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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Das ärztliche Berufsrecht beginnt in der That erst mit dem Auf-
treten der Universitäten und dem aus ihnen hervorgehenden System der
fachmännischen Bildung. Das ärztliche Recht der Römer ist nur ein
bürgerliches Recht, und die Heilung nur durch die Grundsätze der bür-
gerlichen culpa geschützt. Die Entwicklung des eigentlichen Berufsrechts
erscheint dagegen in drei großen Stadien.

Die erste Epoche enthält den, zum öffentlich ständischen Recht er-
hobenen Grundsatz, daß das Recht, sich zum berufsmäßigen Arzt, Doctor
medicinae,
zu erklären, die medicinischen Facultätsstudien und Prü-
fungen voraussetzt, und die ärztliche Eidesleistung fordert. Die erste
vollständige Formulirung dieser Grundsätze ist die Organisation der
Schule von Salerno unter Friedrich II. 1232 (Constit. Siculorum III.
34)
. Das ethische Element der Berufsbildung ist durch die im Eide
gegebene Verpflichtung enthalten, die Kranken zu besuchen; das admini-
strative in der ersten Taxe. Allein noch stehen die Doctores als ganz
selbständiger Stand, ohne Beziehung auf das übrige Heilwesen da, und
Bildung, Prüfung und Recht sind mehrere Jahrhunderte hindurch aus-
nahmsweise Verhältnisse für die eigentlichen Aerzte. Daneben aber ist
der Wundarznei schon zu gleicher Zeit die Möglichkeit selbständiger wissen-
schaftlicher Bildung geboten.

Erst mit dem fünfzehnten, namentlich aber mit dem sechzehnten
Jahrhundert verbreitet sich der Stand der Doctores mit der Ausbrei-
tung der Universitäten. Das Entscheidende dabei wird dann die Auf-
nahme der berufsmäßigen Aerzte als Physici in der Stellung eines
Gemeindebeamteten, welche neben dem rein ständischen das öffentlich
rechtliche Moment zuerst in die Stellung der Aerzte hineinbringt. Damit
theilt sich nun auch allmählig die Bildung ihres öffentlichen Rechts in zwei
Gebiete. Das erste besteht aus den Universitäts- oder Studien- und
den Prüfungs- oder Promotions-Ordnungen der Doctores; das zweite
wird gebildet durch die, noch immer örtlichen Medicinal- und Apotheker-
ordnungen der Obrigkeiten, die im Grunde nur die Ideen der salerni-
tanischen Vorschriften auf jene Gemeindeärzte anwenden, ohne daß dabei
eine irgendwie nachweisbare Scheidung des amtlichen und des freien
berufsmäßigen Elementes durchgeführt werden könnte; doch bürgert sich
von da an der Grundsatz ein, daß die ärztliche Funktion überhaupt ein
munus publicum sei. Von einem speziellen Recht der Aerzte ist dabei
noch keine Rede; allein die berufsmäßige Bildung ordnet sich schon jetzt
die gewerbsmäßige Praxis unter, und legt damit den Grund zur Ent-
stehung der beiden großen Classen des Heilpersonals, indem die gewerb-
liche Heilkunde neben der berufsmäßigen als selbständige Innung und
Zunft mit Gewerberecht erscheint, und ihre technischen Thätigkeiten im

Stein, die Verwaltungslehre. III. 7

Das ärztliche Berufsrecht beginnt in der That erſt mit dem Auf-
treten der Univerſitäten und dem aus ihnen hervorgehenden Syſtem der
fachmänniſchen Bildung. Das ärztliche Recht der Römer iſt nur ein
bürgerliches Recht, und die Heilung nur durch die Grundſätze der bür-
gerlichen culpa geſchützt. Die Entwicklung des eigentlichen Berufsrechts
erſcheint dagegen in drei großen Stadien.

Die erſte Epoche enthält den, zum öffentlich ſtändiſchen Recht er-
hobenen Grundſatz, daß das Recht, ſich zum berufsmäßigen Arzt, Doctor
medicinae,
zu erklären, die mediciniſchen Facultätsſtudien und Prü-
fungen vorausſetzt, und die ärztliche Eidesleiſtung fordert. Die erſte
vollſtändige Formulirung dieſer Grundſätze iſt die Organiſation der
Schule von Salerno unter Friedrich II. 1232 (Constit. Siculorum III.
34)
. Das ethiſche Element der Berufsbildung iſt durch die im Eide
gegebene Verpflichtung enthalten, die Kranken zu beſuchen; das admini-
ſtrative in der erſten Taxe. Allein noch ſtehen die Doctores als ganz
ſelbſtändiger Stand, ohne Beziehung auf das übrige Heilweſen da, und
Bildung, Prüfung und Recht ſind mehrere Jahrhunderte hindurch aus-
nahmsweiſe Verhältniſſe für die eigentlichen Aerzte. Daneben aber iſt
der Wundarznei ſchon zu gleicher Zeit die Möglichkeit ſelbſtändiger wiſſen-
ſchaftlicher Bildung geboten.

