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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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erste Loi martiale ist vom 21. Okt. 1789; ein förmliches System stellte
dann das Gesetz vom 3. Aug. 1791 auf, dessen Inhalt ziemlich unver-
ändert auf das übrige Europa übergegangen ist. Darnach haben alle
Behörden (nur mit Ausnahme der gardes champetres et forestiers)
das Recht, dieß Gesetz anzuwenden. Die Formel ist: "Obeissance a la
loi; on va faire usage de la force, que les bons citoyens se retirent."

Diese Aufforderung muß mehrmal wiederholt werden unter Trommel-
schlag. An diese Bestimmung für das Verfahren schloß sich dann der
zweite Grundsatz der Haftung der Gemeinden (Gesetz vom 10 Vend.
an IV
). Diese rein polizeiliche Gesetzgebung wird nun später durch eine
strafrechtliche vervollständigt; und zwar zuerst durch das Gesetz vom
10. April 1831, dann durch das neueste Gesetz vom 10. April 1851.
Darnach ist das Attroupement selbst für ein Delit der Betheiligten er-
klärt, und zwar hat die Polizei dieselben nach der Verhaftung sofort
vor das Gericht (tribunal de simple police) zu stellen; das letzte Gesetz
hat namentlich das Strafsystem in der Weise geordnet, daß die Strafe
bei der Verhaftung nach der ersten Aufforderung eine Ordnungsstrafe
ist (Code Penal I. IV.), nach der zweiten eine Gefängnißstrafe bis
zu 3 Monaten; nach der dritten bis zu einem Jahre; daneben werden
die "Chefs" besonders bestraft. Es ist das rationellste Verfahren, das
es gibt, und werth, allgemein eingeführt zu werden. Vgl. Laferriere,
Droit adm. I. Ch. 2. Block, Dict. v. Attroupement.

Was Deutschland betrifft, so hat zuerst Preußen den Versuch
gemacht, sein Recht dem französischen nachzubilden. Die K. Kabinets-
Ordre vom 3. Dec. 1798 ist eigentlich eine Umschreibung des Gesetzes
von 1791; die Verordnung vom 17. August 1835 über die Anwendung
der Waffengewalt hat das ausgeführt. Allein der wesentliche Unter-
schied vom französischen Recht besteht darin, daß die Aufforderung zum
Auseinandergehen vom militärischen Befehlshaber und nicht von der
Civilbehörde ausgeht, und daß demgemäß auch dem letzteren allein über-
lassen wird, über sein Einschreiten zu entscheiden. Das Strafgesetzbuch
(§. 92) ging allerdings weiter, und fordert eine dreimalige Aufforderung,
jedoch ohne bestimmte Form, und ohne bestimmte Competenz zur Er-
klärung über den Zeitpunkt der Anwendung der Waffengewalt zwischen
Militär- und Civilbehörde, so daß hier viel Einzelnes zweifelhaft ge-
blieben ist, obgleich es gerade auf das Einzelne ankommt. Mit Recht
bemerkt daher Rönne (Staatsrecht II. §. 346), daß eine Revision der
betreffenden Gesetze sehr angezeigt wäre, was um so richtiger ist, als
die Bestimmungen über die Solidarität der Theilnehmer durch die Ver-
ordnung vom 17. August 1835 (§. 11), und die Haftung der Gemeinden
im Gesetz vom 11. März 1850 (§. 6) ausgesprochen ist, das Ganze daher

erſte Loi martiale iſt vom 21. Okt. 1789; ein förmliches Syſtem ſtellte
dann das Geſetz vom 3. Aug. 1791 auf, deſſen Inhalt ziemlich unver-
ändert auf das übrige Europa übergegangen iſt. Darnach haben alle
Behörden (nur mit Ausnahme der gardes champêtres et forestiers)
das Recht, dieß Geſetz anzuwenden. Die Formel iſt: „Obéissance à la
loi; on va faire usage de la force, que les bons citoyens se retirent.“

Dieſe Aufforderung muß mehrmal wiederholt werden unter Trommel-
ſchlag. An dieſe Beſtimmung für das Verfahren ſchloß ſich dann der
zweite Grundſatz der Haftung der Gemeinden (Geſetz vom 10 Vend.
an IV
). Dieſe rein polizeiliche Geſetzgebung wird nun ſpäter durch eine
ſtrafrechtliche vervollſtändigt; und zwar zuerſt durch das Geſetz vom
10. April 1831, dann durch das neueſte Geſetz vom 10. April 1851.
Darnach iſt das Attroupement ſelbſt für ein Délit der Betheiligten er-
klärt, und zwar hat die Polizei dieſelben nach der Verhaftung ſofort
vor das Gericht (tribunal de simple police) zu ſtellen; das letzte Geſetz
hat namentlich das Strafſyſtem in der Weiſe geordnet, daß die Strafe
bei der Verhaftung nach der erſten Aufforderung eine Ordnungsſtrafe
iſt (Code Pénal I. IV.), nach der zweiten eine Gefängnißſtrafe bis
zu 3 Monaten; nach der dritten bis zu einem Jahre; daneben werden
die „Chefs“ beſonders beſtraft. Es iſt das rationellſte Verfahren, das
es gibt, und werth, allgemein eingeführt zu werden. Vgl. Laferrière,
Droit adm. I. Ch. 2. Block, Dict. v. Attroupement.

