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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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solcher Verbrechen abzuhalten, und daß daher die Furcht vor unmittel-
barer Strafe als äußerstes Mittel zur Verhinderung derselben gebraucht
werden muß, während der Kriegszustand es mit Verbrechen überhaupt
nicht zu thun hat. Daraus geht nun auch das Recht des Standrechts
(bürgerlichen Belagerungszustandes) in seiner specifischen Unterscheidung
von dem des Kriegszustandes fast von selbst hervor. Das Princip
dieses Rechts muß es darnach sein, diejenigen Maßregeln zu ergreifen,
welche zum Zweck der Abschreckung eben die unmittelbare Bestrafung
der, die gesammte Rechtsordnung gefährdenden Verbrechen möglich
machen. Das Mittel dafür ist die Aufhebung des bürgerlichen Rechts
für das Verfahren der gerichtlichen Polizei und der Strafgerichte.
Das System desselben enthält folgende wesentliche Punkte.

Zuerst muß die Erklärung des Standrechts von derjenigen Be-
hörde ausgehen, welche für die öffentliche Sicherheit die Verantwort-
lichkeit hat, also nicht wie beim Kriegszustand von der militärischen,
sondern von der (politischen) Verwaltungsbehörde. Die Beziehung
desselben auf Verbrechen und Rechtspflege fordert dabei, daß eine Ueber-
einstimmung der letzteren mit den höheren Behörden der Rechtspflege
voraufgehe; indeß muß der Verwaltungsbehörde als Vertreterin der
Sicherheit das Recht zustehen, einseitig das Standrecht zu erklären,
dann aber sofort bei Nichtübereinstimmung mit dem Gerichte die definitive
Entscheidung des Verwaltungsministeriums darüber einzuholen.

Zweitens muß die Erklärung formell und öffentlich geschehen, in
der Weise, daß sie zu jedermanns Kunde gelangen kann (Trommel-
schlag, Markt etc.).

Drittens hat dieselbe ihrem Inhalt nach sich 1) nur auf die-
jenigen bestimmten Verbrechen zu beziehen, welche eben durch ihre
häufige Wiederholung den Grund zur Erklärung selbst abgegeben haben.
Die Standrechtserklärung soll daher in Beziehung auf diese Verbrechen
stets so bestimmt lauten als möglich. Sie wird consequent sich auf
solche Verbrechen beschränken, welche die öffentliche Ruhe und Ordnung
direkt oder indirekt stören, und nicht mit solchen zu thun haben, die
nicht in das öffentliche Leben eingreifen. 2) Hat die Erklärung des
Belagerungszustandes ein neues System der Strafe aufzustellen, welches
naturgemäß in härteren, als den regelmäßigen Strafen besteht. Der
Grund der größeren Härte liegt darin, daß das Verbrechen selbst durch
die, in einem solchen aufgeregten Zustande liegende Gefährdung der
öffentlichen Ordnung ein doppeltes wird, indem zu dem Verbrechen
gegen das höhere oder niedere Individuum (Majestätsverbrechen, Mord,
Brand etc.) stets ein Verbrechen gegen die Rechtsordnung als solche
hinzukommt. Die Anwendung der Todesstrafe scheint jedoch nicht

ſolcher Verbrechen abzuhalten, und daß daher die Furcht vor unmittel-
barer Strafe als äußerſtes Mittel zur Verhinderung derſelben gebraucht
werden muß, während der Kriegszuſtand es mit Verbrechen überhaupt
nicht zu thun hat. Daraus geht nun auch das Recht des Standrechts
(bürgerlichen Belagerungszuſtandes) in ſeiner ſpecifiſchen Unterſcheidung
von dem des Kriegszuſtandes faſt von ſelbſt hervor. Das Princip
dieſes Rechts muß es darnach ſein, diejenigen Maßregeln zu ergreifen,
welche zum Zweck der Abſchreckung eben die unmittelbare Beſtrafung
der, die geſammte Rechtsordnung gefährdenden Verbrechen möglich
machen. Das Mittel dafür iſt die Aufhebung des bürgerlichen Rechts
für das Verfahren der gerichtlichen Polizei und der Strafgerichte.
Das Syſtem deſſelben enthält folgende weſentliche Punkte.

Zuerſt muß die Erklärung des Standrechts von derjenigen Be-
hörde ausgehen, welche für die öffentliche Sicherheit die Verantwort-
lichkeit hat, alſo nicht wie beim Kriegszuſtand von der militäriſchen,
ſondern von der (politiſchen) Verwaltungsbehörde. Die Beziehung
deſſelben auf Verbrechen und Rechtspflege fordert dabei, daß eine Ueber-
einſtimmung der letzteren mit den höheren Behörden der Rechtspflege
voraufgehe; indeß muß der Verwaltungsbehörde als Vertreterin der
Sicherheit das Recht zuſtehen, einſeitig das Standrecht zu erklären,
dann aber ſofort bei Nichtübereinſtimmung mit dem Gerichte die definitive
Entſcheidung des Verwaltungsminiſteriums darüber einzuholen.

