Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.ihrem Vollzuge findet nicht statt. Jedes Vollzugsorgan steht daher Während somit in England das Haftungsrecht auf dem Klag- ihrem Vollzuge findet nicht ſtatt. Jedes Vollzugsorgan ſteht daher Während ſomit in England das Haftungsrecht auf dem Klag- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0106" n="84"/> ihrem Vollzuge findet <hi rendition="#g">nicht</hi> ſtatt. Jedes Vollzugsorgan ſteht daher<lb/> bei <hi rendition="#g">jeder</hi> Funktion unter der Möglichkeit eines Proceſſes, und die<lb/> ſpezielle Beziehung auf Anwendung der Waffengewalt war daher hier<lb/> gar nicht nöthig. Die große Unſicherheit der Vollziehung, die durch<lb/> dieſe Verſchmelzung von Beſchwerde und Klage entſtehen mußte, erzeugte<lb/> nun ein Gegengewicht in dem Grundſatz, daß man zwar nicht das<lb/> Klagrecht aufhob, wohl aber demſelben ein <hi rendition="#g">Syſtem von geſetzlichen<lb/> Einreden</hi> für die Vollziehungsorgane zur Seite ſtellte, welches<lb/> die letzteren vor unbegründeten und leichtſinnigen Klagen ſchützen<lb/> ſolle. Das Princip dafür lag ſchon lange im engliſchen Recht; das<lb/> Syſtem ſelbſt ward durch das St. 11. 12. <hi rendition="#aq">Vict. 44. (An act to protect<lb/> Justices of the Peace from vexatious actions done by them <hi rendition="#g">in<lb/> execution of their office</hi></hi> 1848) ausgeführt; Grundlage iſt, daß<lb/> der Kläger vollſtändig beweiſen muß, daß die Vollziehung <hi rendition="#aq">maliciously</hi><lb/> und ohne <hi rendition="#aq">reasonable and probable cause</hi> entweder überhaupt ſtatt-<lb/> gefunden, oder ihre Gränzen überſchritten habe. Der Mangel einer<lb/> Unterſcheidung des Beſchwerderechts vom Klagerecht würde ſelbſt nach<lb/> dieſem Akte die Vollziehung in England ernſtlich beeinträchtigen, wenn<lb/> nicht die Proceſſe ſo theuer wären. S. <hi rendition="#g">Gneiſt</hi>, Engl. Verwaltungs-<lb/> recht <hi rendition="#aq">II.</hi> a. a. O. Vergl. auch <hi rendition="#g">Kries</hi>, Engl. Armenpflege S. 56—57,<lb/> der ſich freilich nur auf das Verordnungs- und nicht auf das Vollzugs-<lb/> recht bezieht; es iſt aber nicht zu überſehen, daß für beide <hi rendition="#g">dieſelben</hi><lb/> Rechtsgrundſätze gelten.</p><lb/> <p>Während ſomit in England das Haftungsrecht auf dem <hi rendition="#g">Klag-<lb/> recht allein</hi> beruht, und zugleich ein für <hi rendition="#g">alle</hi> Vollziehung geltendes<lb/> Recht bildet, ohne Unterſchied der gegen Sachen oder Perſonen ange-<lb/> wendeten Gewalt, ſehen wir in Frankreich eine weſentlich andere Geſtalt<lb/> dieſes Rechts auftreten. Hier iſt nämlich die Haftung zwar <hi rendition="#g">grundſätz-<lb/> lich</hi> auf das Klagerecht gegen jeden Beamteten baſirt, der in der Voll-<lb/> ziehung die Form und das Maß überſchreitet, <hi rendition="#g">praktiſch</hi> aber gilt<lb/> dennoch faſt nur das Beſchwerderecht, ſo daß jenes die Ausnahme,<lb/> dieſes die Regel bildet. Die Aufſtellung des Rechts der ſtrafrechtlichen<lb/> Haftung iſt durch den Art. 186 des <hi rendition="#aq">Code Pénal</hi> ganz allgemein und<lb/> ohne alle Beſchränkung ſowohl für die Handlungen der Vollzugsorgane<lb/> gegen Sachen als gegen Perſonen ausgeſprochen; die ſpezielle Beziehung<lb/> auf unberechtigte Vergewaltigung der Perſonen enthält Art. 309, zu<lb/> welchem die Art. 485 und 486 des <hi rendition="#aq">Code d’Instr. Crim.