Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.die persönliche Freiheit nur so weit beschränken soll, daß die Thatsachen, Der dritte Grundsatz ist nun der, daß die Polizei für das, was Die Anwendung dieser Grundsätze findet sich nun in den folgen- Da eine eigene Gesetzgebung über das Recht der Einzelpolizei im die perſönliche Freiheit nur ſo weit beſchränken ſoll, daß die Thatſachen, Der dritte Grundſatz iſt nun der, daß die Polizei für das, was Die Anwendung dieſer Grundſätze findet ſich nun in den folgen- Da eine eigene Geſetzgebung über das Recht der Einzelpolizei im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0161" n="139"/> die perſönliche Freiheit nur ſo weit beſchränken ſoll, daß die Thatſachen,<lb/> auf die es ankommt, ungetrübt und ungeſtört dem Gerichte vorgelegt<lb/> werden können. Die Polizei hat daher hier eine weſentlich <hi rendition="#g">negative</hi><lb/> Aufgabe. Sie hat den Einzelnen zu nichts zu zwingen, ſondern ihn<lb/> nur zu <hi rendition="#g">hindern</hi>, ſich ſelbſt oder Beweismittel dem gerichtlichen Ver-<lb/> fahren zu entziehen. Alles was darüber hinausgeht, liegt ſchon außer-<lb/> halb der Sphäre des Rechts der Sicherheitspolizei, und in der That ſind<lb/> die meiſten Sätze der folgenden einzelnen Fälle nichts anders als An-<lb/> wendungen dieſes Satzes.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">dritte</hi> Grundſatz iſt nun der, daß die Polizei für das, was<lb/> ſie in dieſer Beziehung wirklich thut, dem Einzelnen <hi rendition="#g">haftet</hi>, und daß<lb/> mithin derſelbe in allen Fällen das betreffende Organ auf dem Wege<lb/> der Klage für ſein Verfahren gerichtlich verfolgen kann. Dieß iſt natür-<lb/> lich der wichtigſte von allen Sätzen; von ihm hängt der praktiſche Werth<lb/> der obigen Principien ab, und es muß gefordert werden, daß jede Ge-<lb/> ſetzgebung dieſes Klagrecht als ein ſelbſtändiges Recht anerkenne und<lb/> als ſolches formulire.</p><lb/> <p>Die Anwendung dieſer Grundſätze findet ſich nun in den folgen-<lb/> den Punkten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Da eine eigene Geſetzgebung über das Recht der Einzelpolizei im<lb/> Allgemeinen fehlt, ſo wird das, was über die Verantwortlichkeit der Polizei<lb/> beſtimmt iſt, für dieß ganze Gebiet des Polizeirechts entſcheidend. Nun<lb/> ſteht allerdings wohl in ganz Europa feſt, daß jeder Beamtete für die<lb/> Ueberſchreitung ſeiner amtlichen Gewalt gerichtlich zur Rechenſchaft ge-<lb/> zogen werden kann. Allein dieß Princip hat dennoch zwei weſentlich<lb/> verſchiedene Formen, die wir als die engliſche und die continentale<lb/> bezeichnen können. Das engliſche Princip iſt, wie ſchon früher ausge-<lb/> führt, daß jeder, der ſich durch die Ausübung der Polizeigewalt verletzt<lb/> glaubt, das betreffende Organ auf dem Wege der Einzelklage ver-<lb/> folgen, und eventuell zu Strafe und Schadenerſatz verurtheilen laſſen<lb/> kann (ſ. oben und in der vollziehenden Gewalt). Die viel ſtrengere amt-<lb/> liche Entwicklung auf dem Continent hat das Princip der Haftung zwar<lb/> ſchon in der franzöſiſchen Revolution in allgemeinen Sätzen anerkannt,<lb/> allein es hat ſich <hi rendition="#g">nie</hi> zum engliſchen Recht der Privatklage gegen das<lb/> Polizeiorgan erheben können. Der franzöſiſche Grundſatz iſt