zum Erlaß von Polizeiverfügungen enthalten; während eine &#x017F;olche Com-<lb/>
petenz für Vereine nur ausnahmswei&#x017F;e bei &#x017F;olchen Erwerbsge&#x017F;ell&#x017F;chaften<lb/>
eintritt, die mit dem öffentlichen Verkehr zu thun haben, wie Ei&#x017F;en-<lb/>
bahnge&#x017F;ell&#x017F;chaften u. a. Dagegen haben die Regierungen fa&#x017F;t durchgehend<lb/>
den Grund&#x017F;atz fe&#x017F;tgehalten, daß diejenigen ortspolizeilichen Vor&#x017F;chriften,<lb/>
welche &#x017F;ich zugleich auf allgemeine Verkehrsverhältni&#x017F;&#x017F;e beziehen, einer<lb/>
höheren amtlichen Be&#x017F;tätigung bedürfen, was in Bayern, Württemberg,<lb/>
Baden ausdrücklich vorge&#x017F;chrieben i&#x017F;t, während in andern Staaten die<lb/>
Natur der Sache das Ge&#x017F;etz er&#x017F;etzen muß.</p><lb/>
                  <p>Das <hi rendition="#g">Recht</hi> &#x017F;olcher Verfügungen i&#x017F;t nun dem Principe nach &#x017F;ehr<lb/>
einfach. Da jede Verfügung einen Willensakt der vollziehenden Gewalt<lb/>
enthält, &#x017F;o fordert die&#x017F;elbe <hi rendition="#g">zunäch&#x017F;t</hi> den &#x017F;taatsbürgerlichen Gehor&#x017F;am.<lb/>
Der Einzelne i&#x017F;t nicht zum Wider&#x017F;tande berechtigt. Er hat &#x017F;elb&#x017F;t die Com-<lb/>
petenz der betreffenden Behörde nicht zu unter&#x017F;uchen; wohl aber hat er<lb/>
das Recht, zu fordern, daß die Verfügung als Wille und Vor&#x017F;chrift<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0054] ſondern nur als die öffentlich rechtliche Formulirung deſſelben angeſehen werden. Die Polizei hat an ſich das Recht zu Polizeiverfügungen, und keine Geſetzgebung der Welt hat es der Polizei jemals beſtritten oder verweigert. Die Competenz zum Erlaß der Polizeiverfügung überhaupt — noch ohne Beziehung auf das Polizeiſtrafrecht — iſt eben deßhalb durch die Natur der Funktion jedes einzelnen Organes gegeben, auch ohne daß ſie beſtimmt ausgeſprochen oder formulirt wäre. Jedes Organ der Verwaltung hat die, für die Sicherung ſeiner ſpeziellen Funktion nothwendige Beſchränkung der Thätigkeit des Einzelnen durch Gebot und Verbot zu beſtimmen. Es gehören daher zum allgemeinſten Begriffe der Polizeiverfügungen auch diejenigen Anordnungen irgend einer Behörde, welche ſich auf ihren ſpeziellen Dienſtverkehr mit dem Einzelnen beziehen. (Bureaudienſtvorſchriften ꝛc.) Indeſſen verſteht man unter Polizeiverfügungen im eigentlichen Sinne doch nur diejenigen, welche das Verhalten des Einzelnen und ſeiner Thätigkeit zum öffent- lichen Verkehr betreffen. Und hier kann es kein Zweifel ſein, daß die Competenz zu ſolchen Verfügungen nur denjenigen Organen zuſteht, welche für die Sicherheit eben dieſes öffentlichen Verkehrs zu ſorgen haben. Dieſe nun ſind entweder ſtaatliche Organe, oder Organe der Selbſtverwaltung, alſo weſentlich Gemeindeorgane. Die Natur der Sache bringt es mit ſich, daß die ſtaatlichen Organe die allgemeine Sicherheit, die Gemeindeorgane die örtliche aufrecht halten. Die Gränze zwiſchen beiden Begriffen iſt daher auch im Grunde die Gränze zwiſchen der Com- petenz der ſtaatlichen und der Gemeindebehörde. Und es folgt daraus, daß grundſätzlich die Gemeindeordnungen die Grundlage der Competenz zum Erlaß von Polizeiverfügungen enthalten; während eine ſolche Com- petenz für Vereine nur ausnahmsweiſe bei ſolchen Erwerbsgeſellſchaften eintritt, die mit dem öffentlichen Verkehr zu thun haben, wie Eiſen- bahngeſellſchaften u. a. Dagegen haben die Regierungen faſt durchgehend den Grundſatz feſtgehalten, daß diejenigen ortspolizeilichen Vorſchriften, welche ſich zugleich auf allgemeine Verkehrsverhältniſſe beziehen, einer höheren amtlichen Beſtätigung bedürfen, was in Bayern, Württemberg, Baden ausdrücklich vorgeſchrieben iſt, während in andern Staaten die Natur der Sache das Geſetz erſetzen muß. Das Recht ſolcher Verfügungen iſt nun dem Principe nach ſehr einfach. Da jede Verfügung einen Willensakt der vollziehenden Gewalt enthält, ſo fordert dieſelbe zunächſt den ſtaatsbürgerlichen Gehorſam. Der Einzelne iſt nicht zum Widerſtande berechtigt. Er hat ſelbſt die Com- petenz der betreffenden Behörde nicht zu unterſuchen; wohl aber hat er das Recht, zu fordern, daß die Verfügung als Wille und Vorſchrift

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/54
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/54>, abgerufen am 24.11.2024.