Erſt mit dem fünfzehnten, namentlich aber mit dem ſechzehnten
Jahrhundert verbreitet ſich der Stand der Doctores mit der Ausbrei-
tung der Univerſitäten. Das Entſcheidende dabei wird dann die Auf-
nahme der berufsmäßigen Aerzte als Phyſici in der Stellung eines
Gemeindebeamteten, welche neben dem rein ſtändiſchen das öffentlich
rechtliche Moment zuerſt in die Stellung der Aerzte hineinbringt. Damit
theilt ſich nun auch allmählig die Bildung ihres öffentlichen Rechts in zwei
Gebiete. Das erſte beſteht aus den Univerſitäts- oder Studien- und
den Prüfungs- oder Promotions-Ordnungen der Doctores; das zweite
wird gebildet durch die, noch immer örtlichen Medicinal- und Apotheker-
ordnungen der Obrigkeiten, die im Grunde nur die Ideen der ſalerni-
taniſchen Vorſchriften auf jene Gemeindeärzte anwenden, ohne daß dabei
eine irgendwie nachweisbare Scheidung des amtlichen und des freien
berufsmäßigen Elementes durchgeführt werden könnte; doch bürgert ſich
von da an der Grundſatz ein, daß die ärztliche Funktion überhaupt ein
munus publicum ſei. Von einem ſpeziellen Recht der Aerzte iſt dabei
noch keine Rede; allein die berufsmäßige Bildung ordnet ſich ſchon jetzt
die gewerbsmäßige Praxis unter, und legt damit den Grund zur Ent-
ſtehung der beiden großen Claſſen des Heilperſonals, indem die gewerb-
liche Heilkunde neben der berufsmäßigen als ſelbſtändige Innung und
Zunft mit Gewerberecht erſcheint, und ihre techniſchen Thätigkeiten im

Stein, die Verwaltungslehre. III. 7
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[97/0113] Das ärztliche Berufsrecht beginnt in der That erſt mit dem Auf- treten der Univerſitäten und dem aus ihnen hervorgehenden Syſtem der fachmänniſchen Bildung. Das ärztliche Recht der Römer iſt nur ein bürgerliches Recht, und die Heilung nur durch die Grundſätze der bür- gerlichen culpa geſchützt. Die Entwicklung des eigentlichen Berufsrechts erſcheint dagegen in drei großen Stadien. Die erſte Epoche enthält den, zum öffentlich ſtändiſchen Recht er- hobenen Grundſatz, daß das Recht, ſich zum berufsmäßigen Arzt, Doctor medicinae, zu erklären, die mediciniſchen Facultätsſtudien und Prü- fungen vorausſetzt, und die ärztliche Eidesleiſtung fordert. Die erſte vollſtändige Formulirung dieſer Grundſätze iſt die Organiſation der Schule von Salerno unter Friedrich II. 1232 (Constit. Siculorum III. 34). Das ethiſche Element der Berufsbildung iſt durch die im Eide gegebene Verpflichtung enthalten, die Kranken zu beſuchen; das admini- ſtrative in der erſten Taxe. Allein noch ſtehen die Doctores als ganz ſelbſtändiger Stand, ohne Beziehung auf das übrige Heilweſen da, und Bildung, Prüfung und Recht ſind mehrere Jahrhunderte hindurch aus- nahmsweiſe Verhältniſſe für die eigentlichen Aerzte. Daneben aber iſt der Wundarznei ſchon zu gleicher Zeit die Möglichkeit ſelbſtändiger wiſſen- ſchaftlicher Bildung geboten. Erſt mit dem fünfzehnten, namentlich aber mit dem ſechzehnten Jahrhundert verbreitet ſich der Stand der Doctores mit der Ausbrei- tung der Univerſitäten. Das Entſcheidende dabei wird dann die Auf- nahme der berufsmäßigen Aerzte als Phyſici in der Stellung eines Gemeindebeamteten, welche neben dem rein ſtändiſchen das öffentlich rechtliche Moment zuerſt in die Stellung der Aerzte hineinbringt. Damit theilt ſich nun auch allmählig die Bildung ihres öffentlichen Rechts in zwei Gebiete. Das erſte beſteht aus den Univerſitäts- oder Studien- und den Prüfungs- oder Promotions-Ordnungen der Doctores; das zweite wird gebildet durch die, noch immer örtlichen Medicinal- und Apotheker- ordnungen der Obrigkeiten, die im Grunde nur die Ideen der ſalerni- taniſchen Vorſchriften auf jene Gemeindeärzte anwenden, ohne daß dabei eine irgendwie nachweisbare Scheidung des amtlichen und des freien berufsmäßigen Elementes durchgeführt werden könnte; doch bürgert ſich von da an der Grundſatz ein, daß die ärztliche Funktion überhaupt ein munus publicum ſei. Von einem ſpeziellen Recht der Aerzte iſt dabei noch keine Rede; allein die berufsmäßige Bildung ordnet ſich ſchon jetzt die gewerbsmäßige Praxis unter, und legt damit den Grund zur Ent- ſtehung der beiden großen Claſſen des Heilperſonals, indem die gewerb- liche Heilkunde neben der berufsmäßigen als ſelbſtändige Innung und Zunft mit Gewerberecht erſcheint, und ihre techniſchen Thätigkeiten im Stein, die Verwaltungslehre. III. 7

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/113>, abgerufen am 22.11.2024.