ſchon in der<lb/><hi rendition="#aq">Déclaration des droits (art. 9)</hi> aufgeſtellt, freilich nur für die Verhaftung:<lb/><hi rendition="#aq">„toute rigueur qui ne serait pas nécessaire pour s’assurer (d’une<lb/> personne) doit être sévèrement réprimée par la loi“</hi> und dann ſpeziell<lb/> wiederholt in der Conſtitution von 1793, Art. 10. Die folgende Zeit<lb/> läßt denſelben dann aus den Verfaſſungen weg und ſchiebt ihn in das<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [139/0161]
die perſönliche Freiheit nur ſo weit beſchränken ſoll, daß die Thatſachen,
auf die es ankommt, ungetrübt und ungeſtört dem Gerichte vorgelegt
werden können. Die Polizei hat daher hier eine weſentlich negative
Aufgabe. Sie hat den Einzelnen zu nichts zu zwingen, ſondern ihn
nur zu hindern, ſich ſelbſt oder Beweismittel dem gerichtlichen Ver-
fahren zu entziehen. Alles was darüber hinausgeht, liegt ſchon außer-
halb der Sphäre des Rechts der Sicherheitspolizei, und in der That ſind
die meiſten Sätze der folgenden einzelnen Fälle nichts anders als An-
wendungen dieſes Satzes.
Der dritte Grundſatz iſt nun der, daß die Polizei für das, was
ſie in dieſer Beziehung wirklich thut, dem Einzelnen haftet, und daß
mithin derſelbe in allen Fällen das betreffende Organ auf dem Wege
der Klage für ſein Verfahren gerichtlich verfolgen kann. Dieß iſt natür-
lich der wichtigſte von allen Sätzen; von ihm hängt der praktiſche Werth
der obigen Principien ab, und es muß gefordert werden, daß jede Ge-
ſetzgebung dieſes Klagrecht als ein ſelbſtändiges Recht anerkenne und
als ſolches formulire.
Die Anwendung dieſer Grundſätze findet ſich nun in den folgen-
den Punkten.
Da eine eigene Geſetzgebung über das Recht der Einzelpolizei im
Allgemeinen fehlt, ſo wird das, was über die Verantwortlichkeit der Polizei
beſtimmt iſt, für dieß ganze Gebiet des Polizeirechts entſcheidend. Nun
ſteht allerdings wohl in ganz Europa feſt, daß jeder Beamtete für die
Ueberſchreitung ſeiner amtlichen Gewalt gerichtlich zur Rechenſchaft ge-
zogen werden kann. Allein dieß Princip hat dennoch zwei weſentlich
verſchiedene Formen, die wir als die engliſche und die continentale
bezeichnen können. Das engliſche Princip iſt, wie ſchon früher ausge-
führt, daß jeder, der ſich durch die Ausübung der Polizeigewalt verletzt
glaubt, das betreffende Organ auf dem Wege der Einzelklage ver-
folgen, und eventuell zu Strafe und Schadenerſatz verurtheilen laſſen
kann (ſ. oben und in der vollziehenden Gewalt). Die viel ſtrengere amt-
liche Entwicklung auf dem Continent hat das Princip der Haftung zwar
ſchon in der franzöſiſchen Revolution in allgemeinen Sätzen anerkannt,
allein es hat ſich nie zum engliſchen Recht der Privatklage gegen das
Polizeiorgan erheben können. Der franzöſiſche Grundſatz iſt ſchon in der
Déclaration des droits (art. 9) aufgeſtellt, freilich nur für die Verhaftung:
„toute rigueur qui ne serait pas nécessaire pour s’assurer (d’une
personne) doit être sévèrement réprimée par la loi“ und dann ſpeziell
wiederholt in der Conſtitution von 1793, Art. 10. Die folgende Zeit
läßt denſelben dann aus den Verfaſſungen weg und ſchiebt ihn in das
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Zitationshilfe: | Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/161>, abgerufen am 27.07.2024. |