</hi> hinzugenommen<lb/> werden müſſen. Allein dieſer einfache Grundſatz iſt nun faſt illuſoriſch<lb/> gemacht durch eine Reihe von Beſtimmungen, welche ſich an den noch<lb/> geltenden Art. 75 der Conſtitution vom 22 <hi rendition="#aq">Frim. an VIII</hi> anſchließen:<lb/><hi rendition="#aq">„Les agents du Gouvernement autres que les Ministres ne peuvent<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0106]
ihrem Vollzuge findet nicht ſtatt. Jedes Vollzugsorgan ſteht daher
bei jeder Funktion unter der Möglichkeit eines Proceſſes, und die
ſpezielle Beziehung auf Anwendung der Waffengewalt war daher hier
gar nicht nöthig. Die große Unſicherheit der Vollziehung, die durch
dieſe Verſchmelzung von Beſchwerde und Klage entſtehen mußte, erzeugte
nun ein Gegengewicht in dem Grundſatz, daß man zwar nicht das
Klagrecht aufhob, wohl aber demſelben ein Syſtem von geſetzlichen
Einreden für die Vollziehungsorgane zur Seite ſtellte, welches
die letzteren vor unbegründeten und leichtſinnigen Klagen ſchützen
ſolle. Das Princip dafür lag ſchon lange im engliſchen Recht; das
Syſtem ſelbſt ward durch das St. 11. 12. Vict. 44. (An act to protect
Justices of the Peace from vexatious actions done by them in
execution of their office 1848) ausgeführt; Grundlage iſt, daß
der Kläger vollſtändig beweiſen muß, daß die Vollziehung maliciously
und ohne reasonable and probable cause entweder überhaupt ſtatt-
gefunden, oder ihre Gränzen überſchritten habe. Der Mangel einer
Unterſcheidung des Beſchwerderechts vom Klagerecht würde ſelbſt nach
dieſem Akte die Vollziehung in England ernſtlich beeinträchtigen, wenn
nicht die Proceſſe ſo theuer wären. S. Gneiſt, Engl. Verwaltungs-
recht II. a. a. O. Vergl. auch Kries, Engl. Armenpflege S. 56—57,
der ſich freilich nur auf das Verordnungs- und nicht auf das Vollzugs-
recht bezieht; es iſt aber nicht zu überſehen, daß für beide dieſelben
Rechtsgrundſätze gelten.
Während ſomit in England das Haftungsrecht auf dem Klag-
recht allein beruht, und zugleich ein für alle Vollziehung geltendes
Recht bildet, ohne Unterſchied der gegen Sachen oder Perſonen ange-
wendeten Gewalt, ſehen wir in Frankreich eine weſentlich andere Geſtalt
dieſes Rechts auftreten. Hier iſt nämlich die Haftung zwar grundſätz-
lich auf das Klagerecht gegen jeden Beamteten baſirt, der in der Voll-
ziehung die Form und das Maß überſchreitet, praktiſch aber gilt
dennoch faſt nur das Beſchwerderecht, ſo daß jenes die Ausnahme,
dieſes die Regel bildet. Die Aufſtellung des Rechts der ſtrafrechtlichen
Haftung iſt durch den Art. 186 des Code Pénal ganz allgemein und
ohne alle Beſchränkung ſowohl für die Handlungen der Vollzugsorgane
gegen Sachen als gegen Perſonen ausgeſprochen; die ſpezielle Beziehung
auf unberechtigte Vergewaltigung der Perſonen enthält Art. 309, zu
welchem die Art. 485 und 486 des Code d’Instr. Crim. hinzugenommen
werden müſſen. Allein dieſer einfache Grundſatz iſt nun faſt illuſoriſch
gemacht durch eine Reihe von Beſtimmungen, welche ſich an den noch
geltenden Art. 75 der Conſtitution vom 22 Frim. an VIII anſchließen:
„Les agents du Gouvernement autres que les Ministres ne peuvent
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