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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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anerkennen, ein gesetzliches Polizeirecht zu schaffen, und somit die
staatsbürgerliche Freiheit durch Gesetze statt durch Verordnungen in
ihrer Sphäre zu beschränken, wo die öffentliche Sicherheit dieß fordert.

Allein dabei steht zweitens fest, daß eine allgemeine Codification
des Polizeirechts überhaupt eben so unthunlich ist, als eine genauere
Bestimmung der Funktion der Polizei in jedem einzelnen Falle. Die
Bildung des verfassungsmäßigen Polizeirechts muß daher einen andern
Weg einschlagen, und hat dieß auch bisher in ganz naturgemäßer Weise
gethan. Dieselbe tritt nämlich in zwei Richtungen ein, die, wie wir
gleich hier bemerken wollen, nicht gleichmäßig ausgebildet sind. Es ist
vielmehr gewiß, daß der Charakter des Polizeirechts eines jeden Landes
in dem Verhältniß besteht, in welchem diese beiden Richtungen
neben einander zur Geltung und zur Entwicklung gediehen
sind
.

Die erste und natürlichste dieser Richtungen bestand darin, daß
man, so weit thunlich, das Recht aller Polizei in einzelnen Gesetzen
für die einzelnen polizeilichen Aufgaben feststellte, welche dann die
Gränze für die Berechtigung der Polizeifunktion in ihrer Beschränkung
der persönlichen Freiheit bilden. Wir bemerken dabei nur, daß diese
Gesetzgebung in vier Gruppen erscheint. Die erste ist in der Auf-
nahme gewisser Gesetze für die Sicherheitspolizei in die verschiedenen
Verfassungen gegeben. Die zweite besteht in den Rechtsbestimmungen
über die Finanzbehörden (Regalien und Steuererhebung), die dritte
in den Strafproceßordnungen (gerichtliches Polizeirecht), die vierte
endlich in den Gesetzen über die innere Polizei. Die letztern nennt man
zweckmäßig die eigentliche Polizeigesetzgebung. Es wird unsre
Aufgabe sein, sie weiter unten näher zu charakterisiren.

Die zweite der obigen Richtungen enthält nun das System der
rechtlichen Verantwortlichkeit und Haftung der Polizeiorgane für
das, was sie im Namen des Polizeirechts wirklich ausgeführt haben.
Dieß System ist nun allerdings formell mit einiger Schwierigkeit auf-
zustellen; in Wirklichkeit aber ist es sehr einfach, und wir werden es
gleichfalls unten ausführen.

Dieß sind nun die beiden Grundlagen für die Bildung des posi-
tiven Polizeirechts als eines selbständigen, aber formell mit dem ge-
sammten Gebiete der Verwaltung innig verschmolzenen Theiles des
öffentlichen Rechts. Die "Polizeigesetzkunde" oder das "Polizeirecht"
der einzelnen Staaten wird demnach die Gesammtheit eben jener ein-
zelnen Gesetze enthalten, vermöge welcher das an sich dem Ermessen
der Polizei überlassene Recht derselben so weit möglich objektiv bestimmt
wird. In diesem Sinne ist der Begriff des Polizeirechts ein sehr ein-

anerkennen, ein geſetzliches Polizeirecht zu ſchaffen, und ſomit die
ſtaatsbürgerliche Freiheit durch Geſetze ſtatt durch Verordnungen in
ihrer Sphäre zu beſchränken, wo die öffentliche Sicherheit dieß fordert.

Allein dabei ſteht zweitens feſt, daß eine allgemeine Codification
des Polizeirechts überhaupt eben ſo unthunlich iſt, als eine genauere
Beſtimmung der Funktion der Polizei in jedem einzelnen Falle. Die
Bildung des verfaſſungsmäßigen Polizeirechts muß daher einen andern
Weg einſchlagen, und hat dieß auch bisher in ganz naturgemäßer Weiſe
gethan. Dieſelbe tritt nämlich in zwei Richtungen ein, die, wie wir
gleich hier bemerken wollen, nicht gleichmäßig ausgebildet ſind. Es iſt
vielmehr gewiß, daß der Charakter des Polizeirechts eines jeden Landes
in dem Verhältniß beſteht, in welchem dieſe beiden Richtungen
neben einander zur Geltung und zur Entwicklung gediehen
ſind
.

Die erſte und natürlichſte dieſer Richtungen beſtand darin, daß
man, ſo weit thunlich, das Recht aller Polizei in einzelnen Geſetzen
für die einzelnen polizeilichen Aufgaben feſtſtellte, welche dann die
Gränze für die Berechtigung der Polizeifunktion in ihrer Beſchränkung
der perſönlichen Freiheit bilden. Wir bemerken dabei nur, daß dieſe
Geſetzgebung in vier Gruppen erſcheint. Die erſte iſt in der Auf-
nahme gewiſſer Geſetze für die Sicherheitspolizei in die verſchiedenen
Verfaſſungen gegeben. Die zweite beſteht in den Rechtsbeſtimmungen
über die Finanzbehörden (Regalien und Steuererhebung), die dritte
in den Strafproceßordnungen (gerichtliches Polizeirecht), die vierte
endlich in den Geſetzen über die innere Polizei. Die letztern nennt man
zweckmäßig die eigentliche Polizeigeſetzgebung. Es wird unſre
Aufgabe ſein, ſie weiter unten näher zu charakteriſiren.

