und dem Einzelnen gegenüber, und als sei es Aufgabe der Polizei, diesen Gegensatz durch die Begriffe von Sicherheit und Wohlfahrt aus- zusöhnen. Diese Vorstellungen sind historische. Für den Begriff der Verwaltung gibt es diesen Gegensatz überhaupt nicht. Es gibt keine Substanz der Verwaltung, keine Materie derselben, welche der Staat persönlich besäße und sie den Verwalteten geben könnte. Die Verwal- tung ist vielmehr nur die staatliche Ordnung und Bestimmung dessen, was die eigene Natur als Antheil der Gemeinschaft von dem Einzelnen ohnehin fordert. Der Staat hat es daher auch in seiner Verwaltung überhaupt gar nicht mit etwas zu thun, das sein eigen wäre, sondern mit dem, was der Gemeinschaft vermöge des Einzelnen und umgekehrt, angehört. Seine Verwaltung ist daher in der That als die in persönliche Form gebrachte, der persönlichen Selbstbe- stimmung unterworfene Gegenseitigkeit aller unterein- ander, die persönliche Gestalt der Harmonie der Entwick- lung der Menschheit, welche zunächst auf den untergeordneten Gebieten als Staatswirthschaft und Rechtspflege erscheint, in der ersten mit dem materiellen Substrat der Güter, in der zweiten mit dem negativen Elemente der äußerlichen Unverletzlichkeit beschäftigt, und erst in der Verwaltung sich zum positiven Leben der harmonischen Entwicklung des Einzelnen durch das Ganze erhebend.
Das nun ist, von allem Einzelnen abgesehen, dasjenige was wir die sittliche Idee der Verwaltung nennen, und wodurch sie den höchsten Anschauungen angehört, die das Leben der Menschheit erkennen lehren.
Erfaßt man nun die Verwaltung von diesem Standpunkt, das gesammte menschliche Leben, die gesammte Staatsthätigkeit in der Be- wegung der Gemeinschaft, die ganze gewaltige Arbeit enthaltend, con- centrirend und ordnend, durch welche die Menschheit ihrem Ziele ent- gegenstrebt, so gewinnt sie einen Inhalt wie kein anderer Theil der Staatswissenschaft. In der That muß man sagen, daß ihr gegenüber alles andere nur Mittel zum Zwecke wird, und daß der Werth alles dessen, was der Staat enthält, will und thut, zuletzt sich an demjenigen zeigen und messen muß, was er in der Verwaltung und für dieselbe leistet. Die letzten Ziele des gemeinschaftlichen Lebens der Menschheit liegen in ihrem Gebiete; die größten und entscheidenden Bedingungen für die Verwirklichung derselben werden von ihr geboten. Sie ist es daher, welche man vom höhern Standpunkt aus als den Ausdruck der wahren Bildung und Gesittung des Gesammtlebens anerkennen muß; was sie nicht mehr zu leisten vermag, das vermag für das wirkliche Leben überhaupt keine menschliche Gewalt zu leisten. Sie ist es daher, welche ihrem Wesen nach den Einzelnen beständig umgibt, beständig für ihn
und dem Einzelnen gegenüber, und als ſei es Aufgabe der Polizei, dieſen Gegenſatz durch die Begriffe von Sicherheit und Wohlfahrt aus- zuſöhnen. Dieſe Vorſtellungen ſind hiſtoriſche. Für den Begriff der Verwaltung gibt es dieſen Gegenſatz überhaupt nicht. Es gibt keine Subſtanz der Verwaltung, keine Materie derſelben, welche der Staat perſönlich beſäße und ſie den Verwalteten geben könnte. Die Verwal- tung iſt vielmehr nur die ſtaatliche Ordnung und Beſtimmung deſſen, was die eigene Natur als Antheil der Gemeinſchaft von dem Einzelnen ohnehin fordert. Der Staat hat es daher auch in ſeiner Verwaltung überhaupt gar nicht mit etwas zu thun, das ſein eigen wäre, ſondern mit dem, was der Gemeinſchaft vermöge des Einzelnen und umgekehrt, angehört. Seine Verwaltung iſt daher in der That als die in perſönliche Form gebrachte, der perſönlichen Selbſtbe- ſtimmung unterworfene Gegenſeitigkeit aller unterein- ander, die perſönliche Geſtalt der Harmonie der Entwick- lung der Menſchheit, welche zunächſt auf den untergeordneten Gebieten als Staatswirthſchaft und Rechtspflege erſcheint, in der erſten mit dem materiellen Subſtrat der Güter, in der zweiten mit dem negativen Elemente der äußerlichen Unverletzlichkeit beſchäftigt, und erſt in der Verwaltung ſich zum poſitiven Leben der harmoniſchen Entwicklung des Einzelnen durch das Ganze erhebend.
Das nun iſt, von allem Einzelnen abgeſehen, dasjenige was wir die ſittliche Idee der Verwaltung nennen, und wodurch ſie den höchſten Anſchauungen angehört, die das Leben der Menſchheit erkennen lehren.
