Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.auf die Sicherheitspolizei, als Grundlagen der Rechtsbildung von da an auf die Sicherheitspolizei, als Grundlagen der Rechtsbildung von da an <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0123" n="101"/> auf die Sicherheitspolizei, als Grundlagen der Rechtsbildung von da an<lb/> feſtgehalten werden. Und es muß dabei nicht überſehen werden, daß<lb/> es ſich hier eben noch nicht um die Verwaltungspolizei, ſondern nur<lb/> um die höhere Sicherheitspolizei handelt. Von hohem Intereſſe aber<lb/> iſt es nun, zu ſehen, wie ſchrittweiſe mit dem Wiedererſtehen der ſelb-<lb/> ſtändigen Regierungsgewalt jene elementaren Grundſätze jetzt in den<lb/> Verfaſſungen, zuerſt in Frankreich und ſpäter auf dem übrigen Con-<lb/> tinent, langſam aber unverkennbar abgeſchwächt werden. Das ſpecifiſche<lb/> Merkmal dieſer Abſchwächung beſteht darin, daß die ſpäteren Verfaſ-<lb/> ſungen den Begriff und das organiſche Weſen <hi rendition="#g">des Geſetzes</hi> weglaſſen,<lb/> die höhere Sicherheitspolizei, namentlich das Verſammlungs- und Ver-<lb/> einsrecht, in den Verfaſſungsurkunden ſtillſchweigend übergehen, und<lb/> ſich meiſtens darauf beſchränken, nur noch dasjenige beizuhalten, was<lb/> die verfaſſungsmäßige Beſchränkung der Einzelpolizei, Verhaftungs-,<lb/> Haus- und Briefrecht betrifft. Schon die erſte franzöſiſche <hi rendition="#aq">Constitution</hi><lb/> vom 3. Sept. 1791, indem ſie den <hi rendition="#aq">Titre premier</hi> als <hi rendition="#aq">Approbation<lb/> des principes de la déclaration des droits</hi> formell anerkennt, und<lb/> alle obigen Punkte aufnimmt, kommt zu dem bedeutſamen Princip des<lb/> Vereins- und Verſammlungsrechts: <hi rendition="#aq">„La liberté aux citoyens de s’as-<lb/> sembler paisiblement et sans armes, <hi rendition="#i">en satisfaisant aux lois de<lb/> police.“</hi></hi> Da ſteht bereits das „Geſetz der Polizei“ <hi rendition="#g">neben</hi> der Ver-<lb/> faſſung. Es iſt eine zweite Geſetzgebung neben der erſten, mit gleicher<lb/> Berechtigung, mit gleicher Beſtimmung; es iſt ein zweites Element in<lb/> die <hi rendition="#aq">liberté des citoyens</hi> hingekommen. Es iſt klar, daß man ſich<lb/> über jene zweite Gewalt eben nicht klar iſt; man erkennt ihre Noth-<lb/> wendigkeit, aber noch nicht ihre Gränzen; und dieſe zweite Gewalt iſt<lb/> eben die Polizei. Sie iſt da; ihre freie, ſelbſtändige Bewegung iſt<lb/> ſchon jetzt als Bedingung der organiſchen Entwicklung betrachtet, und<lb/> es kommt nun darauf an, dieſe Bewegung der Polizei auch ihrerſeits<lb/> mit Geſetzen zu umgeben, um das ſtaatsbürgerliche Recht des Einzel-<lb/> nen zu wahren. Die Verfaſſung von 1793 iſt in dieſer Beziehung<lb/> höchſt bezeichnend; ſie ſetzt die ſtrengſten Strafen ein für jedes öffent-<lb/> liche Organ, das in die Freiheit der Einzelnen ungeſetzlich eingreift<lb/> (<hi rendition="#aq">Déclar. des droits</hi> in der neuen Redaktion als Einleitung in die<lb/><hi rendition="#aq">Constitution</hi> (Art. 11, 12); aber der Art. 55 ſcheidet bereits die <hi rendition="#aq">Décrets</hi><lb/> von den <hi rendition="#aq">Lois,</hi> und überweist den <hi rendition="#aq">décrets</hi> des <hi rendition="#aq">Corps législatif</hi> unter<lb/> anderem auch <hi rendition="#aq">„les mesures de sûreté et tranquillité générale;“</hi> die<lb/><hi rendition="#g">Quelle</hi> des Verordnungsrechts iſt damit formell neben derjenigen der<lb/> Geſetze gleichberechtigt anerkannt, und ſeine Geſchichte zeigt uns, in welch’<lb/> furchtbarer Weiſe dieſe höhere Sicherheitspolizei — denn es war nichts<lb/> anderes, warum es ſich handelte — ausgeübt ward. Die <hi rendition="#aq">déclaration<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0123]