Die zweite der obigen Richtungen enthält nun das Syſtem der
rechtlichen Verantwortlichkeit und Haftung der Polizeiorgane für
das, was ſie im Namen des Polizeirechts wirklich ausgeführt haben.
Dieß Syſtem iſt nun allerdings formell mit einiger Schwierigkeit auf-
zuſtellen; in Wirklichkeit aber iſt es ſehr einfach, und wir werden es
gleichfalls unten ausführen.

Dieß ſind nun die beiden Grundlagen für die Bildung des poſi-
tiven Polizeirechts als eines ſelbſtändigen, aber formell mit dem ge-
ſammten Gebiete der Verwaltung innig verſchmolzenen Theiles des
öffentlichen Rechts. Die „Polizeigeſetzkunde“ oder das „Polizeirecht“
der einzelnen Staaten wird demnach die Geſammtheit eben jener ein-
zelnen Geſetze enthalten, vermöge welcher das an ſich dem Ermeſſen
der Polizei überlaſſene Recht derſelben ſo weit möglich objektiv beſtimmt
wird. In dieſem Sinne iſt der Begriff des Polizeirechts ein ſehr ein-

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[30/0052] anerkennen, ein geſetzliches Polizeirecht zu ſchaffen, und ſomit die ſtaatsbürgerliche Freiheit durch Geſetze ſtatt durch Verordnungen in ihrer Sphäre zu beſchränken, wo die öffentliche Sicherheit dieß fordert. Allein dabei ſteht zweitens feſt, daß eine allgemeine Codification des Polizeirechts überhaupt eben ſo unthunlich iſt, als eine genauere Beſtimmung der Funktion der Polizei in jedem einzelnen Falle. Die Bildung des verfaſſungsmäßigen Polizeirechts muß daher einen andern Weg einſchlagen, und hat dieß auch bisher in ganz naturgemäßer Weiſe gethan. Dieſelbe tritt nämlich in zwei Richtungen ein, die, wie wir gleich hier bemerken wollen, nicht gleichmäßig ausgebildet ſind. Es iſt vielmehr gewiß, daß der Charakter des Polizeirechts eines jeden Landes in dem Verhältniß beſteht, in welchem dieſe beiden Richtungen neben einander zur Geltung und zur Entwicklung gediehen ſind. Die erſte und natürlichſte dieſer Richtungen beſtand darin, daß man, ſo weit thunlich, das Recht aller Polizei in einzelnen Geſetzen für die einzelnen polizeilichen Aufgaben feſtſtellte, welche dann die Gränze für die Berechtigung der Polizeifunktion in ihrer Beſchränkung der perſönlichen Freiheit bilden. Wir bemerken dabei nur, daß dieſe Geſetzgebung in vier Gruppen erſcheint. Die erſte iſt in der Auf- nahme gewiſſer Geſetze für die Sicherheitspolizei in die verſchiedenen Verfaſſungen gegeben. Die zweite beſteht in den Rechtsbeſtimmungen über die Finanzbehörden (Regalien und Steuererhebung), die dritte in den Strafproceßordnungen (gerichtliches Polizeirecht), die vierte endlich in den Geſetzen über die innere Polizei. Die letztern nennt man zweckmäßig die eigentliche Polizeigeſetzgebung. Es wird unſre Aufgabe ſein, ſie weiter unten näher zu charakteriſiren. Die zweite der obigen Richtungen enthält nun das Syſtem der rechtlichen Verantwortlichkeit und Haftung der Polizeiorgane für das, was ſie im Namen des Polizeirechts wirklich ausgeführt haben. Dieß Syſtem iſt nun allerdings formell mit einiger Schwierigkeit auf- zuſtellen; in Wirklichkeit aber iſt es ſehr einfach, und wir werden es gleichfalls unten ausführen. Dieß ſind nun die beiden Grundlagen für die Bildung des poſi- tiven Polizeirechts als eines ſelbſtändigen, aber formell mit dem ge- ſammten Gebiete der Verwaltung innig verſchmolzenen Theiles des öffentlichen Rechts. Die „Polizeigeſetzkunde“ oder das „Polizeirecht“ der einzelnen Staaten wird demnach die Geſammtheit eben jener ein- zelnen Geſetze enthalten, vermöge welcher das an ſich dem Ermeſſen der Polizei überlaſſene Recht derſelben ſo weit möglich objektiv beſtimmt wird. In dieſem Sinne iſt der Begriff des Polizeirechts ein ſehr ein-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/52>, abgerufen am 24.11.2024.