Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.So wie aber der Einzelne in das Leben der Gesammtheit hineintritt, Daraus nun ergibt sich leicht das Verhältniß der Gesundheit zur Begriff und Gränze des öffentlichen Gesundheitswesens sind daher So wie aber der Einzelne in das Leben der Geſammtheit hineintritt, Daraus nun ergibt ſich leicht das Verhältniß der Geſundheit zur Begriff und Gränze des öffentlichen Geſundheitsweſens ſind daher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0018" n="2"/> So wie aber der Einzelne in das Leben der Geſammtheit hineintritt,<lb/> verliert er bis zu einem gewiſſen Grade die Möglichkeit, Herr ſeiner<lb/> Geſundheit zu bleiben, und andererſeits wird er als Theil der Gemein-<lb/> ſchaft für ſeine Geſundheit auch verantwortlich. Denn er iſt gezwungen,<lb/> in dem Leben der Gemeinſchaft alle diejenigen Einflüſſe in ſich aufzu-<lb/> nehmen, welche auf ſeine Geſundheit wirken, und dieſe Einflüſſe ſind<lb/> immer mächtig, oft geradezu übermächtig, wenn der Einzelne der Ge-<lb/> ſammtheit iſolirt gegenüber ſteht. Es iſt andererſeits kein Zweifel, daß<lb/> dieſe Geſundheit aller Einzelnen in der menſchlichen Gemeinſchaft zu<lb/> einer der wichtigſten Bedingungen des Wohlſeins und der Entwicklung<lb/> Aller wird. Denn auf ihr beruht die ganze geiſtige und wirthſchaft-<lb/> liche Produktionskraft des Menſchen, und wo ſie fehlt, wird er aus<lb/> einem die Gemeinſchaft fördernden Element zu einem hemmenden. Die<lb/> Geſundheit iſt zwar kein Reichthum, aber für den Nichtbeſitzer iſt ſie<lb/> die Bedingung des Erwerbs, für den Beſitzer die Bedingung des<lb/> Werthes deſſelben. Sie iſt ſomit die Vorausſetzung alles tüchtigen<lb/> Lebens Aller, denn ſie iſt es, welche die kräftige Entwicklung jedes<lb/> Einzelnen bedingt. Indem nun dieſe Geſundheit jedes Einzelnen von<lb/> der aller andern an ſich und von der Lebensweiſe und der Thätigkeit<lb/> derſelben abhängt, entſteht der Begriff der <hi rendition="#g">allgemeinen</hi> Geſundheit,<lb/> als der durchſchnittlichen Höhe der geſunden Kraft bei allen einzelnen<lb/> Individuen; und dieſe allgemeine Geſundheit wird zur <hi rendition="#g">öffentlichen<lb/> Geſundheit, inſofern</hi> und <hi rendition="#g">inſoweit</hi> eben dieſe durchſchnittliche<lb/> Höhe der geſunden Kraft einerſeits, und der Schutz derſelben bei jedem<lb/> Einzelnen andererſeits von den Einwirkungen abhängt, die der Verkehr<lb/> des Geſammtlebens für jeden Einzelnen mit oder ohne ſeinen Willen<lb/> mit ſich bringt.</p><lb/> <p>Daraus nun ergibt ſich leicht das Verhältniß der Geſundheit zur<lb/> Verwaltung. Steht dieſelbe nämlich als öffentliche Geſundheit einer-<lb/> ſeits unter den oben bezeichneten Einflüſſen, gegen welche ſich der Ein-<lb/> zelne nicht mehr durch eigene Kraft ſchützen kann, und iſt ſie anderer-<lb/> ſeits die erſte natürliche Bedingung der tüchtigen Entwicklung jedes<lb/> Einzelnen und damit des Ganzen, ſo ergibt ſich, daß es die Aufgabe<lb/> der Verwaltung ſein muß, <hi rendition="#g">diejenigen Bedingungen im Leben<lb/> der Gemeinſchaft</hi> herzuſtellen, welche die Geſundheit überhaupt einer-<lb/> ſeits vor den ihr aus dem Verkehr des Geſammtlebens erwachſenden<lb/> Gefahren ſchützen, und andererſeits dieſelben herſtellen und fördern<lb/> können. Und die Geſammtheit der hierauf bezüglichen Beſtimmungen,<lb/> Maßregeln und Anſtalten der Verwaltung bilden ſomit das <hi rendition="#g">öffent-<lb/> liche Geſundheitsweſen</hi>.</p><lb/> <p>Begriff und Gränze des öffentlichen Geſundheitsweſens ſind daher<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0018]