auf die Sicherheitspolizei, als Grundlagen der Rechtsbildung von da an
feſtgehalten werden. Und es muß dabei nicht überſehen werden, daß
es ſich hier eben noch nicht um die Verwaltungspolizei, ſondern nur
um die höhere Sicherheitspolizei handelt. Von hohem Intereſſe aber
iſt es nun, zu ſehen, wie ſchrittweiſe mit dem Wiedererſtehen der ſelb-
ſtändigen Regierungsgewalt jene elementaren Grundſätze jetzt in den
Verfaſſungen, zuerſt in Frankreich und ſpäter auf dem übrigen Con-
tinent, langſam aber unverkennbar abgeſchwächt werden. Das ſpecifiſche
Merkmal dieſer Abſchwächung beſteht darin, daß die ſpäteren Verfaſ-
ſungen den Begriff und das organiſche Weſen des Geſetzes weglaſſen,
die höhere Sicherheitspolizei, namentlich das Verſammlungs- und Ver-
einsrecht, in den Verfaſſungsurkunden ſtillſchweigend übergehen, und
ſich meiſtens darauf beſchränken, nur noch dasjenige beizuhalten, was
die verfaſſungsmäßige Beſchränkung der Einzelpolizei, Verhaftungs-,
Haus- und Briefrecht betrifft. Schon die erſte franzöſiſche Constitution
vom 3. Sept. 1791, indem ſie den Titre premier als Approbation
des principes de la déclaration des droits formell anerkennt, und
alle obigen Punkte aufnimmt, kommt zu dem bedeutſamen Princip des
Vereins- und Verſammlungsrechts: „La liberté aux citoyens de s’as-
sembler paisiblement et sans armes, en satisfaisant aux lois de
police.“ Da ſteht bereits das „Geſetz der Polizei“ neben der Ver-
faſſung. Es iſt eine zweite Geſetzgebung neben der erſten, mit gleicher
Berechtigung, mit gleicher Beſtimmung; es iſt ein zweites Element in
die liberté des citoyens hingekommen. Es iſt klar, daß man ſich
über jene zweite Gewalt eben nicht klar iſt; man erkennt ihre Noth-
wendigkeit, aber noch nicht ihre Gränzen; und dieſe zweite Gewalt iſt
eben die Polizei. Sie iſt da; ihre freie, ſelbſtändige Bewegung iſt
ſchon jetzt als Bedingung der organiſchen Entwicklung betrachtet, und
es kommt nun darauf an, dieſe Bewegung der Polizei auch ihrerſeits
mit Geſetzen zu umgeben, um das ſtaatsbürgerliche Recht des Einzel-
nen zu wahren. Die Verfaſſung von 1793 iſt in dieſer Beziehung
höchſt bezeichnend; ſie ſetzt die ſtrengſten Strafen ein für jedes öffent-
liche Organ, das in die Freiheit der Einzelnen ungeſetzlich eingreift
(Déclar. des droits in der neuen Redaktion als Einleitung in die
Constitution (Art. 11, 12); aber der Art. 55 ſcheidet bereits die Décrets
von den Lois, und überweist den décrets des Corps législatif unter
anderem auch „les mesures de sûreté et tranquillité générale;“ die
Quelle des Verordnungsrechts iſt damit formell neben derjenigen der
Geſetze gleichberechtigt anerkannt, und ſeine Geſchichte zeigt uns, in welch’
furchtbarer Weiſe dieſe höhere Sicherheitspolizei — denn es war nichts
anderes, warum es ſich handelte — ausgeübt ward. Die déclaration
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