Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.aufzutreten. Damit aber die letztere diese ihre Gewalt nicht mißbrauche, Aus diesem Verhältniß erklärt sich uns der historische Gang dieser aufzutreten. Damit aber die letztere dieſe ihre Gewalt nicht mißbrauche, Aus dieſem Verhältniß erklärt ſich uns der hiſtoriſche Gang dieſer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0121" n="99"/> aufzutreten. Damit aber die letztere dieſe ihre Gewalt nicht mißbrauche,<lb/> muß dieſelbe in zweifacher Weiſe beſchränkt werden. Zuerſt muß die<lb/> wirklich vorhandene Störung ein eigenes Verbrechen im Strafgeſetze<lb/> werden; dann muß auch da, wo ſtatt des Verbrechens eine Gefahr<lb/> vorliegt, das Verfahren gegen dieſe Gefährdung mit möglichſt genauen<lb/> Geſetzen umgeben werden. So beſchränkt die ſtaatsbürgerliche Geſell-<lb/> ſchaft die höhere Sicherheitspolizei in <hi rendition="#g">drei</hi> geſetzlichen Formen. Die<lb/><hi rendition="#g">erſte</hi> beſteht in der Aufnahme des allgemeinen Princips der freien<lb/> öffentlichen Willensäußerungen in die Verfaſſung, welche hier mit dem<lb/> Princip des freien individuellen Rechts verbunden erſcheint. Das <hi rendition="#g">zweite</hi><lb/> beſteht in den Beſtimmungen der neuen Strafgeſetzbücher. Das <hi rendition="#g">dritte</hi><lb/> endlich enthält nun erſt das eigentliche Sicherheitspolizeirecht.</p><lb/> <p>Aus dieſem Verhältniß erklärt ſich uns der hiſtoriſche Gang dieſer<lb/> Rechtsbildung. Natürlich kommt dabei ſtets die Aufnahme in die Ver-<lb/> faſſung in erſter Reihe. Frankreich hat den Ruhm, das Princip für<lb/> das Recht der höheren Sicherheitspolizei zuerſt zum Bewußtſein gebracht<lb/> und auch formulirt zu haben. Nur erſcheint daſſelbe hier rein negativ,<lb/> als Beſtimmung der rechtlichen Gränze für die Berechtigung der voll-<lb/> ziehenden Gewalt gegenüber der freien Bewegung des Staatsbürger-<lb/> thums. Die <hi rendition="#aq">„Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“</hi><lb/> vom 26. Aug. 1789, welche der <hi rendition="#aq">Constitution</hi> vom 3. Sept. 1791 vorauf-<lb/> geht, iſt im Grunde der erſte große Ausdruck des Princips der Selbſtbe-<lb/> ſtimmung der Völker oder ihrer Verfaſſung — <hi rendition="#aq">„le principe de toute sou-<lb/> veraineté réside essentiellement dans la nation.“</hi> (Art. 3.) Alle folgen-<lb/> den Artikel enthalten die Beſtimmungen über die Gränze der höheren, durch<lb/> die Regierung ausgeübten Sicherheitspolizei gegenüber der Entwicklung<lb/> der Verfaſſung durch eben dieſen Volkswillen. Die <hi rendition="#aq">déclaration des<lb/> droits</hi> iſt in der That das erſte große <hi rendition="#g">Sicherheitspolizeirecht</hi> des<lb/><hi rendition="#g">Continents. Alle</hi> nachfolgenden Geſetze, ja alle nachfolgenden Ver-<lb/> faſſungen und Theorien ſind nichts anderes, als die weitere Entwicklung<lb/> der in dieſer Declaration aufgeſtellten Principien des <hi rendition="#g">Polizeirechts<lb/> der Verfaſſungsänderungen</hi>. Es mag uns, da man das vielfach<lb/> gänzlich vergeſſen hat, verſtattet ſein, darauf hier wieder hinzuweiſen.<lb/> Um dieß Verhältniß klar zu machen, ſetzen wir einfach das Wort<lb/> „Polizei“ an die Stelle des unbeſtimmten Fürwortes <hi rendition="#aq">„nul,“</hi> und die<lb/> Sache liegt auf der Hand. Art. 5: Keine Polizei (<hi rendition="#aq">nul</hi>) kann verbieten,<lb/> was das Geſetz nicht verbietet. Art. 7: Die Polizei kann niemanden ver-<lb/> haften, wenn das Geſetz (<hi rendition="#aq">la volonté générale</hi>) es nicht vorſchreibt.<lb/> Art. 8: Die Polizei kann keine als die vom Geſetze vorgeſchriebene Strafe<lb/> anwenden. Art. 9: Jede polizeiliche Verhaftung einer Perſon, die<lb/> nicht geſetzlich berechtigt iſt, ſoll vom Geſetze ſtrenge beſtraft werden.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0121]