Was Deutſchland betrifft, ſo hat zuerſt Preußen den Verſuch
gemacht, ſein Recht dem franzöſiſchen nachzubilden. Die K. Kabinets-
Ordre vom 3. Dec. 1798 iſt eigentlich eine Umſchreibung des Geſetzes
von 1791; die Verordnung vom 17. Auguſt 1835 über die Anwendung
der Waffengewalt hat das ausgeführt. Allein der weſentliche Unter-
ſchied vom franzöſiſchen Recht beſteht darin, daß die Aufforderung zum
Auseinandergehen vom militäriſchen Befehlshaber und nicht von der
Civilbehörde ausgeht, und daß demgemäß auch dem letzteren allein über-
laſſen wird, über ſein Einſchreiten zu entſcheiden. Das Strafgeſetzbuch
(§. 92) ging allerdings weiter, und fordert eine dreimalige Aufforderung,
jedoch ohne beſtimmte Form, und ohne beſtimmte Competenz zur Er-
klärung über den Zeitpunkt der Anwendung der Waffengewalt zwiſchen
Militär- und Civilbehörde, ſo daß hier viel Einzelnes zweifelhaft ge-
blieben iſt, obgleich es gerade auf das Einzelne ankommt. Mit Recht
bemerkt daher Rönne (Staatsrecht II. §. 346), daß eine Reviſion der
betreffenden Geſetze ſehr angezeigt wäre, was um ſo richtiger iſt, als
die Beſtimmungen über die Solidarität der Theilnehmer durch die Ver-
ordnung vom 17. Auguſt 1835 (§. 11), und die Haftung der Gemeinden
im Geſetz vom 11. März 1850 (§. 6) ausgeſprochen iſt, das Ganze daher

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[123/0145] erſte Loi martiale iſt vom 21. Okt. 1789; ein förmliches Syſtem ſtellte dann das Geſetz vom 3. Aug. 1791 auf, deſſen Inhalt ziemlich unver- ändert auf das übrige Europa übergegangen iſt. Darnach haben alle Behörden (nur mit Ausnahme der gardes champêtres et forestiers) das Recht, dieß Geſetz anzuwenden. Die Formel iſt: „Obéissance à la loi; on va faire usage de la force, que les bons citoyens se retirent.“ Dieſe Aufforderung muß mehrmal wiederholt werden unter Trommel- ſchlag. An dieſe Beſtimmung für das Verfahren ſchloß ſich dann der zweite Grundſatz der Haftung der Gemeinden (Geſetz vom 10 Vend. an IV). Dieſe rein polizeiliche Geſetzgebung wird nun ſpäter durch eine ſtrafrechtliche vervollſtändigt; und zwar zuerſt durch das Geſetz vom 10. April 1831, dann durch das neueſte Geſetz vom 10. April 1851. Darnach iſt das Attroupement ſelbſt für ein Délit der Betheiligten er- klärt, und zwar hat die Polizei dieſelben nach der Verhaftung ſofort vor das Gericht (tribunal de simple police) zu ſtellen; das letzte Geſetz hat namentlich das Strafſyſtem in der Weiſe geordnet, daß die Strafe bei der Verhaftung nach der erſten Aufforderung eine Ordnungsſtrafe iſt (Code Pénal I. IV.), nach der zweiten eine Gefängnißſtrafe bis zu 3 Monaten; nach der dritten bis zu einem Jahre; daneben werden die „Chefs“ beſonders beſtraft. Es iſt das rationellſte Verfahren, das es gibt, und werth, allgemein eingeführt zu werden. Vgl. Laferrière, Droit adm. I. Ch. 2. Block, Dict. v. Attroupement. Was Deutſchland betrifft, ſo hat zuerſt Preußen den Verſuch gemacht, ſein Recht dem franzöſiſchen nachzubilden. Die K. Kabinets- Ordre vom 3. Dec. 1798 iſt eigentlich eine Umſchreibung des Geſetzes von 1791; die Verordnung vom 17. Auguſt 1835 über die Anwendung der Waffengewalt hat das ausgeführt. Allein der weſentliche Unter- ſchied vom franzöſiſchen Recht beſteht darin, daß die Aufforderung zum Auseinandergehen vom militäriſchen Befehlshaber und nicht von der Civilbehörde ausgeht, und daß demgemäß auch dem letzteren allein über- laſſen wird, über ſein Einſchreiten zu entſcheiden. Das Strafgeſetzbuch (§. 92) ging allerdings weiter, und fordert eine dreimalige Aufforderung, jedoch ohne beſtimmte Form, und ohne beſtimmte Competenz zur Er- klärung über den Zeitpunkt der Anwendung der Waffengewalt zwiſchen Militär- und Civilbehörde, ſo daß hier viel Einzelnes zweifelhaft ge- blieben iſt, obgleich es gerade auf das Einzelne ankommt. Mit Recht bemerkt daher Rönne (Staatsrecht II. §. 346), daß eine Reviſion der betreffenden Geſetze ſehr angezeigt wäre, was um ſo richtiger iſt, als die Beſtimmungen über die Solidarität der Theilnehmer durch die Ver- ordnung vom 17. Auguſt 1835 (§. 11), und die Haftung der Gemeinden im Geſetz vom 11. März 1850 (§. 6) ausgeſprochen iſt, das Ganze daher

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/145>, abgerufen am 28.11.2024.