So wie aber der Einzelne in das Leben der Geſammtheit hineintritt,
verliert er bis zu einem gewiſſen Grade die Möglichkeit, Herr ſeiner
Geſundheit zu bleiben, und andererſeits wird er als Theil der Gemein-
ſchaft für ſeine Geſundheit auch verantwortlich. Denn er iſt gezwungen,
in dem Leben der Gemeinſchaft alle diejenigen Einflüſſe in ſich aufzu-
nehmen, welche auf ſeine Geſundheit wirken, und dieſe Einflüſſe ſind
immer mächtig, oft geradezu übermächtig, wenn der Einzelne der Ge-
ſammtheit iſolirt gegenüber ſteht. Es iſt andererſeits kein Zweifel, daß
dieſe Geſundheit aller Einzelnen in der menſchlichen Gemeinſchaft zu
einer der wichtigſten Bedingungen des Wohlſeins und der Entwicklung
Aller wird. Denn auf ihr beruht die ganze geiſtige und wirthſchaft-
liche Produktionskraft des Menſchen, und wo ſie fehlt, wird er aus
einem die Gemeinſchaft fördernden Element zu einem hemmenden. Die
Geſundheit iſt zwar kein Reichthum, aber für den Nichtbeſitzer iſt ſie
die Bedingung des Erwerbs, für den Beſitzer die Bedingung des
Werthes deſſelben. Sie iſt ſomit die Vorausſetzung alles tüchtigen
Lebens Aller, denn ſie iſt es, welche die kräftige Entwicklung jedes
Einzelnen bedingt. Indem nun dieſe Geſundheit jedes Einzelnen von
der aller andern an ſich und von der Lebensweiſe und der Thätigkeit
derſelben abhängt, entſteht der Begriff der allgemeinen Geſundheit,
als der durchſchnittlichen Höhe der geſunden Kraft bei allen einzelnen
Individuen; und dieſe allgemeine Geſundheit wird zur öffentlichen
Geſundheit, inſofern und inſoweit eben dieſe durchſchnittliche
Höhe der geſunden Kraft einerſeits, und der Schutz derſelben bei jedem
Einzelnen andererſeits von den Einwirkungen abhängt, die der Verkehr
des Geſammtlebens für jeden Einzelnen mit oder ohne ſeinen Willen
mit ſich bringt.
Daraus nun ergibt ſich leicht das Verhältniß der Geſundheit zur
Verwaltung. Steht dieſelbe nämlich als öffentliche Geſundheit einer-
ſeits unter den oben bezeichneten Einflüſſen, gegen welche ſich der Ein-
zelne nicht mehr durch eigene Kraft ſchützen kann, und iſt ſie anderer-
ſeits die erſte natürliche Bedingung der tüchtigen Entwicklung jedes
Einzelnen und damit des Ganzen, ſo ergibt ſich, daß es die Aufgabe
der Verwaltung ſein muß, diejenigen Bedingungen im Leben
der Gemeinſchaft herzuſtellen, welche die Geſundheit überhaupt einer-
ſeits vor den ihr aus dem Verkehr des Geſammtlebens erwachſenden
Gefahren ſchützen, und andererſeits dieſelben herſtellen und fördern
können. Und die Geſammtheit der hierauf bezüglichen Beſtimmungen,
Maßregeln und Anſtalten der Verwaltung bilden ſomit das öffent-
liche Geſundheitsweſen.
Begriff und Gränze des öffentlichen Geſundheitsweſens ſind daher
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