Zweitens muß die Erklärung formell und öffentlich geſchehen, in
der Weiſe, daß ſie zu jedermanns Kunde gelangen kann (Trommel-
ſchlag, Markt ꝛc.).

Drittens hat dieſelbe ihrem Inhalt nach ſich 1) nur auf die-
jenigen beſtimmten Verbrechen zu beziehen, welche eben durch ihre
häufige Wiederholung den Grund zur Erklärung ſelbſt abgegeben haben.
Die Standrechtserklärung ſoll daher in Beziehung auf dieſe Verbrechen
ſtets ſo beſtimmt lauten als möglich. Sie wird conſequent ſich auf
ſolche Verbrechen beſchränken, welche die öffentliche Ruhe und Ordnung
direkt oder indirekt ſtören, und nicht mit ſolchen zu thun haben, die
nicht in das öffentliche Leben eingreifen. 2) Hat die Erklärung des
Belagerungszuſtandes ein neues Syſtem der Strafe aufzuſtellen, welches
naturgemäß in härteren, als den regelmäßigen Strafen beſteht. Der
Grund der größeren Härte liegt darin, daß das Verbrechen ſelbſt durch
die, in einem ſolchen aufgeregten Zuſtande liegende Gefährdung der
öffentlichen Ordnung ein doppeltes wird, indem zu dem Verbrechen
gegen das höhere oder niedere Individuum (Majeſtätsverbrechen, Mord,
Brand ꝛc.) ſtets ein Verbrechen gegen die Rechtsordnung als ſolche
hinzukommt. Die Anwendung der Todesſtrafe ſcheint jedoch nicht

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[127/0149] ſolcher Verbrechen abzuhalten, und daß daher die Furcht vor unmittel- barer Strafe als äußerſtes Mittel zur Verhinderung derſelben gebraucht werden muß, während der Kriegszuſtand es mit Verbrechen überhaupt nicht zu thun hat. Daraus geht nun auch das Recht des Standrechts (bürgerlichen Belagerungszuſtandes) in ſeiner ſpecifiſchen Unterſcheidung von dem des Kriegszuſtandes faſt von ſelbſt hervor. Das Princip dieſes Rechts muß es darnach ſein, diejenigen Maßregeln zu ergreifen, welche zum Zweck der Abſchreckung eben die unmittelbare Beſtrafung der, die geſammte Rechtsordnung gefährdenden Verbrechen möglich machen. Das Mittel dafür iſt die Aufhebung des bürgerlichen Rechts für das Verfahren der gerichtlichen Polizei und der Strafgerichte. Das Syſtem deſſelben enthält folgende weſentliche Punkte. Zuerſt muß die Erklärung des Standrechts von derjenigen Be- hörde ausgehen, welche für die öffentliche Sicherheit die Verantwort- lichkeit hat, alſo nicht wie beim Kriegszuſtand von der militäriſchen, ſondern von der (politiſchen) Verwaltungsbehörde. Die Beziehung deſſelben auf Verbrechen und Rechtspflege fordert dabei, daß eine Ueber- einſtimmung der letzteren mit den höheren Behörden der Rechtspflege voraufgehe; indeß muß der Verwaltungsbehörde als Vertreterin der Sicherheit das Recht zuſtehen, einſeitig das Standrecht zu erklären, dann aber ſofort bei Nichtübereinſtimmung mit dem Gerichte die definitive Entſcheidung des Verwaltungsminiſteriums darüber einzuholen. Zweitens muß die Erklärung formell und öffentlich geſchehen, in der Weiſe, daß ſie zu jedermanns Kunde gelangen kann (Trommel- ſchlag, Markt ꝛc.). Drittens hat dieſelbe ihrem Inhalt nach ſich 1) nur auf die- jenigen beſtimmten Verbrechen zu beziehen, welche eben durch ihre häufige Wiederholung den Grund zur Erklärung ſelbſt abgegeben haben. Die Standrechtserklärung ſoll daher in Beziehung auf dieſe Verbrechen ſtets ſo beſtimmt lauten als möglich. Sie wird conſequent ſich auf ſolche Verbrechen beſchränken, welche die öffentliche Ruhe und Ordnung direkt oder indirekt ſtören, und nicht mit ſolchen zu thun haben, die nicht in das öffentliche Leben eingreifen. 2) Hat die Erklärung des Belagerungszuſtandes ein neues Syſtem der Strafe aufzuſtellen, welches naturgemäß in härteren, als den regelmäßigen Strafen beſteht. Der Grund der größeren Härte liegt darin, daß das Verbrechen ſelbſt durch die, in einem ſolchen aufgeregten Zuſtande liegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung ein doppeltes wird, indem zu dem Verbrechen gegen das höhere oder niedere Individuum (Majeſtätsverbrechen, Mord, Brand ꝛc.) ſtets ein Verbrechen gegen die Rechtsordnung als ſolche hinzukommt. Die Anwendung der Todesſtrafe ſcheint jedoch nicht

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/149>, abgerufen am 28.11.2024.