Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.IV. Das geltende Recht. 1) Die Polizei der Verbindungen und geheimen Gesellschaften. Der Wechsel der Gesetzgebung wie die Unbestimmtheit der theoreti- Die Grundlage des ganzen Rechtssystems muß die Unterscheidung Da nämlich diese Vereinigungen in allen ihren Formen tief in Dieses Rechtsprincip fand nun bis auf die neueste Zeit seinen Aus- IV. Das geltende Recht. 1) Die Polizei der Verbindungen und geheimen Geſellſchaften. Der Wechſel der Geſetzgebung wie die Unbeſtimmtheit der theoreti- Die Grundlage des ganzen Rechtsſyſtems muß die Unterſcheidung Da nämlich dieſe Vereinigungen in allen ihren Formen tief in Dieſes Rechtsprincip fand nun bis auf die neueſte Zeit ſeinen Aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0129" n="107"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Das geltende Recht.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head>1) <hi rendition="#g">Die Polizei der Verbindungen und geheimen Geſellſchaften</hi>.</head><lb/> <p>Der Wechſel der Geſetzgebung wie die Unbeſtimmtheit der theoreti-<lb/> ſchen Begriffe macht es nothwendig, der Darſtellung der Verbindungs-<lb/> und Geſellſchaftspolizei eine möglichſt ſcharfe Beſtimmung der Begriffe<lb/> vorauszuſenden, die um ſo nothwendiger iſt, als das Vereinsweſen<lb/> überhaupt noch keine rechte Stelle weder in der Rechts noch in der<lb/> Staatswiſſenſchaft gefunden hat, und jede Jurisprudenz des Vereins-<lb/> weſens ſich doch zuletzt an ſolche feſte Kategorien anſchließen muß. Wir<lb/> können dieß jetzt leichter verſuchen, als wir in der vollziehenden Ge-<lb/> walt das eigentliche Vereinsweſen in ſeiner verwaltungsrechtlichen Be-<lb/> deutung bereits bezeichnet haben.</p><lb/> <p>Die Grundlage des ganzen Rechtsſyſtems muß die Unterſcheidung<lb/> von <hi rendition="#g">Verbindungen</hi> und <hi rendition="#g">Vereinen</hi> bleiben. Die <hi rendition="#g">Verbindung</hi> iſt<lb/> jede Vereinigung, deren Zweck die Aenderung der beſtehenden Rechts-<lb/> ordnung iſt. Ein <hi rendition="#g">Verein</hi> iſt dagegen jede organiſirte und dauernde<lb/> Vereinigung, deren Zweck die Vollbringung irgend einer Aufgabe der<lb/> Verwaltung iſt. Die <hi rendition="#g">Geſellſchaft</hi> endlich iſt diejenige Unterart der<lb/> Vereine, deren Zweck ein durch die organiſirte Gemeinſchaft der Kräfte<lb/> angeſtrebter Erwerb der Mitglieder iſt. Eine <hi rendition="#g">Genoſſenſchaft</hi> wird<lb/> man denjenigen Verein nennen, der, weil ſein Zweck ein adminiſtrativer,<lb/> aber die Erreichung deſſelben von der Vereinigung aller Betheiligten<lb/> abhängiger iſt, ſeine Organiſation durch geſetzliche Vorſchrift empfängt,<lb/> wie die <hi rendition="#aq">Associations syndicales</hi> in Frankreich, die Handwerkergenoſſen-<lb/> ſchaften in Oeſterreich u. a. Dieß ſind die formellen Grundlagen. An<lb/> ſie ſchließt ſich zuerſt das allgemeine Rechtsprincip derſelben.</p><lb/> <p>Da nämlich dieſe Vereinigungen in allen ihren Formen tief in<lb/> das Geſammtleben hineingreifen und eine öffentliche Macht ſind, ſo iſt<lb/> die erſte und unabweisbare Forderung an alle, daß ſie, ganz gleichgültig<lb/> gegen ihren Zweck, <hi rendition="#g">öffentlich</hi> ſein müſſen. Der Begriff der „Oeffent-<lb/> lichkeit“ hat eine doppelte rechtliche Bedeutung. <hi rendition="#g">Erſtlich</hi> ſollen ſolche<lb/> Vereinigungen, da ſie ſelbſt ein Theil des Organismus der vollziehen-<lb/> den Gewalt ſind, ihren ſpeziellen Organismus, in Statuten und Leitung,<lb/> den Organen der vollziehenden Gewalt mittheilen; <hi rendition="#g">zweitens</hi> ſollen ſie<lb/> ihre Thätigkeit in irgend einer Form der öffentlichen Kenntniß nicht<lb/> vorenthalten. Aus dieſen im Weſen <hi rendition="#g">aller</hi> Vereine liegenden Forderungen<lb/> geht nun das <hi rendition="#g">erſte</hi> Rechtsprincip für dieſelben hervor, das Recht der<lb/><hi rendition="#g">Oeffentlichkeit</hi>.</p><lb/> <p>Dieſes Rechtsprincip fand nun bis auf die neueſte Zeit ſeinen Aus-<lb/> druck weſentlich darin, daß jeder Verein entweder erſt <hi rendition="#g">erlaubt</hi> ſein, oder<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0129]