aufzutreten. Damit aber die letztere dieſe ihre Gewalt nicht mißbrauche,
muß dieſelbe in zweifacher Weiſe beſchränkt werden. Zuerſt muß die
wirklich vorhandene Störung ein eigenes Verbrechen im Strafgeſetze
werden; dann muß auch da, wo ſtatt des Verbrechens eine Gefahr
vorliegt, das Verfahren gegen dieſe Gefährdung mit möglichſt genauen
Geſetzen umgeben werden. So beſchränkt die ſtaatsbürgerliche Geſell-
ſchaft die höhere Sicherheitspolizei in drei geſetzlichen Formen. Die
erſte beſteht in der Aufnahme des allgemeinen Princips der freien
öffentlichen Willensäußerungen in die Verfaſſung, welche hier mit dem
Princip des freien individuellen Rechts verbunden erſcheint. Das zweite
beſteht in den Beſtimmungen der neuen Strafgeſetzbücher. Das dritte
endlich enthält nun erſt das eigentliche Sicherheitspolizeirecht.
Aus dieſem Verhältniß erklärt ſich uns der hiſtoriſche Gang dieſer
Rechtsbildung. Natürlich kommt dabei ſtets die Aufnahme in die Ver-
faſſung in erſter Reihe. Frankreich hat den Ruhm, das Princip für
das Recht der höheren Sicherheitspolizei zuerſt zum Bewußtſein gebracht
und auch formulirt zu haben. Nur erſcheint daſſelbe hier rein negativ,
als Beſtimmung der rechtlichen Gränze für die Berechtigung der voll-
ziehenden Gewalt gegenüber der freien Bewegung des Staatsbürger-
thums. Die „Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“
vom 26. Aug. 1789, welche der Constitution vom 3. Sept. 1791 vorauf-
geht, iſt im Grunde der erſte große Ausdruck des Princips der Selbſtbe-
ſtimmung der Völker oder ihrer Verfaſſung — „le principe de toute sou-
veraineté réside essentiellement dans la nation.“ (Art. 3.) Alle folgen-
den Artikel enthalten die Beſtimmungen über die Gränze der höheren, durch
die Regierung ausgeübten Sicherheitspolizei gegenüber der Entwicklung
der Verfaſſung durch eben dieſen Volkswillen. Die déclaration des
droits iſt in der That das erſte große Sicherheitspolizeirecht des
Continents. Alle nachfolgenden Geſetze, ja alle nachfolgenden Ver-
faſſungen und Theorien ſind nichts anderes, als die weitere Entwicklung
der in dieſer Declaration aufgeſtellten Principien des Polizeirechts
der Verfaſſungsänderungen. Es mag uns, da man das vielfach
gänzlich vergeſſen hat, verſtattet ſein, darauf hier wieder hinzuweiſen.
Um dieß Verhältniß klar zu machen, ſetzen wir einfach das Wort
„Polizei“ an die Stelle des unbeſtimmten Fürwortes „nul,“ und die
Sache liegt auf der Hand. Art. 5: Keine Polizei (nul) kann verbieten,
was das Geſetz nicht verbietet. Art. 7: Die Polizei kann niemanden ver-
haften, wenn das Geſetz (la volonté générale) es nicht vorſchreibt.
Art. 8: Die Polizei kann keine als die vom Geſetze vorgeſchriebene Strafe
anwenden. Art. 9: Jede polizeiliche Verhaftung einer Perſon, die
nicht geſetzlich berechtigt iſt, ſoll vom Geſetze ſtrenge beſtraft werden.
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