Erfaßt man nun die Verwaltung von dieſem Standpunkt, das geſammte menſchliche Leben, die geſammte Staatsthätigkeit in der Be- wegung der Gemeinſchaft, die ganze gewaltige Arbeit enthaltend, con- centrirend und ordnend, durch welche die Menſchheit ihrem Ziele ent- gegenſtrebt, ſo gewinnt ſie einen Inhalt wie kein anderer Theil der Staatswiſſenſchaft. In der That muß man ſagen, daß ihr gegenüber alles andere nur Mittel zum Zwecke wird, und daß der Werth alles deſſen, was der Staat enthält, will und thut, zuletzt ſich an demjenigen zeigen und meſſen muß, was er in der Verwaltung und für dieſelbe leiſtet. Die letzten Ziele des gemeinſchaftlichen Lebens der Menſchheit liegen in ihrem Gebiete; die größten und entſcheidenden Bedingungen für die Verwirklichung derſelben werden von ihr geboten. Sie iſt es daher, welche man vom höhern Standpunkt aus als den Ausdruck der wahren Bildung und Geſittung des Geſammtlebens anerkennen muß; was ſie nicht mehr zu leiſten vermag, das vermag für das wirkliche Leben überhaupt keine menſchliche Gewalt zu leiſten. Sie iſt es daher, welche ihrem Weſen nach den Einzelnen beſtändig umgibt, beſtändig für ihn
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und dem Einzelnen gegenüber, und als ſei es Aufgabe der Polizei,
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zuſöhnen. Dieſe Vorſtellungen ſind hiſtoriſche. Für den Begriff der
Verwaltung gibt es dieſen Gegenſatz überhaupt nicht. Es gibt keine
Subſtanz der Verwaltung, keine Materie derſelben, welche der Staat
perſönlich beſäße und ſie den Verwalteten geben könnte. Die Verwal-
tung iſt vielmehr nur die ſtaatliche Ordnung und Beſtimmung deſſen,
was die eigene Natur als Antheil der Gemeinſchaft von dem Einzelnen
ohnehin fordert. Der Staat hat es daher auch in ſeiner Verwaltung
überhaupt gar nicht mit etwas zu thun, das ſein eigen wäre, ſondern
mit dem, was der Gemeinſchaft vermöge des Einzelnen und umgekehrt,
angehört. Seine Verwaltung iſt daher in der That als die
in perſönliche Form gebrachte, der perſönlichen Selbſtbe-
ſtimmung unterworfene Gegenſeitigkeit aller unterein-
ander, die perſönliche Geſtalt der Harmonie der Entwick-
lung der Menſchheit, welche zunächſt auf den untergeordneten Gebieten
als Staatswirthſchaft und Rechtspflege erſcheint, in der erſten mit dem
materiellen Subſtrat der Güter, in der zweiten mit dem negativen
Elemente der äußerlichen Unverletzlichkeit beſchäftigt, und erſt in der
Verwaltung ſich zum poſitiven Leben der harmoniſchen Entwicklung des
Einzelnen durch das Ganze erhebend.
Das nun iſt, von allem Einzelnen abgeſehen, dasjenige was wir die
ſittliche Idee der Verwaltung nennen, und wodurch ſie den höchſten
Anſchauungen angehört, die das Leben der Menſchheit erkennen lehren.
Erfaßt man nun die Verwaltung von dieſem Standpunkt, das
geſammte menſchliche Leben, die geſammte Staatsthätigkeit in der Be-
wegung der Gemeinſchaft, die ganze gewaltige Arbeit enthaltend, con-
centrirend und ordnend, durch welche die Menſchheit ihrem Ziele ent-
gegenſtrebt, ſo gewinnt ſie einen Inhalt wie kein anderer Theil der
Staatswiſſenſchaft. In der That muß man ſagen, daß ihr gegenüber
alles andere nur Mittel zum Zwecke wird, und daß der Werth alles
deſſen, was der Staat enthält, will und thut, zuletzt ſich an demjenigen
zeigen und meſſen muß, was er in der Verwaltung und für dieſelbe leiſtet.
Die letzten Ziele des gemeinſchaftlichen Lebens der Menſchheit liegen
in ihrem Gebiete; die größten und entſcheidenden Bedingungen für die
Verwirklichung derſelben werden von ihr geboten. Sie iſt es daher,
welche man vom höhern Standpunkt aus als den Ausdruck der wahren
Bildung und Geſittung des Geſammtlebens anerkennen muß; was ſie
nicht mehr zu leiſten vermag, das vermag für das wirkliche Leben
überhaupt keine menſchliche Gewalt zu leiſten. Sie iſt es daher, welche
ihrem Weſen nach den Einzelnen beſtändig umgibt, beſtändig für ihn
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/69>, abgerufen am 30.01.2025.
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