IV. Das geltende Recht.
1) Die Polizei der Verbindungen und geheimen Geſellſchaften.
Der Wechſel der Geſetzgebung wie die Unbeſtimmtheit der theoreti-
ſchen Begriffe macht es nothwendig, der Darſtellung der Verbindungs-
und Geſellſchaftspolizei eine möglichſt ſcharfe Beſtimmung der Begriffe
vorauszuſenden, die um ſo nothwendiger iſt, als das Vereinsweſen
überhaupt noch keine rechte Stelle weder in der Rechts noch in der
Staatswiſſenſchaft gefunden hat, und jede Jurisprudenz des Vereins-
weſens ſich doch zuletzt an ſolche feſte Kategorien anſchließen muß. Wir
können dieß jetzt leichter verſuchen, als wir in der vollziehenden Ge-
walt das eigentliche Vereinsweſen in ſeiner verwaltungsrechtlichen Be-
deutung bereits bezeichnet haben.
Die Grundlage des ganzen Rechtsſyſtems muß die Unterſcheidung
von Verbindungen und Vereinen bleiben. Die Verbindung iſt
jede Vereinigung, deren Zweck die Aenderung der beſtehenden Rechts-
ordnung iſt. Ein Verein iſt dagegen jede organiſirte und dauernde
Vereinigung, deren Zweck die Vollbringung irgend einer Aufgabe der
Verwaltung iſt. Die Geſellſchaft endlich iſt diejenige Unterart der
Vereine, deren Zweck ein durch die organiſirte Gemeinſchaft der Kräfte
angeſtrebter Erwerb der Mitglieder iſt. Eine Genoſſenſchaft wird
man denjenigen Verein nennen, der, weil ſein Zweck ein adminiſtrativer,
aber die Erreichung deſſelben von der Vereinigung aller Betheiligten
abhängiger iſt, ſeine Organiſation durch geſetzliche Vorſchrift empfängt,
wie die Associations syndicales in Frankreich, die Handwerkergenoſſen-
ſchaften in Oeſterreich u. a. Dieß ſind die formellen Grundlagen. An
ſie ſchließt ſich zuerſt das allgemeine Rechtsprincip derſelben.
Da nämlich dieſe Vereinigungen in allen ihren Formen tief in
das Geſammtleben hineingreifen und eine öffentliche Macht ſind, ſo iſt
die erſte und unabweisbare Forderung an alle, daß ſie, ganz gleichgültig
gegen ihren Zweck, öffentlich ſein müſſen. Der Begriff der „Oeffent-
lichkeit“ hat eine doppelte rechtliche Bedeutung. Erſtlich ſollen ſolche
Vereinigungen, da ſie ſelbſt ein Theil des Organismus der vollziehen-
den Gewalt ſind, ihren ſpeziellen Organismus, in Statuten und Leitung,
den Organen der vollziehenden Gewalt mittheilen; zweitens ſollen ſie
ihre Thätigkeit in irgend einer Form der öffentlichen Kenntniß nicht
vorenthalten. Aus dieſen im Weſen aller Vereine liegenden Forderungen
geht nun das erſte Rechtsprincip für dieſelben hervor, das Recht der
Oeffentlichkeit.
Dieſes Rechtsprincip fand nun bis auf die neueſte Zeit ſeinen Aus-
druck weſentlich darin, daß jeder Verein entweder erſt erlaubt ſein, oder
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